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Kleiner Bruder, große Ambitionen

\"ImFachhochschulen stehen für effiziente Ausbildung und Praxisnähe. Doch wie gut funktioniert die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft tatsächlich? Und ist der Bachelor-Abschluss auf dem Arbeitsmarkt ausreichend?

Von Angela Heissenberger.

Die ersten Absolventen wurden noch abschätzig als »Schmalspurakademiker« tituliert. Heute irritiert das verschämte Kürzel »FH« hinter dem Dipl.-Ing. oder Mag. kaum noch. Mit der Umstellung auf das Bachelor-Master-System wird auch diese Unterscheidung schon bald der Vergangenheit angehören.

Im Studienjahr 1994/95 starteten in Österreich die ersten zehn FH-Studiengänge. Lag der Schwerpunkt zuerst auf technischen Studienrichtungen, überwiegen heute wirtschaftsbezogene Richtungen, sozial- und geisteswissenschaftliche Studiengänge sind unterrepräsentiert. Für das Studienjahr 2010/11 sind insgesamt 333 Studiengänge an 19 Institutionen – 12 davon »richtige« Fachhochschulen, der Rest andere Träger­einrichtungen – beim Fachhochschulrat akkreditiert.

Die rund 36.000 FH-Studienplätze werden vom Bund mit 7.940 Euro (in technischen Studiengängen) bzw. 6.510 Euro (in wirtschaftlichen Studiengängen) finanziert. Der weitere Ausbau des Fachhochschulsektors liegt aus Budgetgründen jedoch vorerst auf Eis. Damit gibt es erstmals in der 15-jährigen Geschichte der Fachhochschulen kein Geld für neue Studiengänge. Der 2010 auslaufende FH-Entwicklungsplan sah eine jährliche Aufstockung um 300 Studienplätze vor. Damit ist nun Schluss: Wissenschaftsministerin Beatrix Karl will den Fokus künftig auf die »qualitative Weiterentwicklung« legen. »Die Fachhochschulen haben sich zu einer zentralen Säule in der heimischen Hochschullandschaft entwickelt«, sagte Karl beim Fachhochschulforum Ende August in Alpbach. Nach dem kontinuierlichen Ausbau der vergangenen Jahre sei nun eine Phase der »qualitativen Konsolidierung« gekommen.

Titel als Gütesiegel

Auf dem Arbeitsmarkt sind die FH-Absolventen inzwischen eine fixe Größe. Sie sind meist jünger und schneller einsetzbar als ihre Kollegen von den Universitäten. Uni-Absolventen wird dagegen eine gesamtheitliche, strategische Sichtweise zugeschrieben. Sie gelten als selbstständiger, da sie kein »verschultes« Programm durchlaufen haben und sich ihre Lehrveranstaltungen frei wählen konnten.

Die feine Rivalität zwischen beiden Ausbildungswegen sollte mittelfristig mit dem Bologna-Prozess ein Ende finden. 1999 hatten sich 29 europäische Bildungsminister auf die Schaffung eines einheitlichen Hochschulwesens bis 2010 geeinigt. Die Diplomstudien werden vom zweistufigen Bachelor-Master-Prinzip abgelöst. Die bisher mehr als 44.000 Fachhochschul-Absolventen sind damit den Universitäten formal gleichgestellt.

Gejammer um die Bezeichnung Diplom-Ingenieur kommt im titelverliebten Österreich gar nicht erst auf: Bologna hin oder her – neben dem alten akademischen Grad, der über ein Jahrhundert lang als Gütesiegel für fundierte technische Ausbildung stand, steht auf der Abschlussurkunde in trauter Eintracht der neue Titel »Master of Science«. Neun deutsche technische Hochschulen haben sich inzwischen im Verband TU 9 zusammengeschlossen, um eine ähnliche Regelung zu erwirken.

Hinter dem Etikettenstreit steckt tiefe Sorge um das Renommee: In drei Jahren könne bestenfalls Basiswissen vermittelt werden, für ein breit angelegtes technisches oder naturwissenschaftliches Studium sei die Zeit aber zu kurz, heißt es seitens der Universitäten. Viele Professoren raten deshalb, auf jeden Fall nach dem Bakkalaureat das Master-Studium anzuschließen. Der weitaus größte Teil der Studierenden beginnt auch unmittelbar nach dem Bachelor mit dem Masterstudium. Mit der Mobilität ist es in Österreich ohnehin nicht weit her – die Möglichkeit, den Master an einer anderen (Fach-)­Hochschule zu erwerben, wird selten und  meist erst nach einem kurzzeitigen Ausflug ins Berufsleben, wahrgenommen.

Tatsächlich lässt sich kaum abschätzen, welche Folgen gekürzte Studienzeiten und -inhalte in den Unternehmen zeigen werden. Laut einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) vom Jänner 2010 führen Kooperationen von Unternehmen mit Universitäten zu einer Verdopplung der Patentanmeldungen. Die Zusammenarbeit mit anderen Forschungseinrichtungen und Fachhochschulen hatte dagegen keinerlei Auswirkungen auf die Entwicklung patentierbarer Innovationen. Auf dem Arbeitsmarkt sind Absolventen von Fachhochschulen zwar prinzipiell anerkannt, in puncto Gehalt und Jobchancen jedoch gegenüber ihren Unikollegen tendenziell benachtei­ligt, wie im Vorjahr eine Umfrage des Wissenschaftsministeriums unter Studierenden ergab. Die Spezialisierung während des Studiums schränkt die Karrieremöglichkeiten der FH-Absolventen später empfindlich ein.

\"Klein,Innovative Projekte

Dem entgegen steht die rege Kooperationstätigkeit der Fachhochschulen mit heimischen und internationalen Unternehmen. Erst kürzlich startete das Logistikum.research der FH OÖ in Steyr ein gemeinsames Projekt mit dem Maschinenhersteller Pöttinger in Grieskirchen. Ziel der Zusammenarbeit ist die Schaffung eines transparenten Wertschöpfungsnetzwerkes. Mit dem System ASC (Adaptive Supply Chain) soll es gelingen, die Reflexe zwischen Lieferanten, Händlern und Endkunden in volatilen Märkten zu berücksichtigen und damit die Planungssicherheit im Unternehmen zu erhöhen. »Das Projekt ASC stellt einen wesentlichen Motor für den Innovations- und Wirtschaftsraum Oberösterreich dar, weil eine Reihe von Unternehmen direkt involviert sind und vom Know-how-Zuwachs unmittelbar profitiert«, sagt Raimund Hohensinn, Projektleiter bei Pöttinger.

Die FH St. Pölten konnte eine Kooperation mit Toyota an Land ziehen. Per Computersimulation werden die chemische Zusammensetzung und die Mikrostruktur von Hochleistungsdauermagneten optimiert, die bei Hybridmotoren zum Einsatz kommen. Für die kleine FH eine hohe Auszeichnung, für den Automobilriesen eine Frage der Qualität: »Es ist irrelevant, ob etwas von einer Universität oder Fachhochschule kommt, nur die Qualifikation ist wichtig«, erklärte Projektmanager Hiroshi Okajima bei der Tagung in Alpbach.
Im Rahmen von E3CAR, Europas größtem Forschungsprojekt für Elektrofahrzeuge, entwickeln Elektronikstudenten der FH Joanneum Halbleiter-Bauelemente für Elektrofahrzeuge. Die am Fahrzeug montierten Solarpaneele sollen optimiert werden, um die Versorgungsverluste zu reduzieren. Durch die zusätzliche Energiequelle wird die Bordelektronik betrieben, den Batterien bleibt mehr Energie für den Motor.

Ebenfalls an der FH Joanneum werden im Studiengang »Biomedizinische Analytik« molekulare Mechanismen analysiert, die der Biofilmbildung und der Fortbewegung von bakteriellen Krankheitserregern auf Harnwegskathetern zugrundeliegen. Labormodelle simulieren die im infizierten Harnweg vorherrschenden Nährstoff- und Umgebungsbedingungen, Tierversuche sind deshalb nicht mehr notwendig.

Für den Beschlägehersteller Blum entwickelte die FH Vorarlberg ein flexibles Berechnungssystem, das bei der Beladung eine Überschreitung der zulässigen Achslasten verhindert. Die Ergebnisse fließen direkt in den Arbeitsprozess der Firma ein.
Diese Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Und wie die Praxis zeigt, ist es manchmal gerade die Schwerpunktsetzung, die den Berufseinstieg erleichtert. Nur 2,5 Prozent der FH-Absolventen finden nach dem Abschluss keinen Job. Angesichts dieser Bilanz verkommt die Titelfrage zur Nebensache.

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