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Geburtshelfer für Mobilfunk

Michael Krammer: "Der Druck auf die Mobilfunkbetreiber lässt jetzt ein wenig nach. Die Margen im Telekommunikationsgeschäft steigen wieder." Michael Krammer: "Der Druck auf die Mobilfunkbetreiber lässt jetzt ein wenig nach. Die Margen im Telekommunikationsgeschäft steigen wieder." Foto: Ventocom

Branchenveteran Michael Krammer ist Gründer und Geschäftsführer des Mobilfunk-»Enablers« ventocom. Er spricht über neue Geschäftsmodelle, Veränderungen im  Mobilfunkgeschäft und warum er nicht von dieser Branche lassen kann.

Ex-Orange-Boss und Rapid-Präsident Michael Krammer ist wieder am heimischen Mobilfunkmarkt aktiv. Der ehemalige Geschäftsführer und Vorstand bei Unternehmen wie tele.ring, der deutschen E-Plus und Orange bietet auf Basis eines »Mobile Virtual Network Operator (MVNO)«-Modells Unternehmenskunden eigene Mobilfunkmarken an. Ventocom nutzt das T-Mobile-Netz und will den Markt von der »virtuellen« Seite her aufmischen. Für sein Mobilfunkprodukt HoT hat Krammer in Hofer einen ersten Großkunden gefunden. Der Vertrieb der SIM-Karten über die Hofer-Filialen wurde Anfang des Jahres gestartet.

Report: Herr Krammer, warum lässt Sie der Mobilfunk nicht los?

Michael Krammer:
Ernst Happel wurde einmal gefragt – er war damals schon deutlich über 60 – warum er immer noch Fußballtrainer ist und nicht längst im Sportmanagement. Er hat geantwortet: »Man soll immer nun das machen, was man kann. Alles andere ist ineffizient.« Daran halte auch ich mich. Der Mobilfunkmarkt übt auf mich eine große Faszination aus. Ich bin mit dieser Branche mitgewachsen, war von Anfang an dabei. Die vielen gesammelten Erfahrungen kann ich nun in mein eigenes Unternehmen einbringen und kann sie verwirklichen – mit einem hervorragenden Team, das fast den gleichen Werdegang hat.

Report: Was sind Ihre Ziele für heuer?

Krammer:
Das wesentliche Ziel, mit einem ersten großen Partner ein Produkt zu launchen, haben wir mit Hofer und »HoT« schon erreicht. Möglicherweise werden wir im Laufe des Jahres einen weiteren Partner in den Mobilfunkmarkt bringen.

Report: Sie brauchen mehrere Partner, um ihr Geschäft zu stabilisieren?

Krammer:
Brauchen nicht, aber wollen. Mit Hofer als Vertriebspartner haben wir schon die Nummer eins, den besten Partner, den man auf diesem Gebiet bekommen kann. In Österreich gibt nicht viele Unternehmen, die darüber stehen würden. Das war unser Meilenstein. Was jetzt kommt, ist eine Verbreiterung unseres Portfolios, eine Abrundung des Geschäftsmodells. Dies ist für uns aber nicht überlebensnotwendig.

Report: Wird es ein spezielles Angebot von ventocom für Rapid geben?

Krammer: Man muss hier weitere Entwicklungen abwarten. Wenn es eines geben wird, dann sicherlich erst gegen Jahresende.

Report: In den vergangenen Jahren hatte der Mobilfunkmarkt mit Übersättigung und Konsolidierung zu kämpfen. Heuer treten wieder neue Marken in Österreich auf. Verträgt das der Markt überhaupt?

Krammer:
Das kommt ganz auf das Geschäftsmodell der MVNOs an. Die Konsolidierung des Marktes auf drei Infrastrukturbetreiber (Anm. A1, T-Mobile und Hutchison) war notwendig. Die Betreiber können sich nun wieder ordentlich auf den Netzausbau konzentrieren. Doch je besser die Infrastrukturen vermarktet werden, desto effizienter ist dies auch für diese Unternehmen. Für sie treten Skaleneffekte ein, sie haben zusätzliche Einnahmen und können besser in die Netze investieren.

Eine größere Markenvielfalt kann aber nicht ausschließlich mit herkömmlichen Geschäftsmodellen argumentiert werden. Würde ein MVNO quasi Mobilfunkunternehmen mit eigenem Marketing, Vertrieb und Shop-Struktur spielen, wäre das von Beginn an ein Flop. Anders bei einem alternativen Modell: So ist etwa bei UPC der Mobilfunkservice (Anm. Start des Angebots im Dezember 2014) ein Zusatzprodukt für die eigenen Kunden, die man bereits mit Internet, Festnetz und Kabel bedient.

Wir setzen bei unserem Geschäftsmodell auf Partner, die bereits über vier Dinge verfügen: eine starke Vertriebsmacht, viele Kunden, ein großes Marketingbudget und eine starke Marke. Diesen Partnern bieten wir Mobilfunk unter ihrer Marke an. Damit braucht auch Hofer keinen einzigen Mitarbeiter extra, keine weitere Geschäftsstelle und keinen Werbecent mehr, um eine Mobilfunkmarke zu erfinden und zu betreiben. Es geht hier um die Einsparung von 20 bis 25 % des Umsatzes in diesem Geschäft. Das macht den großen Unterschied.

Report: In welche Richtung werden sich Mobilfunkangebote generell bewegen? Wird es nun wieder günstiger?

Krammer:
Das, was Hofer vormacht, wurde von einem Ihrer Kollegen schon als Do-it-yourself-Mobilfunk bezeichnet. Es wird sicherlich weiterhin eine kleine Anzahl Kunden geben, die direkte Betreuung im Geschäft brauchen. Die Mehrheit will aber weder von Geschäftszeiten noch von Hotlines abhängig sein. Diese Kunden werden sich vielleicht am Abend in Ruhe den Tagesverbrauch anschauen wollen, können jederzeit Funktionen selbst einstellen – etwa eine Sperre von Mehrwertnummern per Knopfdruck aktivieren – und auch den Tarif flexibel wechseln. Diese Self-Service-Möglichkeiten, die wir in der HoT-App und am HoT-Portal umgesetzt haben, gibt es in ganz Eu­ropa kein zweites Mal. Die Endkunden sehen transparent und aktuell wie nie zuvor ihren Verbrauch und können gebührenfrei vieles selbst einstellen. Hofer bietet ja nur offene Geräte an. Eine Bindung an Mobilfunkbetreiber gibt es nicht.

Report: Sind Sie als ehemaliger Vorstand eines Netzbetreibers froh, nicht mehr direkt mit dem Handset-Geschäft zu tun zu haben?

Krammer:
Definitiv. Ich habe anlässlich der Medientage in Wien vor einigen Jahren provokant gemeint, dass wir Mobilfunker allesamt ›feste Idioten‹ wären. Ich habe es damals durchgerechnet: Der Quartalsgewinn, den Apple zu diesem Zeitpunkt auswies, entsprach den Endgerätesubventionen durch die Mobilfunkbetreiber weltweit. Vereinfacht dargestellt haben die Netzbetreiber Apple die Gewinne beschert. Das ist sicherlich ein Auslaufmodell. 24-Monate-Verträge wird es nicht mehr geben und auch keine Stützung der Gerätepreise. Mir zahlt ja auch nicht die OMV mein Auto, wenn ich zwei Jahre bei ihr tanke.

Report: Sie glauben, die Endgeräte werden offen für alle Netze direkt von den Herstellern vertrieben werden?

Krammer: Ja, und weiterhin auch über den Fachhandel wie beispielsweise Hartlauer und MediaMarkt. Dort gibt es saubere Kalkulationen mit den nötigen Margen für die gesamte Wertschöpfungskette. Einem Mobilfunker ein paar Millionen Endgeräte hinzuschieben, damit dieser subventioniert den Absatz stützt – das wird dagegen aufhören. Die Kunden zahlen bei diesem Modell ja über höhere Tarife kräftig bei den Gerätekos­ten mit, ohne es zu merken. Wir sprechen hier von Gesamtkosten von bis zu dem Doppelten des reinen Gerätepreises.

Report: Wie intensiv ist der Wettbewerb der Mobilfunkmarken verglichen mit anderen Ländern in Europa?

Krammer:
Österreich hinkt hier eindeutig nach. Es wurden ja erst durch den Zusammenschluss von Drei und Orange die Voraussetzungen geschaffen, dass MVNOs ihren Platz im Markt bekommen. Richtige virtuelle Betreiber hat es zu unserem Markteintritt ja nicht gegeben – das waren ja alles nur Submarken der Netzbetreiber. bob und Red Bull Mobile können Sie in A1-Shops kaufen, yesss! war eine Submarke von Orange und gehört nun ebenfalls zu A1.
Dass dies so spät in Österreich ankommt, hat auch mit den geringen Tarifen der vergangenen Jahre zu tun. Aufgrund der niedrigen Endkundenpreise und gleichzeitig hohen Wholesaletarifen hat sich das einfach nicht gerechnet. Durch den regulierten Kauf von Orange durch Drei ist nun ein Markt entstanden, der auch genutzt wird. In anderen Ländern gibt es bereits schon viele Jahre Angebote von erfolgreichen MVNOs. Sie müssen nur nach Deutschland schauen: »ALDI Talk« hat zehn Millionen Kunden.

Der Druck auf die Mobilfunkbetreiber lässt jetzt ein wenig nach. Die Margen im Telekommunikationsgeschäft steigen wieder. Dies ist der jüngsten Konsolidierung geschuldet, aber auch einem anderen Faktor. Datendienste im Mobilfunk sind ein  Produkt mit einer unglaublich stark wachsenden Nachfrage. Welchen Markt gibt es auf dieser Welt, in dem sich die Nachfrage jährlich verdoppelt? Das sind ganz wenige. Man hat mittlerweile erkannt, wie man dieses Wachstum mit der richtigen Tarif- und Produktgestaltung auch zu Geld machen kann.

Die Mobilfunkpenetration in Österreich liegt aktuell bei rund 150 %. Wenn man nur einem Bruchteil von dem glaubt, wie Geräte künftig auch direkt miteinander kommunizieren werden, ist eine Steigerung auf 300 bis 400 % in den kommenden Jahren möglich. Hier werden völlig andere Geschäftsmodelle nötig sein, die nicht mehr von einem Durchschnittsumsatz von 20 bis 30 Euro pro Kunde, sondern von wenigen Cent oder einem geringen Fixbetrag ausgehen.

Last modified onDienstag, 03 Februar 2015 14:07
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