Wednesday, July 23, 2025

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Bau | Immobilien

Mit seiner Entscheidung vom 24. Juni 2025 hat der Verfassungsgerichtshof nun klargestellt, dass § 6 Abs 2 Z 4 KSchG verfassungskonform ist. Auch wenn dieses Urteil aktuell medial enorme Aufmerksamkeit erlangt hat, zeigt sich bei differenzierter Betrachtung, dass der Verfassungsgerichtshof nicht über die Wirksamkeit von Wertsicherungsvereinbarungen »entschieden«, sondern vielmehr für diese Frage auf die Argumentationslinien in Verbands- und Individualverfahren der ordentlichen Zivilgerichte verwiesen hat. Gemeinsam mit Nina Mitterdorfer von DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte hat sich der Bau & Immobilien Report die bisherigen Aussagen aus dieser zivilrechtlichen Judikatur angesehen.


Bild: Nina Mitterdorfer ist Partnerin bei DSC Doralt Seist Csoklich, ihre Spezialgebiete sind Vertrags- und Immobilienrecht (insbesondere auch die Beratung zur Klausel Judikatur bei Betriebskosten und Wertsicherungen) sowie Immobilientransaktionen.


Wiederholt wurden in den vergangenen Jahren Wertsicherungsklauseln aufgrund verschiedener Verstöße gegen das Konsumentenschutzgesetz bzw. das ABGB als unwirksam angesehen. Zusammengefasst bestehen – auch nach dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs – folgende Leitlinien für bereits laufende Wertsicherungs-Verfahren und für die Ausgestaltung von Wertsicherungsklauseln in neuen Verträgen:

1. Bindung an VPI als Wertmesser zulässig
Die Rechtsprechung beurteilt Wertsicherungsklauseln, die eine Wertsicherung nach dem VPI vorsehen, sowohl in Verbands- als auch in Individualverfahren konsistent als sachlich gerechtfertigt und damit zulässig. Die Anknüpfung an den Baukostenindex (Index für Wohnhaus- und Siedlungsbau), also an die Entwicklung der Kosten, die den Bauunternehmern bei der Ausführung von Bauleistungen durch Veränderungen der Kostengrundlagen (Material und Arbeit) entstehen, wurde hingegen für Bestandsverträge als nicht sachlich gerechtfertigt angesehen (OGH 10.9.2024, 10 Ob 23/24s). Dies mit der Begründung, dass der Baukostenindex nur einen Teil der für den Vermieter maßgeblichen Kostenfaktoren abdeckt. Ob der medial in Rede stehende »Wohnpreisindex«, als Mischform von VPI und Baukostenindex, künftig einen gültigen Wertmesser bildet, bleibt abzuwarten.

2. Keine Vordatierung der Index-Ausgangsbasis
Die Ausgangsbasis bezeichnet den Indexwert zu einem bestimmten Zeitpunkt, von dem die Veränderung des Index gemessen wird. Problematisch sind Wertsicherungsvereinbarungen, die als Referenz einen vor Vertragsabschluss liegenden Ausgangswert heranziehen. Nach einer Verbandsklageentscheidung ist dies im Sinne der Inhaltskontrolle des § 879 Abs 3 ABGB gröblich benachteiligend für den Mieter, weil im Zuge der ersten Anpassung auch Veränderungen erfasst werden, die vor Vertragsabschluss stattgefunden haben (OGH 24.05.2023, 8 Ob 37/23h). Maßgeblich ist der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, auch wenn der Mietvertragsbeginn erst Monate nach Vertragsabschluss liegt (OGH 17.12.2024, 10 Ob 54/24z). Für Neuabschlüsse von Bestandsverträgen sind daher Vordatierungen der Ausgangsbasis jedenfalls zu vermeiden.

3. Präzise Formulierung der Ersatzindexklausel
Bestandsverträge enthalten zumeist eine Formulierung für einen Ersatzindex, sofern der dem Vertrag zugrunde liegende Index in der Zukunft nicht mehr veröffentlicht werden sollte. Formulierungen wie »der entsprechende« Nachfolgeindex oder der dem VPI »wirtschaftlich am nächsten kommende Index«, die es dem Vermieter ermöglichen könnten einseitig und ohne klar vertraglich determinierte Kriterien einen Index festzulegen, sind nach der Rechtsprechung jedenfalls unwirksam. Zulässig iSd § 6 Abs 1 Z 5 KSchG sind jedoch Formulierungen, die auf einen »an seine Stelle [d. h. an die Stelle des nicht mehr veröffentlichten Indexes] tretenden Index« Bezug nehmen.

4. Vertraglicher Ausschluss der Entgelterhöhung innerhalb der ersten beiden Monate
Eine Formulierung, die es aufgrund ihres Wortlauts ermöglicht, dass es in den ersten beiden Monaten ab Vertragsabschluss zu einer Erhöhung des Mietentgelts kommen könnte, wurde in der rezenten Verbandsklagejudikatur als Verstoß gegen § 6 Abs 2 Z 4 KSchG beurteilt (OGH 21.03.2023, 2 Ob 36/23t; OGH 24.05.2023, 8 Ob 37/23h; OGH 22.03.2024, 8 Ob 6/24a). Diese Sichtweise erwies sich – dies allerdings schon im Jahr 2023 (!) und nicht erst durch den Verfassungsgerichtshof - für bestehende Bestandsverträge als echter Paukenschlag: Denn dieser Judikatur zufolge genügt es, dass eine – wenngleich mitunter völlig unwahrscheinliche – Erhöhung zumindest in der Theorie hätte stattfinden können.

Da im Verbandsverfahren die »gelebte« Praxis sowie der Vertragswille der Parteien außer Betracht bleiben, ist sohin jede Wertsicherungsklausel, die einen derartigen Ausschluss nicht vorsieht, unwirksam. Die Rechtsfolge der Unwirksamkeit wurde aus verfassungsrechtlicher Sicht nunmehr auch für verhältnismäßig und verfassungskonform angesehen. In neue Bestandsverträge ist daher jedenfalls vertraglich der Zusatz aufzunehmen, dass »eine Erhöhung des Hauptmietzinses für den Zeitraum von zwei Monaten ab Vertragsabschluss ausgeschlossen ist.«

Offene Fragen
Die Frage, ob und in welchem Umfang die Vorgaben der Verbandsjudikatur auch auf – zwischen konkreten Vertragsparteien (Mieter und Vermieter) geführten – Individualverfahren anzuwenden sind, ist jedoch freilich auch durch den Verfassungsgerichtshof nicht geklärt. Bei Individualverfahren gilt nämlich – im Unterschied zum Verbandsverfahren – nicht die vorstehend ausgeführte kundenfeindlichste Auslegung anhand des Wortlauts, sondern es ist die individuelle Auslegung entsprechend dem Vertragswillen der Parteien, der sich u. a. auch durch die gelebte Praxis manifestiert, von entscheidender Bedeutung.

Sieht daher ein Vertrag vor, dass eine Anpassung »erstmals« nach einem Jahr erfolgen kann, so ist – nach der ersten einschlägigen Entscheidung des OGH zu einem Individualverfahren – bereits der Wortlaut des § 6 Abs 2 Z 4 KSchG nicht erfüllt und die Klausel trotz Fehlens einer expliziten Ausschlussklausel wirksam (explizit OGH 17.12.2024, 10 Ob 54/24z); selbiges gilt – zumindest nach ersten zweitinstanzlichen Urteilen (z. B. 40R 181/24z, noch nicht oberstgerichtlich bestätigt) für Indexklauseln mit einem Schwellenwert (zumeist 3–5 %), demzufolge eine Anpassung erst bei Überschreiten dieser prozentualen Schwelle in Frage kommt: Ein Ansteigen des VPI über eine derartige Schwelle bereits in den ersten beiden Monaten nach Vertragsabschluss begründe nach den Ausführungen des Rechtsmittelgerichts einen derart abwegigen Ausnahmefall, womit für die Parteien keine Veranlassung bestand vertraglich eine ausdrückliche Einschränkung vorzusehen. In den zitierten Individual-Entscheidungen wurden die zugrundeliegenden Wertsicherungsklauseln daher jeweils als wirksam beurteilt.

Fazit
Klauseln, die im Verbandsverfahren als unwirksam beurteilt wurden, können unter bestimmten Umständen im Individualverfahren als wirksam anzusehen sein. Das Zusammenspiel derartiger widersprüchlicher Entscheidungen wirft komplexe und ungeklärte Folgefragen auf; darüber hinaus sind bestimmte Fragestellungen (z. B. Verjährung) noch überhaupt ungeklärt. Ob künftig aber wirklich per Gesetz oder letztlich erst durch die weitere Judikaturentwicklung das Thema Wertsicherung für die Zukunft geklärt wird, bleibt daher mit Spannung abzuwarten. Zu betonen gilt jedoch auch nach dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs: Wertsicherungsklauseln eines Bestandsvertrages fallen nicht automatisch weg. Vielmehr wird über individuelle Rückforderungsansprüche von Mietern weiterhin im Zivilrechtsweg vor den ordentlichen Gerichten erst zu entscheiden sein.


Über die Kanzlei

Seit über 30 Jahren steht DSC Doralt Seist Csoklich für Rechtsberatung auf den Punkt gebracht. Im Immobilienrecht bietet die Kanzlei 360°-Service und berät Mandant*innen von der hochkomplexen Großtransaktion bis hin zum immobilienrechtlichen Tagesgeschäft. Nationale und internationale Anwaltsverzeichnisse zeichnen das Immo-Team und dessen Expert*innen jährlich mit Top-Rankings aus. www.dsc.at 

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