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Im Zeichen des Klimas

"Wir verbringen rund 90 % der Zeit in Innenräumen. Umso wichtiger sind eine gesunde Umgebung und ein angenehmes Raumklima für das Wohlbefinden. Feuchtigkeit und Schimmel, aber auch trockene Schleimhäute durch vermehrtes Heizen sind Gesundheitsrisiken." "Wir verbringen rund 90 % der Zeit in Innenräumen. Umso wichtiger sind eine gesunde Umgebung und ein angenehmes Raumklima für das Wohlbefinden. Feuchtigkeit und Schimmel, aber auch trockene Schleimhäute durch vermehrtes Heizen sind Gesundheitsrisiken." Foto: Thinkstock

An energieffizientem Planen und Bauen führt kein Weg vorbei. Die Branche arbeitet mit Hochdruck an neuen Materialien und Technologien, um die Umweltverträglichkeit zu optimieren. Herausforderungen stellen sich vor allem in den Bereichen Sanierung und Wiederverwertung.

Gut gedämmt ist halb gewonnen – nämlich Energie, Emissionen und Heizkosten. Energiesparen ist die Maxime unserer Zeit. Seit 2008 muss beim Verkauf oder der Vermietung von Immobilien verpflichtend ein Energieausweis vorgelegt werden. Über die Notwendigkeit, die Energieeffizienz in Gebäuden zu steigern, herrscht inzwischen breiter Konsens. Immerhin sind Gebäude für 40 % des globalen Energieverbrauchs verantwortlich und tragen ein Drittel zu den weltweiten Treibhausgasemissionen bei. Mit der Dämmung von Gebäuden kann deshalb ein wesentlicher Beitrag für einen schonenden und effizienten Umgang mit Ressourcen geleistet werden. Denn am umweltfreundlichsten ist Energie, die gar nicht erst verbraucht wird.

Auch aus medizinischer Sicht führt an guter und richtiger Dämmung kein Weg vorbei. Wir verbringen rund 90 % der Zeit in Innenräumen. Umso wichtiger sind eine gesunde Umgebung und ein angenehmes Raumklima für das Wohlbefinden (siehe Grafik S. 8). »Seit langem ist bekannt, dass es bei Feuchteschäden und Schimmel in Innenräumen u.a. zu Reizungen der Atemwege und vermehrtem Auftreten von Atemwegserkrankungen kommen kann«, erinnert Hans-Peter Hutter vom Departement für Umwelthygiene und Umweltmedizin an der Medizinischen Universität Wien. »Daher beugt man mit einer ausreichenden Wärmedämmung auch Wärmebrücken vor und reduziert damit auch das mit Schimmel einhergehende Gesundheitsrisiko.«

Bild oben: Hochwertige Produkte und qualifizierte Fachleute garantieren Sicherheit und Beständigkeit.

Bei schlechter Dämmung muss mehr geheizt werden, die trockenere Luft reizt wiederum die Schleimhäute der Augen und Atemwege: ein Teufelskreis. Ob wir uns behaglich fühlen, ist von vielen Faktoren – Lufttemperatur, Temperatur von Strahlungsflächen (Stichwort »kalte Wände«), Luftfeuchtigkeit und Luftgeschwindigkeit – abhängig. Zu niedrige, aber auch zu hohe Temperaturen werden gleichermaßen als unangenehm empfunden. Mit dem Klimawandel häuften sich in den vergangenen Sommern Hitzetage und tropische Nächte, die vor allem für ältere und geschwächte Personen belas­tend sind. Verzeichnete man in Wien von 1981 bis 1990 im Schnitt rund zehn extrem heiße Tage, so waren es zwischen 1981 und 2010 bereits rund 15 Tage. Gebäude mit ausreichender Speichermasse bleiben dagegen deutlich länger kühl und beugen hitzebedingter Erschöpfung vor.

Im Winter warm, im Sommer kühl

Viel wurde in den letzten Jahren über Brandschutz und den Lebenszyklus von Gebäuden diskutiert. Wärmedämmverbundsysteme (WDVS) standen dabei wiederholt in der öffentlichen Kritik. Doch kaum eine Branche arbeitet so intensiv an innovativen, klimaneutralen Technologien und Produkten, die auch aus bauphysikalischer Sicht optimale Ergebnisse liefern. Ein Wärmedämmverbundsystem senkt den Heizbedarf auf ein Minimum. Gedämmte Wände halten die Wärme im Haus und kühlen an den Innenseiten weniger stark ab, die warme Raumluft bleibt somit in den Zimmern.

Ab 2021 müssen alle neuen Gebäude dem Niedrigst-Energie-Level entsprechen – die benötigte Energie wird weitestgehend reduziert und stammt nach Möglichkeit aus erneuerbaren Quellen. In Österreich übertreffen bereits viele Gebäude diese Anforderungen, etwa Passivhäuser, die Energie aus Sonnenenergie oder Abwärme gewinnen. Bei älteren Häusern bedeutet die thermische Sanierung oftmals eine Herausforderung. Bauliche Maßnahmen, die Wärmeverluste durch die Gebäudehülle – Außenwände, Keller, Dach – verhindern bzw. reduzieren, rechnen sich jedoch in jedem Fall. Häufig ist Aufdoppelung das Mittel der Wahl, um die Dämmleistung zu erhöhen. Bei historischen Fassaden gilt es, die ursprüngliche Optik mit Gesimsen, Zierprofilen und Stuckaturen zu erhalten bzw. wiederherzustellen.

Bild oben: Wärmedämmung senkt den Heizbedarf auf ein Minimum – in Zeiten des Klimawandels ein absolutes Muss.

Lange Zeit als »Schmutzfinken« verteufelt, sind die WDVS-Hersteller auf dem besten Weg, sich zu Umweltmusterschülern zu mausern. Das umweltschädliche Flammschutzmittel HBCD ist seit 2015 aus allen Dämmstoffen verbannt. Aber auch für kontaminierten Bauschutt bahnen sich Lösungen an. Um sortenreines Trennen der einzelnen Komponenten zu vereinfachen, entwickelte der Fassadenspezialist Sto gemeinsam mit der TU Graz ein Klettverschluss-System, das ohne Kleber auskommt.

Dämmstoffe aus Polystyrol halten ein Gebäudeleben lang und darüber hinaus. Durch die zukunftsweisende CreaSolv-Technologie scheint es möglich, dass schon bald ein massentaugliches Recyclingverfahren für rückgebaute EPS-Systeme zur Verfügung steht. Eine Pilotanlage in den Niederlanden geht noch heuer Betrieb, die bisherigen Testdurchläufe zeigten erste Erfolge. Die unterschiedlichen Materialien – darunter expandiertes Polystyrol und Brom – konnten in hoher Effizienz ausgelöst und abermals für Dämmstoffe verwendet werden, somit also im Rohstoffkreislauf bleiben. Besonders erfreulich: Unternehmen und Organisationen entlang der gesamten Wertschöpfungskette ziehen bei diesem Non-Profit-Projekt an einem Strang.

Bild oben: Aufdoppelung ist häufig das Mittel der Wahl bei der thermischen Sanierung von alten Gebäuden.

Auch wenn sich die Dämmstoffabfälle mengenmäßig noch in Grenzen halten, sei es höchste Zeit, eine funktionale Technologie zu erarbeiten, wie Roman Eberstaller, CEO von Sunpor, die Beteiligung erklärt: »Prinzipiell entwickeln wir jetzt eine Lösung für ein Problem, das sonst zukünftige Generationen beschäftigen würde.«

Ökologische Alternativen

Gleichzeitig entwickelt und forscht die Branche beharrlich an neuen Materialien, die über noch bessere Verarbeitungs- und Dämmeigenschaften verfügen. Auch nach Alternativen zu dem aus Erdöl gewonnenen Polystyrol wird gesucht. Capatect räumte für die gemeinsam mit dem oberösterreichischen Unternehmen Naporo entwickelte Hanffaser-Dämmplatte bereits mehrere Auszeichnungen ab, darunter den österreichischen Klimaschutz-Preis. Der zur Faserherstellung verwendete THC-freie Industriehanf stammt aus dem Weinviertel und Böhmen, die Verarbeitung erfolgt in Haugsdorf.

Einem Forscherteam des Instituts für Holzforschung in Braunschweig gelang die Herstellung eines formstabilen Dämmschaums aus Holzresten, die mit Wasser vermischt und mit einem speziellen Gas aufgeschäumt werden. Druckfestigkeit und Wärmeleitfähigkeit entsprechen in etwa den Werten von Polystyrol und Holzfaserdämmplatten, das Brandverhalten des »ökologischen Styropors« ähnelt Naturfaserdämmstoffen. Der Vorarlberger Baustoffspezialist Röfix ist Vorreiter in der Verwendung von Aerogel. Dieser rein mineralische Rohstoff auf Kalkbasis erreicht wesentlich bessere Werte bei der Wärmeleitfähigkeit als herkömmliche Dämmstoffe.

Bild oben: Hans-Peter Hutter, MedUni Wien: »Mit einer ausreichenden Wärmedämmung beugt man Gesundheitsschäden vor.«

In Zukunft muss ein Dämmstoff vermutlich mehr können als nur dämmen. Superisolationsmaterialien ermöglichen besonders schlanke, leichte oder bauphysikalisch ausgeklügelte Systeme, die nicht nur die Wärmeleitfähigkeit, sondern auch den Feuchte-haushalt eines Gebäudes optimieren. Neben Fragen des Raumklimas, der Lebensdauer und der Wiederverwertung kommt auch der Oberflächenbeschaffenheit der Dämmstoffe mehr Bedeutung zu. Getestet werden bereits verschiedene Arten von Beschichtungen, die bei Schlagregen oder Tau die Poren verschließen können, Algen- und Schimmelbildung verhindern, Feinstaub absorbieren oder den Schallschutz verbessern.

Hohe Standards

Oftmals sind es strenge Regulative, die der Baubranche indessen das Leben schwer machen. »Seit Jahren sind EU-Beamten damit beschäftigt, immer mehr und vor allem strengere Bauvorschriften zu erlassen. Überlegungen, wie zum Beispiel leistbares Wohnen aussehen könnte, werden offensichtlich nicht angestellt«, kritisiert Georg Bursik, Geschäftsführer der Baumit GmbH. »Die Politik darf einfach nicht beeinflussen, welche Baustoffe zum Bauen verwendet werden oder wie viel Technik ein Haus haben muss. Die Menschen müssen selbst entscheiden dürfen, ob sie anstelle einer kontrollierten Wohnraumlüftung lieber Massivwände mit einem mineralischen Innenputz haben wollen.«

Grafik: Bei einer Raumtemperatur von 19°C bis 22°C liegt die relative Luftfeuchtigkeit im Idealfall zwischen 40 % und 60 % 

Neben strikten Prüfwerten und Verarbeitungsrichtlinien sorgt auch der Systemzwang bei WDVS für Kontroversen. Während in Deutschland und Österreich alle Komponenten von einem Hersteller bezogen werden müssen, gibt es eine solche Verpflichtung in Südtirol, der Schweiz und Liechtenstein nicht.

Die Verwendung von Materialien unterschiedlicher Hersteller wirft jedoch die juris­tische Frage auf, wer die Haftung im Schadensfall trägt. Gerade beim Bauen, das auf Qualität, Langlebigkeit und Ökologie ausgerichtet ist, braucht es grundlegende Kriterien. Sämtliche technische Prüfungen auf Basis der EOTA- und Brandschutz-Richtlinien erfolgen im System und gewährleisten Beständigkeit und Sicherheit. Wie der verheerende Brand des Londoner Grenfell Towers zeigte, dürfen hohe Sicherheitsstandards nicht vernachlässigt werden. »Ein Brandszenario, wie es sich in London darstellte, ist weltweit nicht zu verhindern – die Auswirkungen jedoch sehr wohl«, meint Gerhard Reßlehner, verantwortlich für das Brandschutzingenieurwesen beim Österreichischen Bundesfeuerverband. »Eine Liberalisierung von Rechtsvorschriften hat wohl ihre Berechtigung, bei Gefährdung von Menschen ist dies jedoch nicht zu akzeptieren.«

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