Mittwoch, Mai 08, 2024

Clean Tech als Wachstumsmarkt schlechthin: Friedrich Hiermayer, Vorstand der heimischen BEKO Engineering & Informatik AG, im Report-Gespräch über einen interdisziplinären Ansatz, der unsere Wirtschaft und Gesellschaft verändert.

Report: Herr Hiermayer, was versteht Beko unter dem Begriff »Clean Tech«? In welchen Bereichen ist der Einsatz von sauberen Technologien besonders gefragt?

Friedrich Hiermayer: Wir verstehen unter diesem Sammelbegriff Technologielösungen, die helfen, Energie zu sparen, Abfälle, CO2 und Schadstoffe vermeiden, für sauberes Wasser und reine Luft sorgen. Sie stehen für Nachhaltigkeit in der Gewinnung von Energie, dem Einsatz und Verbrauch. Es sind Zukunftsthemen, die uns alle beschäftigen sollten – unsere Gesellschaft ebenso wie die Wirtschaft. Das sind wir schon allein unseren Kindern schuldig. Verschiedene Faktoren wie steigende Rohstoffpreise, Umweltschutzauflagen, ambitionierte Klimaschutzziele der Europäischen Union und auch ein zunehmendes Umdenken in der Bevölkerung ebnen nun den Weg für saubere Technologien auch in Österreich. Während die heimische Politik diese wichtigen Themen etwas verhalten angeht, gibt es auf Technologieseite bereits eine große Zahl unterschiedlicher Clean-Tech-Umsetzungen. Ein zentrales Element dieser Wegrichtung ist Effizienz. Effizient zu wirtschaften ist natürlich seit jeher ein Bestreben jedes Unternehmers. Jüngst hinzugekommen ist, dass dies durch die Vernetzung von Geräten und Systemen und das Analysieren von Daten unterstützt werden kann.

Clean Tech ist eine Querschnittsdiziplin, und Beko ist dazu in all seinen Geschäftsbereichen optimal aufgestellt. In der Energietechnik sind wir durch die Integration von vernetzten Engineering- und Informatik-Tools in der Lage, unser Know-how bei der Erzeugung über die Verteilung bis hin zum Verbrauch von Energie – vor allem Strom – einzubringen. Bei Verkehr und Mobilität sind überhaupt die größten Hebelwirkungen mit neuen Technologien möglich. Dazu sind wir auch Mitglied bei Austrian Mobile Power. Die Organisation hat sich zum Ziel gesetzt, Elektromobilität in Österreich voranzutreiben. Auch in der produzierenden Wirtschaft ist die Effizienz in allen Phasen des Lebenszyklus eines Produktes im Fokus. Das beginnt bei der Planung und endet erst beim Recycling oder der Entsorgung.

Report: Wie hat sich die Gebäudetechnik in den vergangenen Jahren entwickelt? Wo steht man mit der Vernetzung und der Auswertung von Daten, und der Steuerung von Komponenten heute?

Hiermayer:
Durch den Einsatz von moderner Kommunikationstechnologie lässt sich der Verbrauch von Strom, aber auch Wasser und Gas jederzeit überwachen und darauf basierend eingreifen. Gegenstand dieser Betrachtung kann eine Wohnung, eine Wohnanlage und natürlich auch eine Industriehalle sein.

Wir haben allerdings festgestellt, dass die Zeit für die Ausstattung und Vernetzung von Wohnungen mit Automatisierungstechnologie wohl noch etwas zu früh ist. Förderungen für entsprechende Wohnungsprojekte hat es nie gegeben, die schon notwendig wären, um neue Wege im Sozialbereich oder der Gesundheitsversorgung zu ermöglichen. Unsere Lösung für Ambient-Assisted-Living, der Homebutler, ist nach einigen Pilotprojekten mit 130 bis 140 Wohnungen nun auf Eis gelegt worden. Ich bin aber überzeugt, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis wir entsprechende Technologiekonzepte umgesetzt sehen.

Report: Wie kann Informationstechnologie in der Energie- und Gebäudetechnik eingesetzt werden? Wie sehen konkrete Beispiele dazu aus?

Hiermayer: Ich nennen Ihnen zwei Beispiele. Beko hat für einen internationalen Windkrafthersteller mit Niederlassung in Kärnten Sensoren und Analyselösungen entwickelt, um die Effizienz von Wind­rädern zu steigern und die Ausbeute zu erhöhen. In einem anderem Projekt gemeinsam mit der Wirtschaftskammer Niederösterreich können sich Unternehmen unter der Plattform www.esan-zb.at einen Überblick über das Energieeinsparungspotenzial ihres Betriebsgebäudes verschaffen. Mit der App werden Gebäudetypen gescreent und auf ihre Einsparungspotenziale geprüft. Benutzer erfahren auf Knopfdruck, wo sie ansetzen müssen, um den Energieverbrauch zu reduzieren – inklusive einer Maßnahmenliste und einer 3D-Ansicht zu den unterschiedlichen Verbrauchsfaktoren. Die Wirtschaftskammer stellt dieses IT-Werkzeug, das von Beko entwickelt wurde, kos­tenlos zu Verfügung.

Report: Ist die Vision der Energieautarkie für Sie realistisch? Was müsste für dieses Ziel technologisch noch passieren – wenn man unterschiedliche Ebenen wie Verkehr, Gebäude, Stadt oder ein ganzes Land betrachtet?

Hiermayer: Ich würde sagen, vollständige Autonomie ist sicherlich nicht auf Gebäude- oder Siedlungsebene, sondern eher auf kommunaler Ebene oder dem Einzugsgebiet eines Landesenergieversorgers möglich. Dazu braucht es aber klar ein Umdenken in unserer gesam­ten Energiewirtschaft und auch generell in der Art und Weise, wie wir Ressourcen und Produkte verbrauchen, einkaufen und nutzen. Clean Tech liefert eine Basis für große Veränderungen in der Wirtschaft und Gesellschaft. Nehmen Sie nur Solarenergie: Sie könnte bei entsprechenden Rahmenbedingungen eine wesentlich größere Rolle auch bei der Ausstattung und Eigenversorgung von Betrieben spielen. Die herrschenden Regularien und traditionelle Marktverhältnisse machen es aber extrem schwer, überschüssigen Strom auch weiterzuverkaufen. Solange zwingend ein Energieversorgungsunternehmen in den Stromverkauf eingebunden werden muss, werden Sie immer ein Aufeinanderprallen von gegensätzlichen Interessen haben. Dies aufzulösen wäre eine der dringenden Aufgaben in einer veränderten Energiewirtschaft, die den Bezug und den Handel von Strom auch kleinteilig flexibler handhabt.

Doch geht es auch nicht nur um den Energiekonsum, sondern um vielfältige Aspekte unseres Lebens. Dies fängt etwa bei der Förderung von lokaler Wirtschaft an, die weitaus kürzere Transportwege ermöglicht und der Globalisierung vor allem der Konsumgüterindustrie entgegensteuert. Dazu ist ein Blick von oben, eine größere Übersicht nötig, um eine Ökologisierung und Nachhaltigkeit in der Produktion, im Verkehr und der Energie- und Gebäudetechnik erfordert. Auch wenn ich meist ungeduldig ob dieser großen angesagten Veränderungen bin, ist die Wegrichtung klar.

Jetzt sind die heimischen Politiker gefordert, hier tatkräftig und mutig anzupacken und die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Wir wollen die Menschen wachrütteln.

 

ZUR PERSON:

Friedrich Hiermayer ist Vorstand der BEKO Engineering & Informatik AG. Seine Karriere bei dem heimischen Technologie­unternehmen begann Hiermayer 1974 als Konstrukteur im Bereich Industrieanlagenbau. Bei Beko arbeiten über 700 Spezialisten in den unterschiedlichsten Bereichen des Engineerings und der Informatik und setzen auf vernetztes, bereichsübergreifendes Know-how.

Info: www.beko.at

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