Dienstag, Mai 14, 2024

Ein Unternehmer übersiedelt in eine Forschungsstation und erprobt den kombinierten Einsatz von elektrischen und thermischen Speichern für ein energieautarkes Einfamilienhaus.

In der kleinen Gemeinde Trausdorf an der Wulka im Bezirk Eisenstadt-Umgebung passiert derzeit – energietechnisch betrachtet – Großes. Ein Konsortium aus dem Fertighaushersteller ELK, Energie Environment Solutions (EES) aus St. Pölten, dem Unternehmer Martin Wieger und weiteren Technologiepartnern erprobt Haustechnik und Speichertechnologien im Wohnbau mit einem einzigen Ziel: Energieautarkie.
In dem Projekt »Absolut Autark Plushaus« werden elektrische und thermische Speicher – zusammengefasst unter dem Begriff »multiples Speichersystem« – zum Management der Energieversorgung eines Einfamilienhauses integriert.

Die Energieversorgung erfolgt ausschließlich über Photovoltaikmodule – zunächst mit 7 kWp Leistung, später im Endausbau mit bis zu 30 kWp unter Hinzunahme der Dachfläche eines Nebengebäudes. Mit dieser Menge wird der Standort über das gesamte Jahr einen Energieüberschuss produzieren. Auf Solarthermie verzichtet man aus Forschungszwecken bewusst. Die überschüssige elektrische Energie wird mithilfe von Batterien kurzzeitig gespeichert. Die langzeitige Speicherung erfolgt über thermische Speichersysteme.

Testlabor Einfamilienhaus

Wieger ist als Mitbegründer des Solarkraftspezialisten IBC Solar Austria und des Batterietestlabors Energy 3000 in Sachen elektrische und erneuerbare Energien markterfahren. »Unsere Botschaft ist klar: Wir wollen die Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen und von den Landesenergieversorgungsunternehmen erreichen«, sagt der Experte. Der Geschäftsführer der auf Photovoltaik- und Energiespeicherlösungen spezialisierten IEWM GmbH probiert nun unterschiedliche Technologien für Wärmespeicher quasi am eigenen Leib aus. Wieger ist Mitte September mit seiner Familie in den einstöckigen Neubau eingezogen  und testet jetzt auf 190 m² Wohnfläche das Zusammenspiel von Energieerzeugung, -speicherung und -verbrauch praxisnah im Alltag seines Haushaltes. »Es gibt bereits Testumgebungen für thermische Speicher in ganz Europa. Diese liegen aber geografisch viel zu verstreut, um sie direkt vergleichen zu können.«In Trausdorf ist dies nun in einem Passivhaus mit Fußbodenheizung möglich.

Regelmäßig führt der Pionier Besucher durch den Technikraum im Keller, in dem weitaus mehr Technologie verbaut ist, als Otto Normalverbraucher zuzumuten wäre. »Für uns ist das selbst eine große Investition, gleichzeitig aber eine Spielwiese«, umschreibt Wieger augenzwinkernd sein Living Lab. Als elektrische Speicher werden Lithium-Ionen-Batterien mit einer Kapazität von insgesamt 10 kWh und herkömmliche Bleibatterien für 100 kWh Energie eingesetzt – Letztere kosten weniger, haben aber eine geringere Lebensdauer. Als thermische Speicher kommen zum Einsatz: ein Gebäudespeicher, der die Raumtemperatur bei geringsten Verlusten rund 24 Stunden halten kann, ein Asphaltspeicher im Bereich der Einfahrt, ein Erdspeicher und ein Betonkernspeicher, der beidseitig gedämmt ist.

Weiters sind ein Eisspeicher, der mit Temperaturwechsel rund um den Gefrierpunkt arbeitet, im Einsatz, ein hydraulischer Pufferspeicher sowohl für Warm-, als für Kaltwasser, ein Zeolith-Speicher (praktisch: die Silikatkugeln sind auch transportfähig) und ein Phasenwechsel-Speicher auf Paraffinbasis – ein sogenannter »Phase Change Material (PCM)«-Speicher. Schließlich wird auch der geplante Swimmingpool Teil der Speicherlandschaft sein, die in den kommenden Monaten und Jahren auf Herz und Nieren getestet wird.

Technikschlacht im Keller

Alle Speichersysteme sind mit weitaus mehr Sensoren ausgestattet, als es ein Normalbetrieb erfordern würde. Die Daten laufen über eine Cat.6-Verkabelung in einer Messtechnik- und Regelungszentrale zusammen, unterstützt von Serversoftware und Apps, die im Eigenbau erstellt worden sind. Projektleiter Wieger weiß: Nicht einzelne Lösungen oder Prozesse werden für den Erfolg des Projekts ausschlaggebend sein – es ist das kluge Gebäudemanagement im Gesamten.

Die weiteren Partner des Projekts sind Siemens, Fronius, Samsung, Tesla, Nur Elektrotechnik, aStifterbau, die HTBL Krems und das Installationsunternehmen Ing. Johannes Schandl. Alle, die an diesem Projekt arbeiten, seien in einer »positiven Stimmung«, bestätigt Wieger bei einem Lokalaugenschein. »Man hat das Gefühl, einen Beitrag für unsere Zukunft zu leisten.« Und auch allen sei klar, dass für eine Marktreife »solch ein System wie die Heinzelmännchen selbstständig im Hintergrund laufen« muss. Die Benutzer im breiten Markt sollen von der Technik nichts merken.

Erste konkrete Ergebnisse zum Zusammenspiel und der Effizienz der Speicher in Trausdorf wird es nach der ersten Heizsaison geben. Fortsetzung folgt!

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