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Urban Mining: Zukunft oder schon Realität des Bauens?

Foto: »Bei Verwendung von Recycling-Baustoffen ist nicht nur die technische Eignung zu prüfen, es ist auch darauf zu achten, dass eine vollständige Dokumentation vorliegt und die Verwendung darüber hinaus rechtlich zulässig ist.« Foto: »Bei Verwendung von Recycling-Baustoffen ist nicht nur die technische Eignung zu prüfen, es ist auch darauf zu achten, dass eine vollständige Dokumentation vorliegt und die Verwendung darüber hinaus rechtlich zulässig ist.«

»Urban Mining«, hinter diesem Begriff verbirgt sich, vereinfacht ausgedrückt, die Rückgewinnung von Rohstoffen aus bestehenden Gebäuden und baulicher Infrastruktur. Die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür sind prinzipiell geschaffen, es gibt aber Unwägbarkeiten und Unsicherheiten, die nicht zu unterschätzen sind.

Urban Mining klingt auch heute noch ein bisschen wie Zukunftsmusik. Ob Städte tatsächlich irgendwann einmal als »Bergwerke« genutzt werden, ist eine Frage, die in erster Linie die Forschung – Stichwort technische Möglichkeit – und die Ökonomie – Stichwort wirtschaftliche Sinnhaftigkeit – beantworten werden. Erhebliches Potenzial dürfte vorhanden sein: Glaubt man etwa einer Untersuchung der TU Wien und der Universität für Bodenkultur (BOKU), dann befinden sich allein in Österreich rund 43,5 Mio. Tonnen Eisen »im Umlauf«, was einer Menge von ca. 5,2 Tonnen pro Kopf entspricht. Mehr als die Hälfte davon (51,8 %) ist in Bauwerken gebunden.¹

Zumindest in Ansätzen ist Urban Mining aber längst in der Realität des Bauens angekommen. Die Liste der Hersteller von Recycling-Baustoffen ist lang und die Wiederverwertung von Baustoffen, z.B. im Straßenbau, ist fast schon gang und gäbe. Die Politik hat mit der Umweltgesetzgebung der letzten Jahrzehnte einen rechtlichen Rahmen geschaffen, der den Zielen des Urban Mining Rechnung trägt. Seit 01.01.2016 ist die Recycling-Baustoff Verordnung (RBVO) in Kraft, deren erklärtes Ziel die Förderung der Kreislaufwirtschaft und Materialeffizienz ist, wofür die RBVO konkrete Vorgaben, nicht zuletzt aber Verpflichtungen aufstellt. Diese treffen in erster Linie Bauherren, Bauausführende und Hersteller von Recycling-Baustoffen.

Aber auch Planer und Ziviltechniker sind vor neue Herausforderungen gestellt. Denn ab einer Abbruchmenge von mehr als 750 Tonnen ist verpflichtend eine Schad- und Störstofferkundung durch eine rückbaukundige Person bzw. ein geordneter Rückbau nach ÖNORM B 3151 durchzuführen; übersteigt der Brutto-Rauminhalt 3.500 m3, ist für die Schad- und Störstofferkundung zwingend eine externe befugte Fachperson oder Fachanstalt beizuziehen (§ 4 RBVO; Linienbauwerke und Verkehrsflächen sind jeweils ausgenommen).

Unsicherheitsfaktor ALSAG

Auf die Verpflichtungen nach der RBVO ist also schon in der Planungs- und Ausschreibungsphase Rücksicht zu nehmen. Bei Verwendung von Recycling-Baustoffen ist nicht nur die technische Eignung zu prüfen, es ist auch darauf zu achten, dass eine vollständige Dokumentation vorliegt und die Verwendung darüber hinaus rechtlich zulässig ist. Verstöße können von der Umweltbehörde mit Behandlungsaufträgen und mit Verwaltungsstrafen geahndet werden, was unweigerlich zu ungewollten Mehrkosten und Regressforderungen führt. Ein »Unsicherheitsfaktor« ist und bleibt dabei das ALSAG. Mit der RBVO wurde klargestellt, dass bei Recycling-Baustoffen der Qualitätsklasse U-A bereits mit der Übergabe an einen Dritten das vorläufige Abfallende erreicht wird (§ 14 Abs 1) und somit auch keine Beitragspflicht nach dem ALSAG besteht. Ansonsten muss in jedem Einzelfall geprüft werden, ob die geplante Verwendung unter einen Ausnahmetatbestand des ALSAG fällt oder nicht. Eine Beitragspflicht könnte mitunter sehr teuer werden.

Fazit

Mit der geltenden Rechtslage gibt es bereits jetzt einen rechtlichen Rahmen für das Urban Mining, der von den Baubeteiligten verpflichtend einzuhalten ist. Insgesamt zeigen sich die Vorschriften aber als komplex und zum Teil wenig praktikabel, was die Baubeteiligten vor zahlreiche Herausforderungen stellt.n

1) R. Warrings, J. Fellner, T. Pröll, »Iron and steel stock in Austria – Bottom up analysis«; Poster: International Workshop »Mining the Technosphere – Drivers and Barriers, Challenges and Opportunities«, Wien; 01.10.2015–02.10.2015, https://publik.tuwien.ac.at/files/PubDat_241011.pdf (18.5.2017).


Der Autor:

Mag. Heinrich Lackner ist Junior Partner bei Müller Partner Rechtsanwälte in Wien. Lackner ist im Bereich des Baurechts tätig, ein besonderer Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt in der rechtlichen Beratung und Vertretung von Architekten und Ziviltechnikern.

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