Freitag, März 29, 2024

Kommt das Ende der Ausbeutung? Ab 2023 soll das deutsche Lieferkettengesetz für mehr ökologische und soziale Nachhaltigkeit am anderen Ende der Welt sorgen. In der Bevölkerung stößt man auf verhaltenes Wissen und Zustimmung. Was es braucht, ist aber vor allem Transparenz, wie eine Umfrage der Managementberatung BearingPoint zeigt. 

Zum 1. Jänner tritt in Deutschland das sogenannte „Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“ in Kraft. Es verpflichtet Unternehmen mit Sitz in Deutschland und mehr als 3000 Mitarbeitenden dazu, ihre Sorgfaltspflicht zum Schutz der Menschenrechte sowie von Umweltstandards einzuhalten. Ausländische Unternehmen mit ihrem Hauptsitz in Deutschland fallen ebenfalls unter das Gesetz. Bei Verstößen gegen das Lieferkettengesetz drohen Unternehmen drastische Bußgelder in Höhe von bis zu 8 Millionen Euro oder bis zu 2 Prozent ihres weltweiten Jahresumsatzes.

Junge Menschen an der Front? 

Das Vorurteil, dass sich die junge Generation nicht für Politik interessiert, scheint von gestern. Immerhin 32 Prozent der 18- bis 34-Jährigen wissen von den kommenden verpflichtenden Standards - mehr als der Durchschnitt aller Befragten (27 Prozent). Doch wer glaubt, dass junge Erwachsene durch die Bank hinter dem Gesetz stehen, täuscht sich: jede*r Dritte kann der Idee hinter dem Gesetz wenig abgewinnen, das ist unter allen Befragten die größte Gruppe. Über das Warum gibt die Umfrage jedoch leider keine Auskunft. Möglich wären Gründe wie die Angst vor Preisanstiegen, oder mangelndes Vertrauen darin, dass das Gesetz auch effektiv durchgesetzt wird.

Verhaltene Zustimmung

Im Durchschnitt befürworten die meisten Menschen das Gesetz aber. Mehr als die Hälfte der Befragten findet es richtig, dass Unternehmen gesetzlich zu Umwelt- und Sozialstandards entlang ihrer Lieferketten verpflichtet werden, bezweifelt aber, dass diese Vorgaben auch wirklich so umgesetzt werden. Für ihre Zustimmung wird es also auf die konkrete Verwirklichung des Gesetzes ankommen. 17 Prozent der Menschen wiederum befürworten das Gesetz und sind sich gleichzeitig sicher, dass damit auch Produkte nachhaltiger produziert werden. 13 Prozent hingegen gehen eher davon aus, dass das Gesetz allein zu höheren Preisen führen wird, ohne die Bedingungen für das Klima und die Menschen am Ende der Herstellungskette zu verbessern.  

Die Mehrheit der Deutschen spricht sich dafür aus, dass Hersteller auf Menschenrechts - und Umweltstandards achten müssen. (Grafik: BearingPoint)

Nachhaltigkeit darf kosten

Mehr als 60 Prozent würden ein nachhaltigeres Produkt – im Vergleich zu einem gleichwertigen Produkt, das ohne diese Standards produziert wurde – bevorzugen. Und die Mehrheit ist zudem dazu bereit, auch mehr dafür zu zahlen: fast 60 Prozent von ihnen würden die Produkte auch dann bevorzugen, wenn sie teurer wären. Nur 26 Prozent wollen zwar nachhaltiger einkaufen, sehen aber nicht ein, dafür tiefer in die Tasche zu greifen. 

Transparenz durch Tracking

In der Industrie lässt sich die ökologische und soziale Nachhaltigkeit in der Lieferkette mit Apps nachverfolgen. Auch in der Breite könnten solche Tracking-Anwendungen möglich sein. In der Bevölkerung überzeugt die Idee nur teilweise. Ob eine App, die die geprüfte und erzielte Transparenz einer nachhaltigen Lieferkette bei einem Produkt anzeigt, das Vertrauen bezüglich eines Unternehmens ändern würde: dieser Idee stimmen nur 37 Prozent zu, während 41 Prozent skeptisch bleiben. Höchste Zustimmung liegt hier wieder bei den jungen Menschen: unter den 25- bis 34-Jährigen liegt sie bei 49 Prozent. 

Ein großes Thema ist das mangelnde Vertrauen der Bevölkerung in die Aufrichtigkeit der Wirtschaft. Helfen könnte hier die (freiwillige) Verpflichtung zur Transparenz - öffentlich zugänglich für jede*n. (Grafik: BearingPoint)

„Das Lieferkettengesetz kann für eine weitere Digitalisierung der Supply Chain und somit für mehr Transparenz in der gesamten Wertschöpfungskette von Produkten sorgen. Transparenz wiederum ist die Grundvoraussetzung, um die Lieferkette ökologischer, nachhaltiger, menschlicher und noch dazu effizienter zu machen. Aus der Datenbereitstellung der Lieferanten kann zudem auch ein gemeinsames digitales Ökosystem erwachsen, von dem alle Teilnehmer profitieren können. Somit liegt in dem neuen Gesetz ein großes Potenzial. Allerdings legen unsere Umfrageergebnisse auch nahe, dass noch ein weit verbreitetes Misstrauen hinsichtlich der tatsächlichen Umsetzung und Einhaltung des Gesetzes besteht. Hier wird es nun darum gehen, das Gesetz fair, transparent, glaubwürdig, aber letztlich auch schlagkräftig umzusetzen“, resümiert Ralf Dillmann, Partner bei BearingPoint und Experte für das Thema Lieferketten.


Über die Studie

Die verwendeten Daten beruhen auf einer Online-Umfrage der YouGov Deutschland GmbH im Auftrag von BearingPoint, an der 2026 Personen zwischen dem 14. und 17.10.2022 teilnahmen. Die Ergebnisse wurden gewichtet und sind repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren.

(Titelbild: iStock)

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