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Laufender Prozess
Kreislaufwirtschaft ist ein Boom, der sich aus einer Notwendigkeit entwickelt. Der Earth Overshoot Day fiel in Österreich heuer bereits auf den 29. März, die Ressourcen werden weniger. Der Bau & Immobilien Report hat sich angesehen, wie der Status quo der Kreislaufwirtschaft am Bau ist.

In der Theorie liest sich alles einfach. Mindestens 90 % des Abbruchmaterials müssen für Wiederverwendung bzw. Recycling vorbereitet werden, bei Gebäuden braucht es Entwurfskonzepte für Anpassungsfähigkeit und Rückbau, Höchstmengen bei verwendeten Primärrohstoffen (Beton, Ziegel, Glas, Metall, Gips …) gilt es einzuhalten. (Auszug Umweltziel 4 der EU-Taxonomie) Die Praxis sieht vielfach noch anders aus. Wertvolle Materialien gehen verloren beziehungsweise landen im Downcycling. Verklebte Dämmungen, geflämmte Abdichtungen und z. B. Stahlbeton bieten keine gute Grundlage, um Materialien sortenrein wiederzuverwenden.
»Für die Zukunft braucht es neue Verbindungsmöglichkeiten und Konstruktionen, Wiederverwertung muss bereits vor dem Einbau mitbedacht werden«, fordert Simone Grassauer von der Umweltberatung Scale. Bauen muss ganzheitlicher gedacht werden, alle Lebenszyklusphasen sind zu berücksichtigen. »Gerade die letzte Phase schafft Mehrwerte.« Für ein breites Ausrollen von Re-Use ist es laut AEE Intec erforderlich, dass Akteure der Bauwirtschaft ihr Angebot anpassen, sich neue Berufsbilder entwickeln und Produkthersteller Loop-Produkte in allen Bauproduktklassen sowie Dienstleistungen zur Produktprüfung anbieten. Rückbauunternehmen müssen sich um den Re-Use-orientierten Rückbau kümmern und die Rückgabe organisieren.
Der Markt fehlt
Eine höhere Quote scheitert u. a. noch an fehlender Infrastruktur, fehlenden wirtschaftlichen Anreizen, regulatorischen Barrieren, mangelndem Fachwissen und logistischen Herausforderungen. »Viele Materialhersteller setzen sich mit Recycling auseinander, sie sagen aber, der Rücklauf von Materialien ist noch gering«, berichtet Grassauer. Es gibt inzwischen einen sehr lebendigen Diskurs sowohl in Planung als auch Materialherstellung und Bauausführung. Entscheidender Hemmschuh bei Re-Use ist die Tatsache, dass sich noch kein entsprechender Markt gebildet hat, keine Plattformen entwickelt wurden und gute Regulatorien fehlen.
In der Schweiz zeigt die Baustoff- und Materialbörse in Kassel eine mögliche Lösung. Eine wesentliche Hürde ist auch der Versicherungsbereich. Hier fehlen laut Grassauer umfassende Lösungsansätze. Robert Lechner, Geschäftsführer des Österreichischen Ökologie-Instituts, berichtet von einem größeren Entwicklungsprogramm, das am Abgleich der technischen Anforderungen für Neubauprodukte für Re-Use-Bauteile arbeitet. »Wir bemessen die vom BauKarussell zurückgeholten Komponenten an Neubauanforderungen. Da wird man dann sehen, dass vieles problemlos wiederverwendbar ist, manches mit Ertüchtigungsaufwand und manches momentan gar nicht. Diese Arbeit braucht es, damit sich auch Versicherungen leichter tun.«
Bild: Der Wiederverwendung ganzer Ziegelwände widmet sich derzeit ein Konsortium rund um die TU Graz und Wienerberger. Die Lebensdauer von Ziegeln soll von jener des Gebäudes entkoppelt werden.
Neues Baudenken
Bauen im Kreislauf braucht laut Simone Grassauer integrale Planung. »Es ist ein Miteinander von Bauherr*in, Planer*in und Bauausführenden von Anfang an, egal ob bei Neubau oder Sanierung.« Vor allem die neue, junge Generation sei dafür offen. Für Robert Lechner bedarf es einer Rücknahmegarantie für Baustoffe und Bauteile durch die Produktionsbetriebe. »Bei Gipsprodukten tut sich da bereits einiges, auch in der Fenster- und Bodenproduktion. In Gebäuden mit niedrigem Energiebedarf kommen gegenwärtig immer mehr die Warmmieten zum Einsatz, warum nicht in Zukunft auch eine echte Grünmiete, nachhaltiger Rückbau und Bestandsentwicklung inklusive?«
Laut Ökologieinstitut gibt es inzwischen immer mehr Planungsbüros, die bereits beim Erstentwurf über die Zerlegbarkeit in zig Jahren nachdenken. »Für die Stadt Wien entwickeln wir derzeit den Orientierungsleitfaden Zirkularitätsfaktor, damit kreislauffähiges Bauen ab 2030 in Neubau wie Sanierung im Planungs- und Entscheidungsalltag landet«, informiert Robert Lechner. Derzeit laufen Testanwendungen. Lechner verweist auch auf eine Pilotphase Kreislaufwirtschaft an der LBS Murau, der eine österreichweite Ausrollung für das Berufsbild Hochbau im Bauwesen folgen kann.
Bild: »Industrielle Abfälle gelten oft als Problemstoffe, doch sie könnten Teil der Lösung für eine klimaneutrale Bauwirtschaft sein«, beschreibt Cyrill Vallazza-Grengg das Forschungsprojekt WiN an der TU Graz.
Bild: »Re-Use-Baustoffen muss eine Imagepolitur verschafft werden«, fordert Robert Lechner vom Ökologie-Institut.
CO2-Speicherung
Im Holcim-Betonwerk Alberner Hafen wurde im März gemeinsam mit dem Schweizer Start-up neustark eine CO2-Speicheranlage in Betrieb genommen. Über diese neue Anlage wird das Betonwaschwasser für die Rekarbonatisierung und dauerhafte CO2-Speicherung aufbereitet. »Mit unserer Technologie wird abgeschiedenes CO2 in bestehenden Abfallströmen wie etwa Betonabbruch oder -mischwasser gespeichert und somit aus der Atmosphäre entfernt. Mit unseren 31 Abscheidungs- und Speicheranlagen speichern wir schon Tausende von Tonnen CO2 jedes Jahr«, erklärt Johannes Tiefenthaler, Mitgründer und Co-CEO von neustark. Die Anlage im Alberner Hafen ist die erste CO2-Speicheranlage in Österreich.
Für den Karbonatisierungsprozess wird im Betonwerk Misch- bzw. Waschwasser aus den Betonmischwagen gesammelt und bei der Anlage mit biogenem CO2 in Kontakt gebracht. Das CO2 reagiert mit den Zementphasen im Wasser und wird zu Kalkstein. Dank dieser Transformation bleibt das CO2 permanent gespeichert. Der Prozess neutralisiert darüber hinaus das stark alkalische Wasser. Das Mischwasser ist nach der Anreicherung erneut einsatzbereit für die Herstellung von Beton. Die Produkt- und Verarbeitungsqualität des Betons bleibt durch diese Anreicherung unverändert erhalten. Mit der Anlage können bis zu 142 Tonnen CO2 pro Jahr im Beton gespeichert werden. Umgerechnet entspricht dies einer CO2-Entfernungsleistung, die durch rund 14.000 ausgewachsene Bäume zu erreichen wäre. Die dauerhafte Speicherung dieses biogenen CO2 wird als Negativemission gewertet und die entsprechenden Zertifikate werden seitens neustark am freien Zertifikatemarkt angeboten. »Die Investition in die CO2-Speicheranlage ist Teil unseres Nachhaltigkeitsprogramms in unseren Holcim-Betonwerken, um die Ostregion Österreichs mit innovativen und vor allem auch voll funktionsfähigen, CO2-reduzierten Betonprodukten zu versorgen«, erklärt Markus Schenkl, Geschäftsführer Holcim Beton Österreich. Überprüft wird die Entfernungsleistung von »Gold Standard«, einer unabhängigen Vereinigung für die CO2-Zertifizierung, die 2003 vom WWF und anderen internationalen NGOs ins Leben gerufen wurde. Dieser Standard soll sicherstellen, dass Projekte zur Reduktion oder Entfernung von CO2-Emissionen ein Höchstmaß an Umweltverträglichkeit aufweisen und gleichzeitig zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen.
Durchgehender Bau-Circle: Ein Blick in die Forschungslandschaft
1. AIT
Das AIT entwickelt im Zuge des Forschungsprojekts CEScaleUP KI-gestützte Erfassungsmethoden für Bauteile und Materialien. Zudem werden mit einem standardisierten digitalen Rahmenwerk neue Maßstäbe in der Nachhaltigkeitsbewertung gesetzt. Das Ziel von CREATE ist die Implementierung der lokalen und regionalen Kreislaufwirtschaft, indem vorhandene städtische Baustoffbestände inventarisiert werden. Am 16. Juni lädt das AIT zur Fachkonferenz CirCon zur Zukunft der Kreislaufwirtschaft im Bauwesen ein.
2. BMLUK
Das BMLUK arbeitet derzeit laut Umweltbundesamt an einer Aushubverordnung, die einen Push beim anwendungsgerechten Recycling von Aushubmaterialien ermöglichen soll. Mit dem BMK-Leitprojekt KRAISBAU soll die Bauwirtschaft in die digitale und zirkuläre Zukunft geführt werden. Gearbeitet wird auch an der Aufnahme der Anforderungen der Kreislaufwirtschaft in die bestehenden naBe-Kriterien Hochbau und Tiefbau.
3. AEE Intec
Mit ReAssuRe will AEE Intec den Einsatz von Re-Use-Bauteilen im Bauwesen erleichtern. Durch die entwickelten Prüfprozesse wird das Risiko des Einsatzes bewertbar, wodurch sich Haftungsmodelle ableiten lassen.
4. TU Graz
Der Urban Mining Screener der TU Graz soll Kenntnis über potenziell verfügbare Bauressourcen schaffen und damit das Potenzial für die Wiederverwendung und das Recycling von Baumaterialien bei der Rückbauplanung, während des Abrisses sowie während einer Sanierung bewertet werden. Mit Wienerberger wird an der Wiederverwendung ganzer Ziegelwände gearbeitet.
5. FH Campus Wien
Im Projekt Cornet-Crufi widmet sich die FH Campus Wien der Wiederverwendung von Beton als Recyclingmaterial. Im Fokus steht die Frage, welche Auswirkungen Verunreinigungen wie Chloride auf die Qualität haben.
6. Hochschule Burgenland
Im Projekt ZEBdemo an der Hochschule Burgenland wird ein skalierbares Zero Emission Building entwickelt. Die eingesetzten CO2-eq-armen Baustoffe tragen zur Verbesserung der Kreislaufwirtschaft und regionalen Wertschöpfung bei.
7. Uni Innsbruck
Im Projekt Zenzi hat Architekt Christian Dummer mit Studierenden an der Universität Innsbruck u. a. traditionelle Holzkonstruktionen ohne Schraubverbindungen entwickelt, innovative Wandaufbauten mit Lehm oder Reet und Dichtungsmethoden ohne Kunststoffe.
8. FH Salzburg
Das Projekt BuildReUse an der FH Salzburg zielt darauf ab, Konzepte der Kreislaufwirtschaft in Hinblick auf Gebäude mit kurzen Nutzungszyklen zu entwickeln.
9. TU Wien
An der TU Wien forscht Ildiko Merta an der Einsparung von CO2 durch Recycling-Beton. Bauschutt aus Betonabbruch, Bauwerkssplitt oder Mauerwerksabbruch werden wiederaufbereitet, in der rezyklierten Gesteinskörnung wird CO2 eingespeichert und stärkt das Material.
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