Donnerstag, Dezember 05, 2024

Veränderungen bestimmen das tägliche Business – mehr denn je. Wo sich bestehende Arbeitsstrukturen auflösen und Geschäftsfelder wandeln, gewinnen Kreativität, Innovationskraft und globales Denken an Bedeutung. Unter dem Motto „Zukunft im Fokus – Leading the Future“ zeigte das 23. Quality-Austria-Forum Wege auf, diesen Veränderungen proaktiv zu begegnen und sie als Chance zu nutzen.

Rund 750 Teilnehmerinnen und Teilnehmer fanden sich am 15. März im Salzburg Congress zum alljährlichen Wirtschaftstalk der Quality Austria Trainings-, Zertifizierungs- und Begutachtungs GmbH ein. CEO Konrad Scheiber stellte in seinem Eröffnungsreferat klar, dass die Herausforderungen der Zukunft ohne Qualität in den Organisationen nicht bewältigt werden können. „Qualitätswissen ist nicht mehr so hoch angesehen wie noch vor einigen Jahren“, kritisierte Scheiber. Sich diese Technologien, Branchen und Recht umfassenden Kenntnisse anzueignen, sei aber nicht in einem Workshop möglich. Führungskräfte seien daher gefordert, eine Lernkultur zu schaffen und informelles Lernen insbesondere durch den Einsatz von Social Software zu unterstützen.

Managementsysteme tragen nachweislich dazu bei, die Einhaltung von Qualitäts-, Sicherheits- und Umweltstandards zu gewährleisten. „20 % der stressauslösenden Faktoren sind Fehler“, erinnerte Scheiber und plädierte in diesem Sinn für mehr Gelassenheit, allerdings nicht im typisch österreichischen Habitus „Schau ma mal“: „Gelassenheit ist die Fähigkeit, 'es gut sein zu lassen' und nicht die Fähigkeit, 'es schlecht beleiben zu lassen'.“

Zukunft gestalten
Die „Zukunft auf dem Prüfstand“ sieht auch der Luzerner Zukunftsforscher George T. Roos, ROOS Trends & Futures. Er entwarf in seinem anschließenden Vortrag „disruptive Szenarien“, also Lebensbereiche, die sich in den nächsten 20 Jahren exponentiell verändern werden. Künstliche Intelligenz und das Internet der Dinge würden diese Entwicklung vorantreiben, auch wenn der „smarte Blumentopf“, der selbständig ans Gießen erinnert, nicht allen behagt.

Erfolge aus der fortgeschrittenen Robotik, etwa mit dem IBM Watson, zeigen durchaus sinnvolle Anwendungsfelder auf. So könne ein Computer auch selten auftretende Symptome in Sekundenschnelle mit mehr als 10.000 Krankheiten und den neuesten medizinischen Studien abgleichen und damit „viel genauere Diagnosen treffen, als jeder Dr. House“, outete sich Roos mit einem Augenzwinkern als heimlicher Fan der TV-Serie.

Auch Prognosen, die einen Wegfall von 47 % der Jobs für möglich halten, müsse man ins Auge sehen. Maschinen könnten sogar Führungskräfte ersetzen – und das gar nicht mal schlecht: Erste Untersuchungen ergaben, dass die Arbeit am besten erledigt wurde und die Mitarbeiter am zufriedensten waren, wenn ein Roboter der Chef war. In Anlehnung an das bekannte Zitat von Perikles „Es kommt nicht darauf an, die Zukunft vorherzusagen, sondern auf die Zukunft vorbereitet zu sein“, sei es deshalb noch besser, die Zukunft mitzugestalten.

Blick ins Jahr 2030
Welche Perspektiven die nachfolgende Generation erwarten, skizzierten die Quality-Austria-Experten Eckehard Bauer, Axel Dick, Anni Koubek und Franz Peter Walder in „Lauras Zukunftsbildern“ sehr anschaulich am Beispiel eines heute zehnjährigen Mädchens, das 2030 ins Berufsleben einsteigt. Damit sie dann positive Voraussetzungen vorfindet, wären heute schon entsprechende Weichen etwa hinsichtlich Ausbildung, Klimaschutz, Rohstoffverknappung und Technologiewandel zu stellen. Auf die Wirtschaft umgelegt, bedeute dies, nach dem Ansatz „Plan – Do – Check – Act“ in Kreisläufen zu denken und auf Gefahren rechtzeitig zu erkennen, erläuterte Risiko- und Sicherheitsmanager Bauer. Organisationen müssen zunehmend flexibler agieren, so Anni Koubek, Prokuristin des Bereichs Innovation: „Ein Fokus des Managementsystems ist Veränderung. Es ist u.a. darauf ausgerichtet, Chancen und Risiken abzuleiten und entsprechend danach zu entscheiden.“ Um die Risiken beherrschbar zu machen, seien Beziehungsqualität und die Gestaltung der Strukturen wesentliche Voraussetzungen, merkte Board-Member Walder an. „Systemmanager sind mehr denn je gefragt“, appellierte Axel Dick, verantwortlich für das Business Delopment Umwelt und Energie, an die Zuhörer: „Greifen Sie in diesen Werkzeugkoffer und halten Sie die Qualität hoch. Es geht um das konkrete Tun!“

Dass Qualitätsmanagement ohne Einbindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht fruchtet, machte die Auszeichnung des „Qualitäts-Champions“ deutlich. Die Wahl fiel heuer auf Gerd Hartinger, Geschäftsführer der Geriatischen Gesundheitszentren der Stadt Graz, dem es gelungen war, die zuvor starr, unterfinanzierte Organisation zu einem kommerziell tragfähige und international beachteten Vorzeigeunernehmen aufzubauen. „Von der Führung bis zur Basis tragen alle diesen Spirit mit“, bestätigte der 55-jährige Steirer. Als Gewinner ist Hartinger auch für den European Quality Leader Award nominiert, der am 11. Oktober 2017 in Bled/Slowenien verliehen wird. Über die Auszeichnung zum „Österreichs Qualitäts-Talent“ freute sich indessen Marlies Hart. Die Studentin der Gesundheits- und Pflegewissenschaften an der Medizinischen Universität Graz arbeitet als Stationssekretärin am Klinikum Graz und entwickelte eine Kommunikationsmethode, die inzwischen in interdisziplinären Besprechungen zu Therapiemöglichkeiten von Krebspatienten angewendet wird.

Digital Enterprise
Mit einem praxisnahen Einblick in die Referenzprojekte der Siemens AG leitete Kurt Hofstädter, Leiter Digital Factory CEE bei Siemens und Vorstandsvorsitzender des Vereins Industrie 4.0), den Nachmittag ein. Vorreiter in digitaler Technik zu sein, sei manchmal ein beschwerlicher und kostenintensiver Weg, wie Hofstädter offen eingestand. So habe Siemens bei der Errichtung des ersten Offshore-Windparks – bedingt durch Unwetter, Narwale und andere unvorhersehbare Widrigkeiten – Lehrgeld bezahlt: „Jetzt wissen wir dafür, wie es geht.“

Digitalisierung der industriellen Fertigung sei für Hochlohnländer wie Österreich eine große Chance. „Nach vielen Jahrzehnten, in denen der globale Wettbewerb über die Produktionskosten – und damit zu einem erheblichen Teil über Personalkosten – geführt wurde, können wir jetzt verstärkt mit Know-how und Innovationen punkten“, erklärte Hofstädter. Viele österreichische Unternehmen zählen in ihrer Nische bereits zur Weltspitze und nutzen die Vorteile der Digitalisierung im Rahmen von Entwicklung, Produktion und Service. Einer dieser „Hidden Champions“ sei etwa der oberösterreichische Landmaschinenhersteller Pöttinger.

„Es sind nicht immer die großen Revolutionen, die einen weiterbringen“, merkte Hofstädter an. Wie weltweite, teure Rückholaktionen in der Automobilbranche zeigen, etwa um eine Charge von 100 defekten Bolzen in Zündschlüssern zu finden, sei durchgängiges Qualitätsmanagement auch künftig unerlässlich: „Wer das beherrscht, kann Kosten in Milliardenhöhe sparen.“

Fragil vs. agil
Mit einem durch feine Ironie gespickten Vortrag von Markus Reimer, vielen Besuchern bereits aus dem Vorjahr bekannt, bog die Veranstaltung in die Zielgerade ein. Der Netzwerkpartner, Auditor und Trainer der Quality Austria nahm zunächst den vermeintlichen Widerspruch der Begriffe Agilität und Qualitätsmanagement aufs Korn – nur scheinbar wären diese zwei getrennte Welten, so Reimer: „Viele Organisationen machen etwas so, wie es immer war. Warum sollte man auch irgendetwas ändern?“ Die Antwort liege auf der Hand: „Weil sich im Umfeld der Unternehmen wahnsinnig viel verändert.“ Viele globale Entwicklungen sind zudem kaum absehbar. So wächst die Bevölkerung in den Industriestaaten stetig an, wird immer älter und lebt großteils in Städten. Welche Folgen hat das für uns? Der Energiebedarf steigt laut Prognosen bis 2030 um 25 %; viele Rohstoffe, aber auch Wasser, werden knapp. Für produzierende Unternehmen stellt sich die Frage: Welche Ressourcen brauchen wir und wie können wir sie langfristig sichern?

Der schmale Grat zwischen Fragilität und Agilität kann in der sogenannten VUKA-Welt, die sich volatil, unsicher, komplex und ambivalent präsentiert, tatsächlich zur Herausforderung werden. Spielregeln, wie sie das Qualitätsmanagement vorgibt, treten offenbar außer Kraft. Die Prinzipien Commitment, Feedback, Offenheit, Respekt, Mut und Einfachheit würden jedoch auch agilen Organisationen weiterhin Halt geben, schloss Reimer den Kreis: „Diese Werte lassen sich über bewährte Qualitätsmanagementsysteme sehr gut verwirklichen.“





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