Ein Kommentar zur Dekarbonisierung der Industrie von Wolfgang Hribernik, Head of Center for Energy, AIT.
Auf dem Weg in eine klimaneutrale Gesellschaft kommt der Forschung und Entwicklung eine bedeutende Rolle zu. Innovationen in diesem Bereich sind notwendig, um die erforderlichen Emissionsreduktionen zu erreichen und bilden die Basis für die Erschließung neuer Märkte für klimarelevante Technologien und Systemlösungen am Weltmarkt.
In Österreich kommt dem Industriesektor eine besonders wichtige Rolle auf dem Transformationspfad in Richtung Klimaneutralität zu. So waren im Jahr 2017 48 % der österreichischen Treibhausgasemissionen »industrierelevant«. Das heißt, die Emissionen waren entweder prozessbedingt wie beispielweise bei der Erzeugung von Stahl oder Zement oder sie sind im Zusammenhang mit der Umwandlung von Energie entstanden.
Im österreichischen Energiesystem spielt die Industrie ebenso eine wichtige Rolle, denn rund ein Drittel des heimischen Endenergieverbrauchs ist diesem Sektor zuzuordnen.
Das AIT Center for Energy erforscht und entwickelt neuartige Technologien und Systemleistungen, um industrielle Prozesse und Anlagen nachhaltiger und deren Energieversorgung effizienter und klimafreundlicher zu gestalten. Beispiele hierfür sind digitale Technologien, die es ermöglichen, Prozesse zu optimieren, die Umstellung auf erneuerbare oder CO2-freie Energieträger, der Einsatz von Industriewärmepumpen sowie die Nutzung von Energiespeichern und aktivem Lastmanagement. Der Einsatz von industriellen Hochtemperatur-Wärmepumpen bei Trocknungsprozessen lässt das enorme Potenzial derartiger Technologien erkennen. Im Vergleich zu konventionellen Gaskesseln können Wärmepumpen die Energieeffizienz um bis zu 80 % steigern, CO2-Emissionen um bis zu 75 % reduzieren.
Industrielle Energiesysteme sind hochkomplex. Eine Transformation in Richtung Klimaneutralität erfordert neben neuen Einzeltechnologien auch technische und ökonomische Lösungen zum systematischen Roll-out, vor dem Hintergrund bestehender Reinvestitionszyklen, neue regulatorische Rahmenbedingungen sowie neue Geschäftsmodelle, die über die bestehenden betrieblichen Aktivitäten der Unternehmen hinausgehen. All diese Aspekte sind Inhalt der österreichischen Vorzeigeregion Energie zum Thema »New Energy for Industry« (NEFI). Hier arbeitet ein einzigartiger Innovationsverbund aus zahlreichen Unternehmen, Forschungspartnern und öffentlichen Institutionen aus ganz Österreich bis 2025 in Form von Demonstrationsprojekten und begleitenden Forschungsaktivitäten an Lösungen zur 100 % Dekarbonisierung der österreichischen Industrie. Die entwickelten Innovationen sollen wesentlich zur Standortsicherung der Industrie in Österreich beitragen und die Basis für klimafreundliche Technologien »made in Austria« legen.
Neben den Maßnahmen auf Unternehmensebene steht auch das übergeordnete Energiesystem mit den dazugehörigen Infrastrukturen, Märkten und Regeln vor der Herausforderung, eine vollständig klimaneutrale Energieversorgung zu ermöglichen. Was die Anforderungen aus dem Industriesektor betrifft, wurde in der AIT-Studie »IndustRiES« errechnet, welche Potenziale vorliegen und welche Maßnahmen für eine 100 % erneuerbare industrielle Energieversorgung in Österreich notwendig sind. Neben einem konsequenten und unverzögerten Ausbau erneuerbarer Energieträger braucht es aber auch eine integrierte, sektorübergreifende Energieinfrastrukturplanung, konsequente Nutzung von Abwärmepotenzialen sowie eine optimierte Bereitstellung und Nutzung energetischer Flexibilitäten, um die gesetzten Ziele zu erreichen.
Hintergrund
New Energy for Industry (NEFI) ist Teil der »Vorzeigeregion Energie« des Klima- und Energiefonds und ein österreichweites Konsortium mit Partnern aus der Wirtschaft, Forschung und öffentlichen Institutionen. www.nefi.at