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Mehr Nachhaltigkeit im öffentlichen Beschaffungswesen durchsetzen

Foto: »Wer bei der Planung eines Projektes spart, bezahlt dies mit höheren Lebenszykluskosten. Oder schlicht damit, dass das ausgeführte Projekt nicht das leistet, was man sich erhofft hat – und nach verhältnismäßig kurzer Zeit umgebaut oder gar abgerissen werden muss.« Foto: »Wer bei der Planung eines Projektes spart, bezahlt dies mit höheren Lebenszykluskosten. Oder schlicht damit, dass das ausgeführte Projekt nicht das leistet, was man sich erhofft hat – und nach verhältnismäßig kurzer Zeit umgebaut oder gar abgerissen werden muss.«

Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Besondere Bedeutung sollte diesem Ziel im Bereich der staatlichen Verwaltung zukommen. Denn deren Aufgabe ist ja die langfristige Sicherung des Gemeinwohls und nicht der kurzfristige wirtschaftliche Erfolg. Im öffentlichen Beschaffungswesen spielt der Nachhaltigkeitsgedanke aber leider kaum eine Rolle.

Ein Kommentar von Dr. Felix Ehrnhöfer, Generalsekretär der Bundeskammer der ZiviltechnikerInnen

Nach einer aktuellen WIFO-Studie beläuft sich das öffentliche Ausschreibungsvolumen in Österreich auf zirka 11 % des BIP oder mehr als 35 Mrd. Euro: ein gewaltiges Volumen, das nachhaltig eingesetzt werden kann – oder auch nicht.

Die EU-Vergaberichtlinien 2014 haben das Ziel verfolgt, den Nachhaltigkeitsgedanken zu stärken. So wird etwa bei den Grundsätzen der Auftragsvergabe ausdrücklich auf den Umweltschutz Bezug genommen. Die Richtlinien enthalten weiters Vorgaben, welche Anforderungen öffentliche Auftraggeber bei der Nutzung eines Lebenszykluskostenansatzes zu beachten haben.

Behübschte Billigstbietervergaben

All diese Bestrebungen sind zu begrüßen. Kommen Sie auch in der Praxis an? Leider nein: Nach der bereits zitierten WIFO-Studie wird zwar die Mehrzahl öffentlicher Vergaben in Österreich formell mittels Bestbieterprinzip durchgeführt:  Von rund 18.600 Ausschreibungen seit 2009 wurden 54 % mittels Bestbieterprinzip vergeben. Österreich liegt damit von den zehn untersuchten EU-Staaten an drittletzter Stelle.

Der Befund wird noch verheerender, wenn man die österreichischen Bestbietervergaben im Detail analysiert: »Bestbieterverfahren« sind in Österreich oft lediglich behübschte Billigstbietervergaben:  In 19,3 % der österreichischen »Bestbietervergaben« haben »Nicht-Preis-Kriterien« ein Gewicht von unter 5 %!  In dieser Kategorie der bloßen Feigenblattkriterien ist Österreich absoluter Spitzenreiter: Auf den Plätzen folgen Slowenien mit 6,4 % und Polen mit 5,9 %. Bei allen anderen untersuchten EU-Staaten machen solche Feigenblatt-Bestbieterverfahren 1 % oder noch weniger aller Bestbieterverfahren aus. Ein erschütternder Befund, den die Kammer der Ziviltechniker aus ihrer praktischen Erfahrung leider bestätigen muss.

Qualitätskriterien höher gewichten

Sehen Politik und Verwaltung im Interesse eines nachhaltigen Beschaffungswesens Anlass gegenzusteuern? Leider nein: Der mit einjähriger Verspätung vorgelegte Entwurf eines neuen Bundesvergabegesetzes wollte sogar das erst ein Jahr zuvor zwingend verankerte Bestbieterprinzip für sämtliche geistigen Dienstleistungen wieder zurück nehmen. Ein Proteststurm der Ziviltechnikerkammer, aber auch der Wirtschaftskammer  war die Folge. Immerhin sind in letzter Minute die geistigen Leistungen wieder in den Bestbieterkatalog der Regierungsvorlage aufgenommen worden.

Damit wurde ein weiterer Rückschritt gerade noch abgewendet. Das ist nicht viel, wenn man europaweites Schlusslicht ist. Gerade bei Planerleistungen kommt doch Bestbietervergaben besondere Bedeutung zu: Wer bei der Planung eines Projektes spart, bezahlt dies mit höheren Lebenszykluskosten. Oder schlicht damit, dass das ausgeführte Projekt nicht das leistet, was man sich erhofft hat –  und nach verhältnismäßig kurzer Zeit umgebaut oder gar abgerissen werden muss.

Für die Nachhaltigkeit des öffentlichen Beschaffungswesens ist der rechtliche Rahmen wichtig. Ein immer komplexeres Vergabegesetz ist aber sicher kein Allheilmittel. Immerhin ist das Gesetz inzwischen auf 383 Paragraphen und 21 Anhänge angewachsen. Auch darauf weist das WIFO in der zitierten Studie hin: Einer höheren Gewichtung von preisfremden Zuschlagskriterien stünde jetzt schon juristisch wenig im Wege. Es geht auch um Bewusstseinsbildung und ausreichende Ressourcen bei den ausschreibenden Stellen.

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