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»Sanktionen sind eine politische Entscheidung«

»Sanktionen sind eine politische Entscheidung«

Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer sieht Österreich als Brückenbauer in schwierigen Zeiten. Er ist zuversichtlich, dass sich die Wirtschaftsbeziehungen zu den USA und Russland wieder entspannen werden.

(+) plus: Österreichs Exportwirtschaft verzeichnete im Vorjahr ein Rekordergebnis. Bereitet Ihnen das dennoch deutlich gestiegene Außenhandelsdefizit Sorgen?

Harald Mahrer: Keineswegs. Bei einem Außenhandelsdefizit muss man sich auch die Ursachen dafür anschauen. Würde es an gesunkenen Exporten liegen, dann wäre ich beunruhigt. Es sind aber gleichzeitig die Exporte deutlich gestiegen. Das Außenhandelsdefizit geht daher in erster Linie auf gestiegene Importe zurück, und florierende Importe sind immer auch ein Zeichen von starkem Konsum und guter Konjunktur.

(+) plus: Zweitwichtigstes Exportland sind die USA. Sind Auswirkungen des Handelsstreits bereits für österreichische Unternehmen spürbar?

Mahrer: Jedes Handelshemmnis ist eine Belastung für exportorientierte Unternehmen, gerade in einem exportorientierten Land wie Österreich, das sechs von zehn Euro mit dem Ausland erwirtschaftet. Ich bin allerdings zuversichtlich, dass es nach dem Treffen von Kommissionspräsident ­Jean-Claude Juncker mit US-Präsident Donald Trump im Juli wieder eine Entspannung in den transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen gibt. Wichtig ist auch, dass die angedrohten Strafzölle auf Autoimporte in die USA wieder vom Tisch sind.

(+) plus: Auch Russland ist ein wichtiger Handelspartner Österreichs. Ihr Vorgänger Christoph Leitl bezeichnete die EU-Sanktionen als »unsinnig«. Wie stehen Sie dazu?

Mahrer: Sanktionen sind eine politische Entscheidung. Die Wirtschaft funktioniert nach einem anderen Maßstab. Die österreichische und die russische Wirtschaft verbindet eine langjährige Beziehung, die von einem vertrauens- und respektvollen Umgang geprägt ist. Wir haben als österreichische Wirtschaft die Funktion eines Brückenbauers zwischen Russland und Europa – das gilt auch und gerade in schwierigen Zeiten.

(+) plus: Die Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien verzögern sich zusehends. Halten Sie einen geordneten Brexit noch für möglich?

Mahrer: Klar ist, dass alle Beteiligten – die EU und auch das Vereinigte Königreich – allergrößtes Interesse an einem geordneten Brexit haben müssen. Für Unternehmen, die in Großbritannien tätig sind, ist es jedenfalls notwendig, Vorbereitungen zu treffen – wie auch immer der Brexit in der Praxis dann aussehen wird. Als Wirtschaftskammer bieten wir den Betrieben zielgerichtete Infos und Services an.

(+) plus: Sehen Sie in Österreichs EU-Ratspräsidentschaft eine Gelegenheit, die europäische Wirtschaftspolitik mitzugestalten?

Mahrer: Natürlich bietet die Ratspräsidentschaft die Chance, Europa aktiv mitzugestalten und vor allem zukunftsfit zu machen. Neben den großen Themen wie Migration und dem Verhandlungsfinale zum Brexit stehen während unserer Präsidentschaft ja auch wichtige Wirtschaftsthemen auf der Agenda – vom digitalen Binnenmarkt bis hin zur Vertiefung der Euro-Zone. Dass Fortschritte in der europäischen Zusammenarbeit für unser Land essentiell sind, zeigt allein ein Blick auf die Zahlen: Mehr als 70 Prozent der österreichischen Exporte gehen in die EU. Europa ist also der mit Abstand wichtigste Exportmarkt für uns.

(+) plus: Als Wirtschaftsminister hatten Sie sich für das Thema Digitalisierung stark gemacht. Wie fit ist die digitale Infrastruktur der heimischen Betriebe? Woran fehlt es noch?

Mahrer: Österreichs Unternehmen sind auf gutem Weg. In manchen Branchen müssen wir öfter Neues ausprobieren und uns auf die Digitalisierung einlassen. Mut zum Risiko – eine klassische Unternehmereigenschaft – ist gerade in Zeiten der Veränderung wichtig. Denn nur wenn wir die Chancen der Digitalisierung nützen, werden wir im globalen Rennen um die Innovationsführerschaft ganz vorne dabei sein.n

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