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Von Kartellen, Korruption und ESG
In Zusammenarbeit mit .LOUPE – focused on business integrity zeigt der Report, warum Compliance in der Bau- und Immobilienwirtschaft nicht nur eine juristische Pflichtübung, sondern entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit ist.
Die Bau- und Immobilienwirtschaft in Österreich steht unter enormem Druck: steigende Kosten, intensiver Wettbewerb, strenge Vorgaben im Vergaberecht und eine immer komplexere Regulierungslandschaft. Compliance ist in diesem Umfeld längst kein Nebenthema mehr, sondern wird zunehmend zu einer Grundvoraussetzung für unternehmerischen Erfolg. Verstöße gegen kartellrechtliche Bestimmungen können existenzbedrohend sein, gleichzeitig rücken ESG-Gesetze und Nachhaltigkeitsberichterstattung in den Fokus von Investoren und Auftraggebern.
Kartell- und Vergaberecht als Dauerbrenner
Die Verfahren der Bundeswettbewerbsbehörde haben gezeigt, wie rasch vermeintlich harmlose Absprachen gravierende Folgen nach sich ziehen können. Das Kartellrecht schützt den unverfälschten Wettbewerb. Im Falle von Verstößen drohen nicht nur hohe Geldbußen, sondern auch der Ausschluss von öffentlichen Aufträgen. Für Bauunternehmen bedeutet das eine doppelte Bedrohung: straf- und zivilrechtliche Konsequenzen einerseits, der Verlust von Ausschreibungen andererseits. Wie gefährlich sind also Naheverhältnisse und (vermeintlich) gute Beziehungen zum Wettbewerb bzw. zu den Lieferanten? In der Praxis sind es immer wieder ähnliche Fragen, die für Unsicherheit sorgen. Wie erkenne ich einen (Interessen-)Konflikt? Welche Einladungen sind noch zulässig? Wie verhalte ich mich korrekt in einem Vergabeverfahren? Und darf ich überhaupt noch mit Kolleginnen und Kollegen anderer Unternehmen sprechen? Die Antworten sind differenziert: Ein Interessenkonflikt besteht, sobald persönliche oder wirtschaftliche Interessen objektives Handeln beeinträchtigen können. Einladungen sind erlaubt, solange sie verhältnismäßig und sachlich begründet – also auch »angemessen« – sind. In Vergabeverfahren gilt: Jegliche Absprache mit Mitbewerbern ist strikt untersagt, nur eigenständige Angebote sind zulässig. Gespräche mit Branchenkollegen bleiben selbstverständlich möglich – solange sie sich auf allgemeine technische Entwicklungen oder rechtliche Rahmenbedingungen beschränken. Strafrechtliche Konsequenzen drohen also nicht »hinter jeder Ecke«, aber wer gegen Wettbewerbsregeln verstößt, riskiert schwerwiegende Folgen.
Wettbewerbsfaktor Compliance
Das Thema »Compliance« hat längst auch in der Bauwirtschaft Einzug gehalten. Was zunächst als juristische Pflichtübung erschien, entwickelt sich heute zu einem zentralen Wettbewerbsfaktor. Angemessene Compliance-Management-Systeme können die Haftungsrisiken des Managements deutlich reduzieren und werden von Auftraggebern und Vertragspartnern zunehmend eingefordert. Öffentliche Auftraggeber prüfen schon heute vermehrt, ob Unternehmen über effektive Hinweisgebersysteme, klare Verhaltenskodizes und transparente Prozesse verfügen. Auch private Auftraggeber achten verstärkt auf Integrität und Nachweise über regelkonformes Verhalten. Wer entsprechende Maßnahmen und Strukturen nachweisen kann, bleibt ausschreibungsfähig und verschafft sich im Wettbewerb einen klaren Vorteil. Integrität als Wettbewerbsvorteil. Compliance wirkt damit wie ein Schutzschirm: Sie minimiert Risiken, schafft Vertrauen und öffnet den Zugang zu Projekten, die ohne entsprechende Nachweise kaum mehr erreichbar sind.
ESG und Nachhaltigkeitsberichterstattung
Neben den klassischen kartell- und korruptionsrechtlichen Themen gewinnen ESG-Vorgaben massiv an Bedeutung. Mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) verpflichtet die EU Unternehmen (je nach Größe), umfassende Nachhaltigkeitsberichte vorzulegen. Diese Berichte müssen ökologische Aspekte wie CO₂-Emissionen, Ressourceneinsatz oder Energieeffizienz ebenso berücksichtigen wie soziale Kriterien, darunter Arbeitsbedingungen, Lieferkettenverantwortung oder Diversität. Ein besonderer Fokus liegt hier auch auf Maßnahmen zur Vermeidung von Korruption. Für die Bauwirtschaft, die in besonderem Maße von Ressourceneinsatz und Arbeitsstrukturen geprägt ist, bedeutet dies neue Transparenzpflichten und steigende Erwartungen.
Verantwortung des Managements
Die Unternehmensführung trägt die Verantwortung, diese Entwicklungen aktiv zu steuern. Sie muss Strukturen schaffen, die sowohl rechtliche Risiken als auch Nachhaltigkeitspflichten abdecken, und zugleich ein klares Signal aussenden: Regelkonformes Verhalten und Transparenz sind unverhandelbar. Untätigkeit kann nicht nur zu Bußgeldern und Ausschlüssen führen, sondern auch persönliche Haftungsrisiken nach sich ziehen. Compliance kann nicht delegiert werden, sie ist ein zentraler Bestandteil verantwortungsvoller Unternehmensführung.
Integrität als Differenzierungsmerkmal
Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht existenzbedrohend sein können. Gleichzeitig hat sich aber auch herausgestellt, dass Unternehmen mit gelebter Compliance erfolgreicher sind. Auftraggeber achten zunehmend auf Integrität und Transparenz, Banken und Investoren verknüpfen Finanzierungen mit ESG-Kriterien. Wer hier überzeugend darlegen kann, dass er regelkonform und nachhaltig agiert, behält nicht nur den Zugang zu Aufträgen, sondern stärkt auch seine Reputation und Wettbewerbsposition.
Compliance ist kein bürokratisches Hindernis, sondern eine Investition in nachhaltigen Erfolg. In einer Branche, in der Vertrauen und Verlässlichkeit entscheidend sind, wird Integrität zum echten Differenzierungsmerkmal und damit zu einem entscheidenden Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit.
Compliance-Checkliste: Dos & Don’ts
Dos
- Interessenkonflikte transparent machen und dokumentieren.
- Geschäftliche Einladungen im angemessenen, sachlich begründeten Rahmen halten (oder im Zweifel einfach selber zahlen).
- In Vergabeverfahren eigenständige, unabhängige Angebote legen.
- Branchengespräche auf allgemeine Entwicklungen und Standards beschränken.
- Compliance- und Hinweisgebersysteme aktiv nutzen und kommunizieren.
- ESG-Berichtspflichten ernst nehmen.
Don’ts
- Keine Preisabsprachen oder Marktaufteilungen – auch nicht informell (z. B. durch abgestimmte Verhaltensweisen).
- Keine Weitergabe sensibler Angebots- oder Kalkulationsdaten.
- Keine Einladungen oder Geschenke, die den Eindruck unzulässiger Einflussnahme erwecken (z. B. vor Abschluss von Verträgen).
- Keine Duldung von »Graubereichen« bei Subvergaben, Abrechnung oder Claim-Management.
- Keine Untätigkeit bei Hinweisen auf mögliche Verstöße – die Verantwortung liegt beim Management.
Der Autor
Mag. Martin Reichetseder ist einer der führenden Compliance-Experten Österreichs und CEO von .LOUPE (fobi solutions GmbH). www.loupe.at
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