Donnerstag, Mai 02, 2024



Die lang erhoffte Zinswende verleiht Banken und Sparkassen neuen Rückenwind. Zusätzliche Erträge ermöglichen jetzt Veränderungen, die von der Kundschaft längst erwartet werden. Doch der Wandel hat seine Tücken, und die Kundschaft ist anspruchsvoll wie nie zuvor. Ein Gastkommentar von Moritz Meyer, Managementberatung Horváth


In vielen Banken wird die Digitalisierung immer noch als technokratische Übung interpretiert. Doch die Transformation ist unvermeidbar, um Kunden zu halten. Denn diese erwarten von ihrer Bank das was sie aus anderen Dienstleistungsbranchen kennen: Service rund um die Uhr, und das am besten jetzt gleich. Was als Funke kleiner innovativer Kundensegmente angefangen hat, ist mittlerweile breiter Konsens und wird sich mittelfristig in allen Alterssegmenten manifestieren. 

Kundenorientierung ein Muss

Der beste Beleg für die geänderten Kundenerwartungen zeichnet sich im Erfolg der Direktbanken ab. Was den Online-Banken jedoch fehlt, ist die Kundenbindung und das individuelle Kundenerlebnis. Retailbanken können hierzu die Stärken aus der Vergangenheit mit den Prozessen der Zukunft kombinieren. So lassen sich intern Effizienzen steigern und die Customer Experience verbessern. 

Um Kunden zu begeistern, muss das Gesamterlebnis am Bankschalter – also die Erfahrung rund um die Beratung – strukturell verbessert werden. Hier reicht es nicht aus, den Wünschen der Kunden zu entsprechen. Vielmehr müssen ganzheitliche „Kundenreisen“ modelliert werden, um die unterschiedlichen Bedürfnisse der Kunden anzusprechen – das müssen nicht unbedingt originäre Bankdienstleistungen sein. 

Entlang der Customer Journey (Kundenreise) sind attraktive Anknüpfungspunkte zu identifizieren, und entsprechend der Kundenerwartung die Wertschöpfungskette auszurichten. Je aufregender, flexibler und passender diese Kundenreise und die Touchpoints mit der Bank für den Kunden sind, desto öfter oder länger wird er dieses Erlebnis suchen und bereitwilliger einen Preis dafür zahlen.
 
Abläufe konsequent durchdacht

Im Zuge der Prozessanalyse kommt es unweigerlich auch zu einer Analyse des Geschäftsmodells. Hier sollte man nicht davor zurückschrecken, Abläufe neu zu interpretieren. Für zukunftsgerechte Lösungen muss jedenfalls „End-to-End“ gedacht werden. Konsequent transformierte Prozesse im Retailbanking beginnen mit einer App-basierten Antragsstrecke des Neukunden und enden mit der elektronischen Vorgangs- bzw. Aktenarchivierung. 

Jedoch geht die digitale Transformation weit über die Prozessebene hinaus. Die Ausgestaltung der Kundenprozesse muss sich ab sofort an den Bedürfnissen der jungen und digitalaffinen Nutzergruppen wie der Generation Z orientieren. Für diese Zielgruppen sind vollautomatisierte und technologisch clevere Abläufe mit Aha-Effekten selbstverständlich, ja sogar eine „Conditio qua non“. 

Verwaltungstätigkeiten innerhalb der Kundenberatung sind idealerweise automatisiert, um dem Kundenberater Zeit und Kundennähe zu ermöglichen. Denn noch immer sind „Schalterbeamte“ (was für ein veralterter Begriff) viel zu sehr im Kundengespräch damit beschäftigt, Prozesse zu befolgen, statt kundenorientiert zu beraten und den Prozess als Unterstützung zu erfahren. 

Nach wie vor und ebenso häufig fehlt es den künftigen Bankkunden an Möglichkeiten, die gewünschten Formalitäten und Prozesse im Self Service zu durchlaufen. Die nächste Kundengeneration wird dies jedoch für alle Bankprodukte nachfragen. Daher ist es am besten, diese Zielgruppen gleich in die Erstellung der neuen Prozesse mit einzubeziehen. 

Digitaler Change gilt für alle

Der Schlüssel zur erfolgreichen Transformation ist das organisatorische Setup. Gut geführte interdisziplinäre Teams sind dafür ein guter Anker. Es braucht verschiedene Perspektiven aus allen Bereichen der Bank, um den ganzheitlichen Anspruch und die Tiefe der Veränderung zu bewältigen. Da ist kein Platz für Silodenken, sondern eine Symbiose aller Kompetenzen und Perspektiven gefragt. 

Die Verantwortlichkeit zur Durchsetzung der Transformation könnte von einem eigens dafür nominierten Chief Digital Officer wahrgenommen werden. Eine solche Person sollte als Enabler der gesamten Organisation tätig sein – auch wenn die Transformation selbst Aufgabe jedes einzelnen Mitarbeiters ist. Der entsprechende Change muss jedenfalls vom gesamten Managementteam vorgelebt werden. 

Wetterfeste Technologie gefragt

Und noch eines: Eine flexibel skalierbare Technologie ist Grundvoraussetzung für die Digitale Transformation. Sie schafft die notwendige Anpassungsfähigkeit mit kurzen Reaktionszeiten und nachvollziehbaren Kosten. So kann die innovative Bank immer rasch auf Trends, Portfoliorestrukturierungen und Veränderungen des Marktumfelds reagieren und Distributionskanäle an neue Kundenbedürfnisse anpassen. 

Fazit: Die Bankenwelt ist im Umbruch, die Digitalisierung verlangt Weitsicht und Ruhe. Sie ist ein Marathonlauf und braucht langem Atem. Die positive Zinslage sollte  jetzt dazu genutzt werden, Geschäftsmodell wie Kundenbedürfnisse zu prüfen und in vollautomatisierte und digitalisierte Abläufe zu lenken. So bleibt mehr Zeit für das Kundengespräch, das Kundenerlebnis und die gewünschte Kundenbegeisterung. 


Über den Autor: Moritz Meyer ist Senior Project Manager bei Horváth im Bereich Banking & Financial Institutions.

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