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»Stolz auf das Gesamtkunstwerk Wien«

»Wir kämpfen um jeden Arbeitsplatz. Wien muss zusätzlich zur Stadt der Kultur auch eine Stadt des Wissens werden.« »Wir kämpfen um jeden Arbeitsplatz. Wien muss zusätzlich zur Stadt der Kultur auch eine Stadt des Wissens werden.«

Im Interview mit Report(+)PLUS spricht der Wiener Bürgermeister Michael Häupl über eine neue Art des Regierens, den Wiener Weg in der Flüchtlingsfrage und wie er als Bürgermeister in Erinnerung bleiben möchte.

(+) plus: Der Report Verlag feiert sein 20-jähriges Jubiläum. Sie sind seit 22 Jahren im Amt. Wie hat sich Wien in dieser Zeit verändert?

Michael Häupl: Wien hat sich zu einer modernen und weltoffenen Metropole entwickelt. Die Chancen, die sich aus dem Fall des Eisernen Vorhanges und dem EU-Beitritt ergeben haben, konnten wir bestmöglich nutzen. Damit ist Wien als Ost-West-Drehscheibe politisch und wirtschaftlich in das Zentrum Europas gerückt.

(+) plus: Worauf sind Sie besonders stolz?

Michael Häupl: Ich bin stolz auf das Gesamtkunstwerk Wien. Dass wir in internationalen Rankings immer wieder mit Topwertungen benotet werden, ist ja kein Zufall. Ohne in überbordendes Eigenlob verfallen zu wollen, denke ich, bei Stichworten wie Hauptbahnhof, U-Bahn-Ausbau, Biosphärenpark Wienerwald, Krankenhaus Nord, Gratiskindergarten oder neuer Stadtteile wie etwa der Seestadt Aspern muss ich mich nicht verstecken.

(+) plus: Nach der Gemeinderatswahl im vergangenen Herbst sagten Sie, Wien müsse neu regiert werden. Was wollen Sie konkret ändern?

Häupl: Wir müssen nicht nur mehr auf die Menschen zugehen und ihnen besser zuhören, sondern auch danach handeln. Nur so können wir helfen und damit Ängste nehmen und Sorgen entkräften.

(+) plus: Einer der großen Brocken in Wien ist die Schaffung von Arbeitsplätzen. Immer mehr Betriebe wandern aus der Stadt ab. Wie sieht Ihre Gegenstrategie aus, um den Standort attraktiver zu gestalten?

Häupl: Wir kämpfen um jeden Arbeitsplatz in der Stadt. Unser Fokus liegt jedoch in der Zukunft. In den Bereichen Wissenschaft, Forschung, Technologie und Innovation liegen die Jobs für die kommenden Generationen. In diesen Feldern wächst der Wohlstand von morgen, dort entstehen die Arbeitsplätze für unsere Kinder und unsere Enkel. Wien muss zusätzlich zur Stadt der Kultur auch eine Stadt des Wissens werden.

(+) plus: Der Wirtschaftsbund ortet ein »unternehmerfeindliches Klima«. Können Sie diese Einschätzung nachvollziehen?

Häupl: 50 % aller Investments in Österreich werden in Wien getätigt. Das spricht wohl eine eindeutige Sprache.

(+) plus: In der Verkehrsinfrastruktur steht derzeit die neue U-Bahn-Linie, die U5, im Fokus. Nach Meinung von Experten wären bald noch zwei weitere Linien nötig. Gibt es in diese Richtung bereits Überlegungen?

Häupl: Die Expertinnen und Experten der Stadt sind laufend am Rechnen und Planen. Aber zunächst setzen wir jetzt einmal die U5 um.

(+) plus: Das Flüchtlingsthema wird zusehends zur politischen Belastungsprobe. Wien fährt einen eigenständigen Kurs. Ist das zielführend?

Häupl: Wir sind das einzige Binnenbundesland, ohne Staatsgrenze. Aber städtische Ballungsräume sind für Menschen auf der Flucht natürlich Anziehungspunkte. Deswegen stehen wir in Wien für Menschlichkeit und Ordnung. Das heißt, allen, die Hilfe brauchen, muss geholfen werden, dabei müssen aber gleichzeitig geordnete und kontrollierte Strukturen sichergestellt sein. Das ist in meinen Augen der einzig zielführende Weg.

(+) plus: Im März gab es Proteste gegen eine Flüchtlingsunterkunft in Liesing. Schüren nicht gerade Großquartiere wie diese Unmut und Ängste in der Bevölkerung, die Gegner der Asylpolitik für sich nützen?

Häupl: Wie es auch schon unser Flüchtlingskoordinator Peter Hacker, der übrigens hervorragende Arbeit leistet, gesagt hat: Niemand will Großquartiere, manchmal geht es organisatorisch leider nicht anders. Zu Unmut und Ängsten der Menschen: Ja, die gab es. Wenn man sich heute in der direkten Umgebung der Quartiere umhört, ist die Lage schon wesentlich entspannter. Das ist ein allgemeines Phänomen – die Ängste und Sorgen der Menschen sind genau in den Gebieten am größten, die am weitesten von den untergebrachten Flüchtlingen entfernt sind.

(+) plus: Die Anzahl der Strafanzeigen ist in Wien gesunken. Das subjektive Empfinden der Bevölkerung zeigt jedoch das Gegenteil. Wie kann dem Bedürfnis nach Sicherheit entsprochen werden?

Häupl: Wir arbeiten in diesem Themenbereich sehr erfolgreich und gut mit der Polizei zusammen, die für Sicherheit verantwortlich ist. Darüber hinaus setzen wir natürlich mit allen uns zu Verfügung stehenden Mitteln Maßnahmen um, damit Wien auch in Zukunft die sicherste Stadt der Welt bleibt und das auch wieder in der subjektiven Wahrnehmung der Menschen Einzug hält.

(+) plus: Bildung gilt als Schlüssel zur Integration. Laut OECD zeigt in Österreich aber auch noch die zweite Generation ehemaliger Zuwanderer massive Defizite. Fast jeder vierte Jugendliche mit Migrationshintergrund hat weder Job noch Ausbildung. Was läuft hier falsch?

Häupl: Wien ist eine Stadt, in der alle, ungeachtet von Herkunft und Sozialisierung, die gleichen Chancen auf die bestmögliche Bildung haben und diese auch erhalten sollen. Wenn wir das konsequent und erfolgreich umsetzen, wird es keine Probleme
geben.

(+) plus: Die Gesamtschule wird bereits seit 1972 in Schulversuchen erprobt, neuerdings in sogenannten »Modell-Regionen«. Werden Sie die Umsetzung in den Regelschulbetrieb noch in Ihrer Amtszeit erleben?
Häupl: Hoffentlich ja.

(+) plus: Womit wollen Sie als Bürgermeister in Erinnerung bleiben?

Häupl: Mit einer sozial gerechten Stadt des Wissens und von höchster Lebensqualität, die alle Voraussetzungen erfüllt, damit unsere Kinder und Kindeskinder auf diesem weltweit anerkannten Niveau in Frieden leben können.

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