Wednesday, December 17, 2025

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China sichert seine Transportwege über See, Schienen und Straßen. Für schnellere Logistik werden geopolitische Spannungen und ökologische Bedenken in Kauf genommen. Denn wer die Lieferkette kontrolliert, gewinnt im globalen Handel.

Bild: iStock


Am 20. September 2025 legte die Istanbul Bridge, ein Containerschiff der chinesischen Reederei Haijie Shipping Company, in Qingdao ab. Die neue Con­tainer-Expressroute über die Arktis umgeht das Nadelöhr Suezkanal und die politisch heikle Taiwanstraße, führt nördlich an Russland vorbei und spart damit erheblich an Transportzeit ein. Der China-Europe Arctic Express verbindet die chinesischen Häfen Qingdao, Shanghai und Ningbo-Zhoushan mit den europäischen Häfen Felixstowe, Rotterdam, Hamburg und Gdansk. Statt 28 Tage über den Suez­kanal dauert die Fahrt von Ningbo nach Felixstowe in England nur 18 Tage. Diese Zeitersparnis ermöglicht chinesischen – und theoretisch auch europäischen – Unternehmen, »globale Handelsunsicherheiten zu bewältigen«, wie der Hafen Ningbo-Zhoushan in der Staatszeitung »Global Times« verlautbarte. Vor allem ergibt sich dadurch ein erheblicher Wettbewerbsvorteil: Kritische Güter wie Batterien, Chips und Pharmaprodukte sowie auch E-Commerce-Warenpakete können somit zeitnah zugestellt werden.

Die Nördliche Seeroute – auch »Polar Silk Road« genannt – bleibt wegen der dicken Eisdecke jedoch stark saisonabhängig. Der Korridor ist meist nur während weniger Monate im Frühjahr und Sommer befahrbar und erfordert speziell ausgerüstete Schiffe. Mit dem Klimawandel könnte sich dieses Problem jedoch von selbst lösen. Wie weit die Erderwärmung bereits fortgeschritten ist, lässt sich nicht zuletzt an der geplanten Einrichtung von Linienfähren ablesen.

Frachtrouten diversifizieren
Die Erschließung der arktischen See für Transporte hat jedoch auch einen strategischen Hintergrund. Als Polen die Grenze zu Belarus schloss, zeigte sich die Verwundbarkeit von Chinas Exportwegen. Die Volksrepublik reagierte umgehend und diversifizierte nicht nur ihre Frachtrouten nach Europa, um die Abhängigkeit von einzelnen Routen zu verringern. Chinesische Unternehmen evaluieren zunehmend eine »China Plus X«-Strategie und ziehen alternative Produktionsstandorte in Betracht.

China sichert seine Exportwege jedoch nicht nur übers Meer ab. Um ein breiteres Netz von Optionen wappnet sich die Regierung in Peking auch bei Luftfracht und Schienenverbindungen gegen mögliche Störungen, die außerhalb ihres Einflussbereiches liegen. Der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur wird massiv vorangetrieben: Allein in den ersten fünf Monaten 2025 flossen umgerechnet rund 168 Milliarden US-Dollar in neue Projekte – davon 120 Milliarden US-Dollar in Straßen und 12 Milliarden US-Dollar in Wasserwege. Der Großteil des chinesischen Außenhandels läuft über 34 internationale Häfen, pro Woche legen ca. 15 Containerschiffe Richtung Europa ab.

Auch in den innerchinesischen Schienenverkehr wird investiert. Denn trotz hoher staatlicher Subventionen bremst sich das inhomogene Verkehrssystem Chinas derzeit noch manchmal selbst aus. Die Europäische Handelskammer in China (EUCCC) sieht große strukturelle Hürden im chinesischen Logistiksektor. So sei die Infrastruktur im Osten des riesigen Landes deutlich besser ausgebaut als im Westen, wo moderne Lagerflächen, effiziente Transportnetze und digitale Systeme fehlen.

Für Bahnverbindungen ins Ausland modernisierte die chinesische Eisenbahnbehörde sechs große Knotenpunkte, um genügend Kapazitäten für den Güterzugverkehr nach Europa zu schaffen. Am Umschlagplatz Qingdao etablierte China Railway ein digitales Lagerverwaltungssystem, das die Verladung der Güter um bis zu drei Tage beschleunigt. Über ein digitales Grenzübergangssystem können die Zollformalitäten bereits im Voraus erledigt werden, wodurch die Abfertigung weniger als 30 Minuten dauert.

Mit dem Infrastrukturprojekt »Neue Seidenstraße« (Belt & Road Initiative – BRI) forciert China einen Handelskorridor, der alle Dimensionen sprengt. Denn neben Seewegen und Straßen spielt der Schienengüterverkehr eine Schlüsselrolle. Während über die historische Seidenstraße feinste Stoffe, Porzellan und Gewürze nach Europa gelangten, liefert ein Con­tainerzug von Chongqing nach Duisburg in zwölf bis 16 Tagen vorwiegend Elek­trogeräte und Kleidung. Die Bahn schließt die Lücke zwischen Preis und Geschwindigkeit – also der teuren Luftfracht und den langsamen Seetransporten. Die Route verläuft jedoch großteils durch Zentralasien (Kasachstan) und Russland; aufgrund der geopolitischen Machtkämpfe gewinnt deshalb auch der mittlere Korridor (Transkaspische Internationale Transportroute), der Russland umgeht, an Bedeutung.

Wenn das Eis schmilzt
Gleichzeitig treibt Hongkong die maritime Energiewende voran und will bis 2030 die Bunkerung von Methanol und LNG massiv ausbauen. Das LNG-Terminal auf Soko Island diene als Modell für die Integration grüner Energieträger in bestehende Hafenprozesse, weist die Standortberatung Germany Trade & Invest auf mögliche neue Geschäftsfelder für Anbieter von Logistiklösungen hin.Hinter dem Forcieren alternativer Kraftstoffe stecken freilich keine klimafreundlichen Überlegungen, sondern rein wirtschaftliches Kalkül. Bei der Befahrung der Arktisroute zeigt China nämlich keinerlei Bedenken, dass das ökologische Gefüge der sensiblen Region aus dem Gleichgewicht geraten könnte. Anhand von Klimamodellen berechneten Forscher*innen, dass mit fortschreitender Erderwärmung das schmelzende Eis ab 2035 für mindestens einen Monat pro Jahr eine Befahrung der nördlichen Arktisroute öffnen könnte.

Der arktische Schiffsverkehr weckt bereits Interesse bei anderen Nationen. Südkorea plant für 2026 Pilotfahrten. Auch die USA wollen die Northern Sea Route nutzen, um LNG aus Alaska nach Asien zu liefern. Von diesen Handelsströmen ist Russland weitgehend ausgeschlossen und profitiert auch in keiner Weise davon. Die Nordostpassage könnte somit zum geopolitischen Machthebel werden. Bleibt die Frage, wie lange Putin dem wachsenden Verkehrsaufkommen in russischen Gewässern zusehen wird.

 

 

Hintergrund: Wachstumsmarkt China

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Bild: Gebrüder Weiss etabliert sich in China als Full-Service-Logistik­unternehmen.

Während Ökonomen die jüngsten Wirtschaftsdaten Chinas als Zeichen einer konjunkturellen Abkühlung deuten, blickt das Logistikunternehmen Gebrüder Weiss optimistisch in die Zukunft: Die chinesische Landesorganisation blieb auch 2025 ein Garant für Umsatzwachstum. Durch den Ausbau der Lagerlogistik inklusive Speziallösungen im Bereich E-Fulfillment bzw. E-Commerce gewann das Unternehmen neue Kunden und präsentiert sich am Markt erfolgreich als Full-Service-Logistiker. Zu den wichtigsten Branchen zählen die Automobil-, Maschinenbau- und Elektronikindustrie.

Das Geschäftsjahr 2024 schloss Gebrüder Weiss in Greater China mit einem Umsatz von rund 330 Millionen Euro ab, das entspricht einem Zuwachs von 24 % gegenüber dem Vorjahr. Besonders stark entwickelt sich der grenzüberschreitende E-Commerce: 2024 versandte Gebrüder Weiss Express China 25 Millionen Pakete für große Online-Shops nach Europa, das Vereinigte Königreich, Kanada, Australien und Neuseeland.

Gebrüder Weiss eröffnete 1992 das erste Büro in Shanghai und betreibt heute in Greater China 19 Standorte in allen wichtigen Hafenstädten und Wirtschaftsmetropolen. »Wir sind in der Luft- und Seefracht stark, genauso aber auch bei multimodalen Transportlösungen, Bahnverkehren und in der Lagerlogistik, wo wir individuelle Lösungen schnell und präzise umsetzen«, sagt Yongquan Chen, General Manager von Gebrüder Weiss China. In den kommenden Jahren möchte das Unternehmen weiter in die Bereiche Elektromobilität und Automatisierung investieren, um neue Wachstumsimpulse zu setzen.

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