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Überstunden im Homeoffice

Dürfen am mobilen Arbeitsplatz Überstunden anfallen, oder unterbindet der Arbeitgeber das komplett? Bzw. ist es nur mit Hindernissen möglich, wie beispielsweise Genehmigungen, die vielleicht sogar vorab eingeholt werden müssen. Fast 2.000 Arbeitnehmer:innen haben an unserer Österreich-Studie zu mobilem Arbeiten "nach" der Pandemie mitgewirkt. Im Zug der Studie haben wir zwölf Freiheitsgrade untersucht, die durch Arbeitgeber am mobilen Arbeitsplatz eingeräumt werden.

Warum das Thema wichtig ist
In bestimmten Phasen des Geschäftsjahres lassen sich Überstunden oft schwer vermeiden. Dass dann Überstunden anfallen, sind wir im klassischen Bürobetrieb gewohnt. Anders schaut es beim mobilen Arbeiten aus. Die Möglichkeit Überstunden "machen" zu können, ist hier keine Selbstverständlichkeit. Überstunden werden in Kombination mit mobilem Arbeiten auf der Seite der Führungskräfte oft kritisch gesehen. Misstrauen und Angst vor Kontrollverlust, bzw. die Angst nicht kontrollieren zu können, ob eine Überstunde berechtigt ist, können Erklärungsansätze dafür bieten, warum Überstunden am mobilen Arbeitsplatz anders gesehen werden, als beim Arbeiten im Büro.

Allerdings zeigte unsere erste, qualitative Forschungsphase bereits, dass die Möglichkeit, auch am mobilen Arbeitsplatz länger als die reguläre Arbeitszeit arbeiten zu können, für Arbeitnehmer:innen eine relevante Handlungsoption darstellt. Was wir hierbei nicht untersucht haben, ist die Gefahr der Steigerung der ohnehin bereits bestehenden Grenzenlosigkeit am mobilen Arbeitsplatz durch Überstunden. Insofern handelt es sich bei Überstunden am mobilen Arbeitsplatz potentiell um ein zweischneidiges Schwert.

Um das Thema besser zu verstehen, haben wir die Teilnehmer:innen der Studie gebeten auf einer fünfstufigen Skala (Nie, Kaum, Gelegentlich, Häufig, Immer) anzugeben, in welcher Form die nachfolgende Aussage auf sie zutrifft: "Mein Arbeitgeber ermöglicht mir, am mobilen Arbeitsplatz Überstunden zu machen, wenn es aus meiner Sicht zielführend ist."

Ergebnis
Laut unserer Befragung verfügen 55% der Arbeitnehmer:innen in Österreich über die Möglichkeit, ohne größere Umstände am mobilen Arbeitsplatz "offiziell" länger zu arbeiten, wenn es erforderlich ist. Für 45% besteht hingegen die Möglichkeit nicht oder nur unter schwierigen Umständen.

Mögliche Ursachen, Hintergründe und Ansatzpunkte für Veränderung

Welche Ursachen und Hintergründe führen dazu, dass Überstunden am mobilen Arbeitsplatz unterbunden werden:

- Die Mobile Working Policy untersagt Überstunden am Arbeitsplatz.

- Alternativ: Die Policy untersagt Überstunden zwar nicht und bindet sie aber an einen Genehmigungsprozess. Damit wird eine Hemmschwelle aufgebaut. Umso mehr, wenn im Unternehmen zugleich signalisiert wird, dass Überstunden am mobilen Arbeitsplatz nicht erwünscht sind.

- Andererseits kann es der Fall sein, dass laut Policy Überstunden am Arbeitsplatz erlaubt sind und auch nicht mittels Genehmigungsprozess eine Hemmschwelle aufgebaut wird. Allerdings können unter diesen Umständen immer noch einzelne Führungskräfte natürlich in ihrem Einflussbereich dies anders handhaben und den Anfall von Überstunden faktisch unterbinden.

Zum selben Ergebnis führt der Fall, dass keine Regelung getroffen wurde und Führungskräfte sich so verhalten, wie in der zuvor beschriebenen Situation.

In jedem der Fälle ist der Umstand, dass Überstunden unterbunden werden, durchaus als Hinweis auf Defizite in der Vertrauenskultur eines Unternehmens zu werten – natürlich in verschiedenen Abstufungen. Warum wir diesen Punkt hervorheben: Vertrauenskultur – zumindest ein gewisser Grad an Vertrauenskultur – ist einer der kritischen Erfolgsfaktoren für erfolgreiche Zusammenarbeit und Führung in Remote Working Arbeitsumgebungen.

Jedoch ist Vertrauenskultur nur eine der Voraussetzungen. Am Ende geht es darum, auch klare organisatorische Rahmenbedingungen im Betrieb zu schaffen, die es ermöglichen, Überstunden zu investieren, wenn es nötig ist. Doch nicht immer sind Rahmenbedingungen so klar, wie einige der nachfolgenden Szenarien zeigen. Wie kann also mit dem Thema in einem Betrieb umgegangen werden, sodass Überstunden auch am mobilen Arbeitsplatz möglich sind:

- Die Mobile Working Policy genehmigt Überstunden am Arbeitsplatz explizit, und diese Regelung wird durch die Führungskräfte auch so gelebt.

- Es gibt keine explizite Regelung zu dem Thema, aber die Führungskräfte lassen Überstunden auch am mobilen Arbeitsplatz zu.

- Was eher unwahrscheinlich ist: Überstunden am mobilen Arbeitsplatz sind laut Policy nicht gestattet, aber das Buchen von Überstunden wird von Führungskräften geduldet. Angesichts der gesetzlich geforderten Homeoffice-Dokumentationspflichten würde der hohe Grad an Transparenz schnell zu einem Eingreifen von HR oder der Geschäftsleitung führen.

- Ein No-Go, von dem wir aber vermuten, dass es in der Praxis anzutreffen ist: Das sind verschleierte Überstunden. D.h. Überstunden werden am mobilen Arbeitsplatz geleistet, obwohl die Unternehmenspolicy es untersagt. In Sinne einer Ausweichstrategie werden deshalb angefallene Überstunden an Büroarbeitstagen in der Zeitaufzeichnung dokumentiert, also an anderen Tagen nachgebucht – mit oder auch ohne Zustimmung der Führungskraft. Allerdings fehlt uns Evidenz für diese mögliche Praxis. Es handelt sich um eine reine Annahme.

Wenn Überstunden geleistet werden, dann ist es wichtig, diese anzuerkennen, indem sie in der Zeitaufzeichnung dokumentiert werden. Nur so ist in Folge Kompensation, z.B. über Zeitausgleich, möglich. Deswegen ist die Gleichstellung des mobilen Arbeitsplatzes mit dem Büroarbeitsplatz wichtig.

Kritisch sind in diesem Zusammenhang mit dem Thema "Überstunden" All-in-Verträge zu sehen. Diese sind inzwischen auch weit unter Nicht-Führungskräfte verbreitet. All-in-Verträge bergen die Gefahr, dass gerade in Remote Working Settings der Grad der Grenzenlosigkeit zwischen Beruf und Privatleben weiter steigt. Denn für die meisten All-in-Mitarbeiter:innen entfällt die Verpflichtung zur Arbeitszeitaufzeichnung im Betrieb (ein Betrieb kann diese anordnen: das kommt aber eher selten vor). Gerade die Arbeitszeitaufzeichnung erweist sich aber als wichtiges Instrument zur Selbststeuerung oder zum Selbst-Management in mobil-flexiblen Arbeitsumgebungen. Außerdem besteht für Mitarbeiter:innen mit All-in-Vertrag nicht die Möglichkeit, Stress durch Überstunden mittels Abbau dieser Überstunden – also Erholungszeiten durch Zeitausgleich – zu kompensieren. Gerade, wenn Grenzen durch mobiles Arbeiten verschwimmen, fällt diesem Faktor noch höhere Bedeutung zu als in klassischen Büro-basierten Arbeitsumgebungen.

Über das Forschungsprojekt
Die Studie wurde als gemeinsames Forschungsprojekt der FH des BFI Wien und der IMC FH Krems durchgeführt. Das Forschungsteam: Laura Dörfler (FH des BFI Wien), Michael Bartz (IMC FH Krems), Christopher Schwand (IMC FH Krems), David Strauß (FH des BFI Wien). Finanziert wurde einjährige Forschungsvorhaben vom Digitalisierungsfonds Arbeit 4.0 der Arbeiterkammer Wien.

Bild: iStock

Den Originalartikel vom 3. Mai 2022 und weitere Informationen zur Blog-Reihe anlässlich der Österreich-Studie finden Sie unter https://newworldofwork.wordpress.com/2022/05/03/uberstunden-im-homeoffice/




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