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"Firmen profitieren klar davon"

Ronald Bieber, OCG:  "Wir hören oft, dass man die Aufgabenstellungen des ECDL schon irgendwie lösen könne. ›Irgendwie‹ wird man es sicherlich schaffen. Es auch zeitsparend und professionell zu tun, dazu braucht es IT-Kenntnisse,  die wir vermitteln können." Ronald Bieber, OCG: "Wir hören oft, dass man die Aufgabenstellungen des ECDL schon irgendwie lösen könne. ›Irgendwie‹ wird man es sicherlich schaffen. Es auch zeitsparend und professionell zu tun, dazu braucht es IT-Kenntnisse, die wir vermitteln können." Foto: OCG

Ronald Bieber, Generalsekretär der Österreichischen ­Computer Gesellschaft (OCG), spricht über Bildung 4.0 und sieht Effizienzsteigerungen in Unternehmen – wenn AnwenderInnen ihre IT-Basiskenntnisse verbessern.

(+) plus: Die OCG sieht sich als Bindeglied zwischen Wissenschaft und Wirtschaft bei Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT). Sie orten eine Bildungslücke in Österreich – in welchem Bereich?

Ronald Bieber:
Die Digitalisierung und die Schnelllebigkeit von Veränderungen haben nicht nur die Arbeitswelt, sondern auch alle unsere privaten Ebenen erfasst. Digitale Analphabeten haben schlechtere Chancen, Formulare auszufüllen, ihren Urlaub zu buchen, mit anderen in Kontakt zu sein – man ist benachteiligt. Wir sehen die Notwendigkeit des Erwerbs von IKT-Kompetenzen über alle Altersstufen hinweg und eines breiteren Ansatzes der informatischen Bildung. Die Vision eines der Gründungsväter der OCG, Professor Heinz Zemanek, war, die Informatik – später wurde IKT daraus – in Öster­reich zu fördern – nicht aber auf Technik bezogen, sondern auf alle Wechselwirkungen mit Mensch und Gesellschaft. Deshalb ist die Bildung eines unserer Schwerpunktthemen. Wir sagen: Ohne Bildung 4.0 kann es auch keine Industrie 4.0 geben.

(+) plus: Was verstehen Sie unter ­Bildung 4.0?

Bieber:
Bildung 4.0 bedeutet für uns einen ganzheitlichen Ansatz in der informatischen Grundausbildung – für alle Schülerinnen und Schüler, aber auch für jeden Mann und jede Frau. Wir sehen ein Drei-Säulen-Prinzip notwendig. Dies beginnt mit der Fähigkeit zum »computational thinking«, in dem mit konzeptionellem, lösungsorientierten Denken komplexe Problemstellungen auf kleinere Aufgaben heruntergebrochen werden können. Der zweite Bereich betrifft Medienkompetenz, die oft zu Unrecht als einzig wichtige Säule in der modernen Bildung angesehen wird. Und drittens ist der Erwerb von IKT-Anwenderkenntnissen essenziell.

Diese Säulen sollten nun in unserer Gesellschaft verankert werden, teilweise bereits in der Primarstufe beginnend. Wir gehen mit Projekten dazu in die Volksschulen und sehen, dass dies sehr gut ankommt. Eine weitere unserer Forderungen ist eine generelle IKT-Grundausbildung für alle Pädagoginnen und Pädagogen. Dies sollte für Lehrende nicht nur in Informatik, sondern in allen Fächer zur Normalität werden – auch in Deutsch, Geschichte oder Turnen. IKT spielt heute überall eine große Rolle.

(+) plus: Welche Rolle spielt IT in einem Schulfach wie Turnen?

Bieber:
Excel, um ein einfaches Beispiel zu nennen, ist zu einem Standardwerkzeug für Leistungsmonitoring, Trainingspläne und das Aufzeichnen von Tagesverläufen geworden. Mit der Verbindung von Sport und IKT sind auch schon zahlreiche Firmen gegründet worden, nehmen Sie nur das erfolgreiche heimische Startup runtastic, das von Adidas gekauft wurde.

(+) plus: Sollte mit dem Programmieren bereits im Kindesalter begonnen werden – dem Erlernen einer weiteren Fremdsprache gleich?

Bieber:
Wir sagen nicht, dass jedes Kind programmieren können muss. Nötig ist aber die Vermittlung der Fähigkeit eines konzeptionellen, algorithmischen Denkens. Dieses Know-how kann jedem helfen. Programmieren wäre dann ein nächster Schritt in Richtung Fachkräfteausbildung.

(+) plus: Welche Angebote in der informatischen Ausbildung von LehrerInnen gibt es dazu bisher?

Bieber:
Die OCG hat im Auftrag des Bildungsministeriums eine Studie durchgeführt, in der alle Ausbildungsstellen für PädagogInnen auf IKT-Inhalte durchgeleuchtet worden sind. Wir haben den Begriff dabei weit gefasst und auch Medien und Medienkompetenz einbezogen. Trotzdem war das Ergebnis niederschmetternd: Es gibt sehr wenige Inhalte. Schlimmer noch: In der »PädagogInnenbildung Neu«, die nun die Ausbildung an den pädagogischen Hochschulen und Universitäten in Österreich harmonisiert, gibt es in den Curricula noch weniger IKT-Inhalte.

(+) plus: Worauf führen Sie das zurück? Herrscht in Österreich ein Desinteresse an Technik?

Bieber:
Das glaube ich nicht. Es ist weniger eine Frage des Interesses, sondern der herrschende Glaube, dass die Fähigkeit der SchülerInnen, die mit dieser Materie aufwachsen, diese Geräte zu bedienen, ausreichend sei. Wir ziehen eine Wisch-Gesellschaft heran: Die Menschen erlernen zwar rasch, Anwendungen wie WhatsApp oder Facebook zu bedienen – welche Sicherheitseinstellung in den Apps aber geregelt werden sollten oder zu hinterfragen, was mit meinen Daten eigentlich passiert, dieses Bewusstsein fehlt komplett. 2014 hat die OCG in einer Studie 1.500 Leute im Alter zwischen 15 und 60 Jahren um die Selbsteinschätzung ihrer PC-Kenntnisse gebeten. Anschließend wurde ein Praxistest durchgeführt. Das Ergebnis: 78 % hatten sich auf »sehr gut« bis »gut« eingeschätzt, tatsächlich schnitten aber 75 % mit »schlecht« bis »sehr schlecht« ab. Altersbezogen klafft dies bei den Digital Natives noch weiter auseinander. Je älter die Leute werden, desto eher wissen sie, was sie nicht wissen.Der Test wurde repräsentativ für die Bevölkerung in Österreich durchgeführt – darunter fallen also auch die Lehrer. Wir sprechen bei der IKT von einer vierten Kulturtechnik. Digitale Kompetenzen sind bereits etwas so Normales wie Lesen, Schreiben und Rechnen – sie gehören in den Unterricht verankert. Eigentlich sollte es sogar ein eigenes Pflichtfach dazu geben.

(+) plus: Wenn wir etwas in die Zukunft blicken: Wird es aufgrund der wachsenden Automatisierung künftig noch Arbeitsplätze geben?

Bieber:
Es gibt Studien, die behaupten, dass 80 % unserer Arbeitsplätze, wie wir sie heute kennen, innerhalb der nächsten zehn Jahre verschwinden werden. Es werden aber viele neue Berufe entstehen, in Bereichen, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können. Eines ist klar: Gut 90 % der Jobs werden in den nächsten Jahren verstärkt IT-Kenntnisse verlangen. Es ist nicht mehr ausreichend, die junge Generation rein auf starre Berufsbilder wie Frisör oder Kfz-Mechanikerin hinzutrimmen – wir müssen ihr eine breite Basis von Aufnahme- und Lernbereitschaft vermitteln. Bildung 4.0 betrifft aber nicht nur Schulen sondern auch Unternehmen. Für beide Gruppen bieten wir Services wie den Europäischen Computerführerschein, den ECDL (Anm. »European Computer Driving Licence«), an, der eine Win-win-Situation für Arbeitnehmer und Arbeitgeber darstellt. Er wird als Zertifikat für Computer-Anwenderkenntnisse verliehen.

(+) plus: Warum sollten Unternehmen auf den ECDL setzen?

Bieber:
Firmen profitieren klar davon, wenn ihre MitarbeiterInnen entsprechende IT-Kenntnisse besitzen. Dies fängt bei den Lehrlingen an und geht auch stark in den administrativen Bereich – jenen Bereich, in dem mit IT-Lösungen die größten Effizienz- und Ergebnisschübe erreicht werden können. Ein Beispiel, dessen Zahlen auf unterschiedlichen Untersuchungen basieren: Bei einem Unternehmen mit 100 MitarbeiterInnen verbringt wenigstens die Hälfte mindestens vier Stunden Arbeitszeit täglich vor dem PC. Nun kann mit guten IT-Anwenderkenntnissen rund 10 % effizienter gearbeitet werden – alleine mit dem Office-Programmen Word, Excel und Powerpoint ist vieles möglich, von dem nur wenige wissen. Sie können sich vorstellen, dass Sie mit dem passenden Wissen für bestimmte Tätigkeiten statt zehn Minuten nur neun Minuten benötigen. Je nach Lohnkosten kann diese Effizienzsteigerung für dieses Beispielunternehmen bis zu 1.000 Euro pro Arbeitstag ausmachen. Wenn Sie das auf ein Jahr hochrechnen, sehen sie das Riesenpotenzial von Investitionen in die Weiterbildung von IT-Kenntnissen.

Der ECDL ist eine österreichische Erfolgsstory. Er wird in einer internationalen Version in über 100 Ländern angeboten und Österreich befindet sich an weltweit dritter Stelle der verliehenen Zertifikate. Mit dem von der OCG entwickelten IT-Kompetenzcheck »Sophia« können wir in Unternehmen die Mitarbeiter etwa in einer Abteilung auf Kompetenzen und Lücken direkt mit den im Alltag eingesetzten Anwendungen testen. Diese kann man dann in einer Schulung verbessern und mittels Zertifizierung wie dem ECDL abschließen und den Erwerb dieser Kenntnisse belegen. Die Kette Testen, Erlernen und Belegen führt die OCG für Unternehmen durch.


Über die OCG
Die Österreichische Computer Gesellschaft (OCG) wurde 1975 gegründet. Einer der Gründungsväter des Vereins ist der Computerpionier Heinz Zemanek, Erfinder und Bauer des »Mailüfterls«, eines der ersten Transistorrechners Europas. Einen Schwerpunkt in der informatischen Bildung setzt die OCG im schulischen Bereich unter anderem mit dem Wettbewerb »Biber der Informatik« und der »Wiener Zauberschule für Informatik«. Für Schulen und Unternehmen werden Zertifizierung- und Assessment-Services rund um den Europäischen Computerführerschein (ECDL) angeboten. www.ocg.at

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