Wednesday, October 15, 2025

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Der Europäische Emissionshandel ist ein auf marktwirtschaftlichen Prinzipien basierendes Instrument zur Reduktion von Treibhausgasen. Eine stete Verknappung einer begrenzten Zahl von Emissionszertifikaten soll die Verbrennung fossiler Brennstoffe reduzieren. Nach fast zwei Jahrzehnten wird der Emissionshandel nun auf die Bereiche Verkehr und Gebäude ausgeweitet.

Bild: iStock

 

Der Europäische Emissionshandel (kurz: EU-ETS) ist seit 2005 das zentrale Klimaschutzinstrument der EU. Sein Ziel ist es, die CO₂-Emissionen schrittweise zu reduzieren, indem eine begrenzte Anzahl an Emissionszertifikaten ausgegeben wird, welche an erfasste (zumeist große und energieintensive) Unternehmen zugeteilt bzw. versteigert werden. Jedes Emissionszertifikat berechtigt erfasste Unternehmen dazu, eine Tonne CO₂ auszustoßen. Die Anzahl der ausgegebenen Zertifikate wird kontinuierlich reduziert, sodass die Emissionen im Laufe der Zeit sinken. Der Handel mit diesen Zertifikaten erfolgt an Börsen, wobei Unternehmen, die weniger Emissionen verursachen, ihre überschüssigen Zertifikate verkaufen können. Unternehmen mit hohem CO₂-Ausstoß müssen hingegen zusätzliche Zertifikate erwerben.

Der Preis für eine Tonne CO₂-Äquivalente ist von wenigen Euro auf das mehr als Zehnfache gestiegen (Tendenz steigend). Dieses marktwirtschaftliche Prinzip sorgt dafür, dass Emissionen dort reduziert werden, wo es am effizientesten ist und ist Ausfluss des sogenannten »Polluter Pays Principle« oder Verursacherprinzips: Jene Unternehmen, die Umweltverschmutzung verursachen, sollen die Kosten tragen. Betroffen sind Branchen wie die Energiewirtschaft oder bestimmte Industriezweige (z.B. Eisen-, Stahl-, Zement-, Kalk- oder Papierherstellung).

Aktuelle Entwicklungen
Die Änderung des Emissionszertifikategesetzes (EZG 2011) brachte drei zentrale Neuerungen:

Der Geltungsbereich des EU-ETS wurde auf neue Sektoren, wie den Seeverkehr, ausgeweitet. Zudem wurde die Menge der ausgegebenen Zertifikate weiter reduziert, um die EU-Klimaziele bis 2030 zu erreichen. Eine Sonderstellung nimmt dabei die Abfallverbrennung ein. Derartige Anlagen sind in den EU-ETS einbezogen, haben aber noch keine Verpflichtung, Emissionszertifikate abzugeben. Die EU-Kommission legt dem Europäischen Parlament und dem Rat bis zum 31. Juli 2026 einen Bericht vor, in dem sie die Durchführbarkeit einer Aufnahme von Anlagen für die Verbrennung von Siedlungsabfällen in den EU-ETS bewertet.

Ein neuer separater Emissionshandel für die Sektoren Gebäude und Straßenverkehr wird eingeführt, um fossile Brennstoffe mit der Pflicht zur Abgabe vom Emissionszertifikaten zu beaufschlagen, um klimafreundlichere Alternativen zu fördern.

Eine CO₂-Grenzausgleichsregelung – der Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) – sorgt dafür, dass auch importierte Waren die gleichen Klimakosten tragen wie in der EU produzierte Produkte.

Der neue Emissionshandel
Der ETS 2 wird ab 2027 für die Sektoren Gebäude und Straßenverkehr eingeführt. Damit wird auch die derzeit in Österreich bestehende CO2-Besteuerung abgelöst, welche von Österreich als Vorreiter in der EU im Nationalen Emissionshandelsgesetz 2022 umgesetzt wurde und die vor allem aufgrund der Verknüpfung mit dem Klimabonus medial bekannt ist. Der neue ETS 2 funktioniert ähnlich: Unternehmen, die fossile Brennstoffe in Verkehr bringen (z.B. Mineralölunternehmen, Gashändler), müssen Emissionszertifikate erwerben. Die Kosten wirken sich auf Verbraucher aus, indem Heiz- und Treibstoffpreise steigen. Brennstoffe dürfen nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie über eine Genehmigung verfügen. Um Doppelbelastungen mit dem bestehenden ETS 1 zu vermeiden, wurden Abgrenzungen geschaffen: Während der ETS 1 die Industrie und Energiewirtschaft abdeckt, konzentriert sich der ETS 2 auf den Handel mit Brennstoffen.

Der CBAM
Der Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) wurde eingeführt, um zu verhindern, dass Unternehmen ihre Produktion in Länder mit weniger strengen Klimaschutzauflagen verlagern (»Carbon Leakage«). Er gilt für Importe von Produkten, insbesondere in den Bereichen Stahl, Aluminium, Zement und Düngemittel. Unternehmen, die diese Produkte importieren, müssen die Emissionsintensität ihrer Waren nachweisen und ab 2026 entsprechende Zertifikate erwerben. Kurzum: Importierte Produkte werden mit den Kosten beaufschlagt, die das Produkt bei einer Produktion unter dem EU-ETS hätte. Fraglich ist, ob CBAM im Vollzug geeignet ist, diesen gewünschten Effekt herbeizuführen, weshalb dieses neue Instrument mit Argusaugen beobachtet wird.

Sonderfall Biomasse
Sollen Biomasse-Brennstoffe zur Energiegewinnung eingesetzt werden, müssen diese Nachhaltigkeits- sowie Treibhausgaseinsparungskriterien einhalten (insbesondere um förderfähig nach dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz zu sein). Im Kern sollen diese Kriterien sicherstellen, dass Biomasse nur dann zur Energiegewinnung eingesetzt wird, wenn nachteilige Auswirkungen auf die biologische Vielfalt, die Umwelt und das Klima minimiert werden, diese also nicht etwa von ökologisch wertvollen und für die Lebensmittelproduktion notwendigen Flächen stammt. Zusätzlich müssen zur Einhaltung der Treibhausgaseinsparungskriterien »von der Ernte bis zur Verbrennung« der Biomasse geringere Emissionen anfallen als bei einem vergleichbaren fossilen Brennstoff. Diese Kriterien finden sich in der Erneuerbare-Energie Richtlinie der EU, wurden aber auch in das EU-ETS-System »importiert«.

Die Konsequenz daraus: Erfüllt ein Biomasse-Brennstoff die Kriterien nicht, gilt er im System des Emissionshandels als fossil, sodass CO2-Zertifikate für seine Verbrennung abgegeben werden müssen. Überprüft wird die Einhaltung der Kriterien u.a. von Zertifizierungsstellen, welche Audits bei den Wirtschaftsteilnehmern durchführen. Diese Zertifizierungen sollen über die gesamte Wertschöpfungskette erfolgen, sodass alle Unternehmen (Sammlung, Verarbeitung, Transport, Handel) bis hin zu den ETS-Betrieben einer Zertifizierung bedürfen.

Die Kehrseite der Medaille
Der EU-ETS ist zweifellos ein Instrument, um das ehrgeizige Ziel der Klimaneutralität zu erreichen. Insbesondere im Zusammenhang mit den Bestimmungen zur Einführung der Nachhaltigkeits- und Treibhausgaseinsparungskriterien wurde der Ruf nach einem Bürokratieabbau wieder lauter. Größere und energieintensive Betriebe leiden bereits jetzt unter einer Last an Aufzeichnungs-, Dokumentations- und Auditierungsverpflichtungen. Der Emissionshandel macht hier keine Ausnahme. Die Europäische Kommission hat diese Notwendigkeit bereits in ihrem Arbeitsprogramm für 2024 erkannt. Es bleibt zu hoffen, dass es dadurch zu Entlastungen für die ohnehin durch Krisen stark getroffene Wirtschaft kommt. Denn wie die Erfahrungen der letzten Jahre gezeigt haben, braucht Europa auch seine energieintensive Industrie, um wettbewerbsfähig und vor allem unabhängig zu bleiben.

 

Zusammengefasst: Wer ist ab wann betroffen?

ETS 1 - bestehendes System, Industrie & Energie
- Gilt für: Industrie, Energie, Luftverkehr
- Neu seit 2024: Erweiterung auf den Seeverkehr
- Ziel: Jährliche Reduktion der Zertifikatsmenge um 4,3 % bis 2027, dann um 4,4 %

ETS 2 - ab 2027, Gebäude & Verkehr
- Gilt für: Unternehmen, die fossile Brennstoffe in Verkehr bringen
- Indirekte Betroffenheit: Haushalte und Unternehmen durch steigende Heiz- und Treibstoffpreise
- Preisschutz: Zu Beginn mehr Zertifikate und Marktstabilitätsreserven

CBAM - CO2-Grenzausgleich, schrittweise Einführung
- Seit 2023: Berichtspflichten für Importeure
- Ab 2026: Erwerb von CBAM-Zertifikaten erforderlich
- Gilt für: Stahl, Aluminium, Zement, Düngemittel, Strom, Wasserstoff

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Die Autoren
MMag. David Suchanek ist Rechtsanwalt und Partner in der Umwelt- und Energierechtskanzlei Niederhuber & Partner.
Mag. Matthias Fliedl ist Rechtsanwaltsanwärter in der Umwelt- und Energierechtskanzlei Niederhuber & Partner.

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