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Die große Umfrage: 12-Stunden-Tag

Die große Umfrage: 12-Stunden-Tag Foto: Thinkstock

Die Arbeitswelt und mit ihr die Arbeitszeiten sind im Umbruch. Der internationale Trend geht in Richtung kürzere Arbeitszeiten: Amazon testet kürzere Arbeitstage und 4-Tage-Wochen. In einem Toyota-Werk in Göteborg stiegen nach der Umstellung von 40 auf 30 Wochenstunden Produktivität und Gewinn massiv an. Die österreichische Regierung schlägt den entgegengesetzten Weg ein und will die generelle Höchstgrenze der Arbeitszeit auf zwölf Stunden täglich und 60 Stunden wöchentlich anheben. Was sagen ExpertInnen dazu?
Report(+)PLUS hat nachgefragt.

1.Welche Veränderungen bringt die Anhebung der Höchstarbeitszeit?

Karl-Heinz Strauss

CEO der Porr AG

Die Baubranche ist stark zyklisch geprägt. Unser tägliches Geschäft wird von unterschiedlichen Faktoren beeinflusst – vor allem vom Wetter. Die Anhebung von zehn auf zwölf Stunden Tageshöchstarbeitszeit bringt erhöhte Flexibilität. Wobei ein Punkt in diesem Zusammenhang ganz wichtig ist: Wir sprechen nicht von einer generellen Ausweitung der Normalarbeitszeiten. Es geht um mehr Spielraum innerhalb des definierten Rahmens von maximal zwölf Stunden Tageshöchstarbeitszeit.

Christoph Wolf

Partner CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte

Geplant ist die Anhebung der Höchstgrenze auf zwölf Stunden pro Tag und 60 Stunden pro Woche. Nach der für den österreichischen Gesetzgeber bindenden EU-Arbeitszeitrichtlinie darf die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit maximal 48 Stunden betragen. Innerhalb dieser Grenzen sieht das Arbeitszeitgesetz beschränkte Überstundenkontigente vor, die nicht ausgeweitet werden sollen. Es wird daher künftig generell nur an wenigen einzelnen Tagen zulässig sein, bis zu zwölf Stunden zu arbeiten.

Daniela Haluza

Assistenzprofessorin am Zentrum für Public Health der Medizinischen Universität Wien

Die Verdichtung der Arbeitszeit durch die voranschreitende Digitalisierung der Arbeitswelt führt zu einer Mischung von Arbeits- und Privatleben. Dieses Phänomen heißt Work-Life-Blending. Mit 41,5 Stunden pro Woche arbeiten ÖsterreicherInnen ohnehin schon mehr als der EU-Durchschnitt. Eine Anhebung der Höchstarbeitszeit auf zwölf Stunden widerspricht den Erkenntnissen der Erholungsforschung. International ist daher ein Trend zu Arbeitszeitverkürzung zu beobachten, mit positiven Auswirkungen auf Leistungsfähigkeit und Zufriedenheit der Bediensteten.


2. Wären die bisherigen Ausnahmeregelungen aus Ihrer Sicht ausreichend?

Karl-Heinz Strauss

Für Branchen, die sehr stark an Zyklen oder auch an Wetterverhältnisse gebunden sind – wie eben die Baubranche –, sind die bisherigen Ausnahmeregelungen nicht ausreichend. Aus unserer Sicht wäre auch die Abschaffung von Wochenhöchstarbeitszeiten wünschenswert. Ein Jahresarbeitszeit-Modell, das keine Wochenhöchstarbeitszeiten und Tageshöchstarbeitszeiten von zwölf Stunden vorsieht, brächte für alle Beteiligten einen Mehrwert.

Christoph Wolf

Nein, sie sind nicht ausreichend. Arbeitszeiten bis zu zwölf Stunden sind derzeit nur in wenigen Fällen erlaubt – etwa bei vorübergehend auftretendem besonderen Arbeitsbedarf zur Verhinderung eines unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Nachteils, wenn eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen wurde. Diese Möglichkeiten sollen zukünftig allen Unternehmen mengenmäßig beschränkt zur Verfügung stehen, um einzelne Tage mit erhöhtem Arbeitsbedarf abdecken zu können.

Daniela Haluza

Branchenspezifische Sonderbestimmungen sind meist das Ergebnis zäher Gewerkschaftsverhandlungen und stellen einen Kompromiss vieler Partikularinteressen dar. Eine gesetzliche Limitierung der Arbeitszeit kann in manchen Branchen durchaus vor Selbstausbeutung der Bediensteten schützen. Die geplante Verkürzung der Ruhezeit von elf auf acht Stunden in der Hotellerie oder der Gastronomie kann erhebliche Ermüdung mit erhöhter Unfall- und Fehlerhäufigkeit verursachen. Erfreulich ist die geplante Ausweitung des NichtraucherInnenschutzes am Arbeitsplatz.


3. Welche Auswirkungen hat die Flexibilisierung der Arbeitszeit auf die Lebensqualität?

Karl-Heinz Strauss

Ich bin immer wieder mit unseren gewerblichen Kollegen in Kontakt. Viele begrüßen flexiblere Arbeitszeiten – natürlich abgestimmt mit ihnen und mit einem fairen Ausgleich. Vor allem Kollegen, die nicht an ihrem Wohnort arbeiten, sind froh, wenn sie ihr Arbeitspensum von Montag bis Donnerstag absolvieren und am Freitag schon zu Hause sein können.
Die Einführung eines Jahresarbeitszeitkontos brächte auch finanzielle Vorteile: Durch die Sicherung einer möglichst ganzjährigen Beschäftigung käme es zu einer Verstetigung des Einkommens. Für Pensionen wären die Durchrechnungszeiträume länger, Pensionsansprüche würden sich erhöhen, aber auch Urlaubsansprüche und die Abfertigung. Im Winter gäbe es weniger Arbeitslose, was zu einer Entlastung des AMS führen würde. Und nicht zuletzt sichern all diese Punkte etwas ganz Wesentliches: die Wettbewerbsfähigkeit der Baubranche.

Christoph Wolf

Die Auswirkungen können nur gering sein. 12-Stunden-Arbeitstage sind nur an einzelnen Tagen im Jahr zulässig. Daran, dass Arbeitnehmer zu Überstundenarbeit nur dann herangezogen werden dürfen, wenn berücksichtigungswürdige Interessen nicht entgegenstehen, soll nichts geändert werden (§ 6 Abs 2 AZG). Lassen sich daher Beruf und wichtige private Interessen nicht vereinbaren, dann ist auch zukünftig ein 12-Stunden-Tag unzulässig.

Daniela Haluza

Aus Studien wissen wir, dass der Gesundheitszustand und das soziale Wohlbefinden der Bediensteten mit dem Grad der Selbstbestimmung steigen. Fremdbestimmte Arbeitszeitmodelle sind hingegen meist mit unregelmäßigen Arbeitszeiten zu biologisch und sozial ungünstigen Zeiten abends oder am Wochenende verbunden. Wenn Arbeitszeit flexibel gestaltbar ist und daher an die tatsächlichen Lebensrealitäten der Bediensteten angepasst werden kann, erhöht sich durch die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Freizeit automatisch auch die
Lebensqualität.

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