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"Ein Finanzminister mit einem Steuerschwund von 9 % wäre glücklich"

"Viele Menschen haben den Eindruck, dass die Verpackungsmengen stetig wachsen – das Gegenteil ist der Fall", informiert ARA-Vorstand Werner Knausz. "Viele Menschen haben den Eindruck, dass die Verpackungsmengen stetig wachsen – das Gegenteil ist der Fall", informiert ARA-Vorstand Werner Knausz. Foto: ARA

Der Systembetreiber ARA übernimmt für den Handel und Importeure die Sammlung von Verpackungen im Gewerbe- und Haushaltsbereich. ARA-Vorstand Werner Knausz spricht über den Markt, Trends und neue Services.

Report: Wie ist Ihr Geschäft 2016 verlaufen? Wie geht es dem Markt?

Werner Knausz: Der ARA geht es sehr gut und auch der Gesamtmarkt hat sich positiv entwickelt. Seit 2015 gibt es im Bereich der getrennten Verpackungssammlung im Haushaltsbereich Wettbewerb in Österreich. Davor gab es große Bedenken, dass – wie es in Deutschland passiert war – durch die Öffnung die Kosten für jene, welche die Sammelsysteme ordnungsgemäß finanzieren, durch Trittbrettfahrer und schlechtere Sammelqualität wieder steigen. Die Befürchtungen sind nicht eingetreten. Ich denke, wir alle haben diese Übung gemeinsam gut gemacht. Das Umweltministerium hat bereits im Abfallwirtschaftsgesetz (AWG) und in den jüngsten Verordnungen Vorkehrungen getroffen, wie Quoten und Qualität in der Verpackungssammlung beibehalten werden können. Die Bilanz für 2016 zeigt, dass das hohe Niveau geblieben ist (Anm. siehe Kas­ten). Die Mengen wachsen in manchen Bereichen sogar weiter, wenn auch in einem geringen Maß. Wir haben nahezu den Plafond erreicht.


Report: Wie hoch ist der Anteil der Firmen, die zwar Verpackungen in den Umlauf bringen, aber keinen finanziellen Beitrag für die Sammelsysteme erbringen?

Knausz: Der Anteil von 9 % Trittbrettfahrern ist in etwa gleich geblieben. Im Vergleich dazu ist mit der Marktliberalisierung die Quote der Trittbrettfahrer in Deutschland auf 45 % und mehr gestiegen. Wir sind der Meinung, dass Umweltschutz nur funktioniert, wenn er finanziert wird.


Report: Wer sind denn die größten Trittbrettfahrer? Ist das der Versandhandel?

Knausz: Die großen Versandhändler hatten eigentlich immer schon ihren Beitrag geleistet – mit Ausnahme von Amazon und Zalando. Nachdem diese keine Niederlassung in Österreich hatten, waren sie nicht zur nationalen Entpflichtung gezwungen. Wenn ein Händler einzahlte, dann passierte das aus Compliance-Gründen. In der Verpackungsverordnung wurden jetzt aber auch diese Unternehmen für die Lizenzierung verpflichtet.

Eine größere Herausforderung ist, dass nur ein Teil der verkauften Ware bei Amazon vom Plattformbetreiber selbst stammt. Ein Gutteil der Waren und damit auch der Verpackungen stammt von Händlern, welche die Plattform nutzen. Das bringt eine gewisse Komplexität bei den Prüfungen, aber ich bin zuversichtlich, dass sich auch dies lösen lassen wird. Jedenfalls hat Amazon seinen Händlern bereits die Notwendigkeit der Entpflichtung kommuniziert – ein paar Jahre zuvor wäre so etwas noch undenkbar gewesen.

Wenn Sie nach den größten Trittbrettfahrern heute fragen, dann sind das wir beide selbst: Wenn wir in die Toskana fahren und zehn Flaschen Wein mit nach Hause nehmen, wird niemand einem Entpflichter wie der ARA die Kosten für die Sammlung abgelten. In Summe betrifft das 1 bis 3 % der Verpackungen – der Aufwand wäre aber natürlich viel zu groß, sich damit zu beschäftigen. Ich denke aber, dass wir mit 9 % sehr gut unterwegs sind. Ein Finanzminister mit einem Steuerschwund in dieser Höhe wäre der glücklichste der gesamten EU.


Report: Welche neuen Services sollen nun Ihren Wachstumsbereich bilden? In welche Richtung geht es?

Knausz: Wir punkten bei unseren Kunden bereits mit zusätzlichen Services und haben hier noch einiges vor. Compliance und Nachhaltigkeit in der Wirtschaft werden als Schwerpunkte wachsende Rollen in Zukunft spielen. Die ARA hat hier viel Erfahrung gesammelt, da wir in den vergangenen 20 Jahren die ordnungsgemäße Entpflichtung bei unseren Kunden selbst geprüft haben. Seit 2015 tut dies die Verpackungskoordinierungsstelle. Sie aber hat die gesetzliche Verpflichtung, bereits jeden Verdacht einer Verwaltungsübertretung anzuzeigen. Die ARA bietet den Kunden eine Überprüfung der Prozesse in den Warenwirtschaftssystemen und berät zu Compliance-Fragen. Das Prozess- und auch Audit-Coaching in Begleitung eines Wirtschaftsprüfers werden stark nachgefragt und bilden mittlerweile den größten Bereich unserer ARAplus-Kundenberatungen. Wenn wir ein Unternehmen mit einem Sachverständigen bei Prüfungen begleiten, gestaltet sich das für alle Seiten zum Vorteil. Die Prüfungen werden effizienter durchgeführt und dauern in der Regel auch weniger lange. Man sollte die gesetzliche Lage auch nicht unterschätzen: Durch das AWG sind rasch Verwaltungsstrafen und auch persönliche Strafen für das Management möglich.

Über unsere Geschäftseinheit ARES bieten wir auch Industriedienstleistungen an – vor allem externe Beratung rund um Verpackungen in den Produktionsprozessen. Unser Asset ist hier die neutrale Position mit dem Blick von außen. Ein weiterer Wachstumsbereich betrifft die Logistik. Ende des Vorjahres wurde der Logistik­dienstleister LogMan gekauft. Das Unternehmen ist ein langjähriger Partner, die ARA transportiert um die 800.000 Tonnen Verpackungen pro Jahr von den Sammelstellen zu den Verwertungs- und Recyclinganlagen und auch zwischen den Anlagen. Wir rechnen uns mit der Verlängerung unserer Wertschöpfungskette gewisse Vorteile aus, indem Synergien genutzt und Leerfahrten vermieden werden.


Report: Gibt es große Trends bei Verpackungen bei Konsumgütern?

Knausz: Viele Menschen haben den Eindruck, dass die Verpackungsmengen stetig wachsen – das Gegenteil ist der Fall. Von 1991 bis 2013 sind die jährlich gemessenen Mengen, in Tonnen gezählt, am österreichischen Markt zurückgegangen. In dieser Zeit hat allerdings die Zahl der Single- und kleineren Haushalte zugenommen, was sich letztlich auf die Verpackungsgrößen auswirkt. Meine Mutter hat vor 40 Jahren das Joghurt ausschließlich im Halbliterbecher gekauft. Ich weiß nicht, ob es solche Größen bei Joghurt heute überhaupt noch gibt. Die Stückzahlen wachsen, die Masse der Verpackungen tut dies aufgrund ständig technischer Verbesserungen nicht. In den letzten 15 Jahren sind zum Beispiel PET-Flaschen um mehr als 30 % leichter geworden. Aludosen und Papier betrifft dies genauso. Der Trend bei Wellpappe geht zur Feinwelle mit einer höheren Stabilität bei geringerem Gewicht. Im Bereich Glas wird an einem Produktionsverfahren für Flaschen gearbeitet, die bei der gleichen Festigkeit um 40 % leichter sein können.

Warnen möchte ich – wenn wir von Trends sprechen – vor zunehmend strengen Lebensmittelgesetzen, die eine Verwendung von recycelten Verpackungen nahezu unmöglich machen und damit die Bemühungen der letzten Jahre konterkarieren.

Auch Umweltziele sollten stets auf ihre Auswirkungen auf das Recycling geprüft werden. So ist die Reduktion der Gesamtmenge einer Verpackungsart in Tonnen gemessen zwar auf den ersten Blick sinnvoll. Wenn die Hersteller dann aber auf dünnwandigere Verpackungen setzen – Beispiel Plastiksackerl – und dafür aus Qualitätsgründen wieder Primärrohstoffe anstatt Recyclingmaterial verbrauchen, ist das nicht im Sinne des Erfinders. Wir brauchen ein Umdenken – Masse ­allein sagt nicht alles aus.



Fakten: Sammelbilanz in Österreich
Bei der Verpackungssammlung in Österreich wurde auch 2016 das hohe Niveau gehalten: Nach einer Hochrechnung der ARA sammelten die Haushalte rund 1,07 Mio. Tonnen Verpackungen und Altpapier, die dem Recyclingkreislauf zugeführt werden konnten. Die Sammelmenge an Leichtverpackungen – überwiegend Kunststoffverpackungen – stieg um 0,9 % auf 165.000 Tonnen. Mit rund 30.000 Tonnen Metallverpackungen wurden 1,9 % mehr gesammelt als im Vorjahr. Die Erfassungsmenge bei Glas erhöhte sich um 0,6 % auf 225.000 Tonnen, während Altpapier mit 647.000 Tonnen stagniert (-0,1 %).

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