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Bauen außerhalb der Norm: Gebäudetyp E
Regeln, Normen und Gesetze sollen für Sicherheit sorgen, sie machen das Bauenaber auch sehr teuer. In Deutschland wird seit einiger Zeit über den »Gebäudetyp E« diskutiert, ein neuer Vertragstypus, der zwischen fachkundigen Partnern ein Abweichen von der Norm erlaubt. Die Diskussion ist längst auf Österreich übergeschwappt. In Zusammenarbeit mit KPK Rechtsanwälte zeigt der Bau & Immobilien Report, was juristisch möglich wäre und welche Folgen ein »Gebäudetyp E« in Österreich hätte.

Wer in Österreich ein Haus planen und errichten möchte, muss zahlreiche Regeln, Normen und Gesetze einhalten. Wenn die Planung nicht den Baugesetzen, Bauordnungen, OIB-Richtlinien, Flächenwidmungsplänen und/oder Bebauungsplänen entspricht, erteilt die zuständige Baubehörde keine Baubewilligung. Werden technische Richtlinien für Förderbestimmungen nicht eingehalten, wird keine Förderung gewährt. Werden die allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht beachtet, kann ein Käufer einer Wohnung vom Verkäufer (z. B. Bauträger oder Genossenschaft) Gewährleistung verlangen. Wird ein Objekt (Wohnung, Haus, Gewerbeobjekt) vermietet und entspricht es nicht der Gebrauchstauglichkeit gemäß den anerkannten Regeln der Technik, kann der Mieter eine Mietzinsminderung fordern.
Wirtschaftlich kaum noch tragbar
In vielen dieser Fälle liegt ein »Mangel ohne Schaden« vor: Wenn bei der Planung und Errichtung allgemein anerkannte Regeln der Technik geringfügig verletzt werden, stellt dies nach dem Gewährleistungsrecht einen »Mangel« dar, ohne dass daraus aktuell oder in der Zukunft ein relevanter »Mangelfolgeschaden« entstehen muss. In Zeiten überschaubarer Baukosten und hoher Nachfrage konnte man bei der Errichtung von Gebäuden auch vergleichsweise kostspielige Standards erfüllen oder »sicherheitshalber« sogar übererfüllen.
Mit den Baukostensteigerungen der letzten Jahre und der stark gebremsten Nachfrage ist ein solcher »Luxus« wirtschaftlich nicht mehr tragbar. Im Gegenteil, es müssen Wege gefunden werden, Baukosten zu senken. Dabei ist zu bedenken, dass nicht nur Material Kosten verursacht, sondern auch die zeitliche Komponente – ganz nach dem Motto »Zeit ist Geld« – eine Rolle spielt. Jeder zusätzliche Tag für die Planung oder das Baubewilligungsverfahren kostet bares Geld.Auch in Deutschland stellt sich das Problem, dass zu viele und zu hohe Anforderungen an die Planung und Errichtung von Gebäuden die Baukosten erheblich erhöhen. Um dem entgegenzuwirken, soll der »Gebäudetyp E« eingeführt werden, der niedrigere Qualitätsstandards hat. Dies soll einfacheres, innovativeres und kostengünstigeres Bauen ermöglichen. Das »E« steht für »einfach« oder »experimentell«.
Neuer Vertragstypus
Der deutsche Gesetzesentwurf zum »Gebäudetyp E« schafft einen neuen Vertragstypus, den »Gebäudevertrag zwischen fachkundigen Unternehmern«. In diesen Verträgen kann von den anerkannten Regeln der Technik abgewichen werden, ohne dass der Unternehmer den Besteller darüber aufklären muss. Für Verbraucher und nicht fachkundige Unternehmer bleibt die bisherige Rechtslage bestehen.
Die geplanten Änderungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) in Deutschland sollen bewirken, dass sicherheitsrelevante Normungen als anerkannte Regeln der Technik gelten, während Komfort- und Ausstattungsmerkmale nicht als solche vermutet werden.
Der Entwurf wurde vom VII. Senat des Bundesgerichtshofs (BGH), welcher für Bau- und Architektenverträge zuständig ist, stark kritisiert. Die Kritik richtet sich nicht gegen das Ziel, kostengünstigeres Bauen zu ermöglichen, sondern gegen den vorgeschlagenen Weg. Es wird argumentiert, dass die Idee des »fachkundigen Unternehmers« in der Bauleistungskette nur eine Nebenrolle spielt und dass dennoch eine umfassende Aufklärung des »Endverbrauchers« (= Konsument) nach der bisherigen Gesetzeslage erforderlich ist.
Der Senat des BGH betont, dass es bereits heute möglich ist, Gebäude nach niedrigeren Komfortstandards zu errichten, wenn der Besteller darüber aufgeklärt wird. Statt Änderungen im Bauvertragsrecht schlägt der Senat standardisierte Leitlinien für die rechtssichere Aufklärung des Endverbrauchers über kostengünstiges Bauen und damit verbundene reduzierte Komfortstandards vor. In Hamburg wurde für die Landesbauordnung der »Hamburg-Standard« entwickelt. Dieser vereinfachte Standard für das Baubewilligungsverfahren soll mehrere Ziele erreichen: Durch reduzierte Baustandards sollen die Baukosten gesenkt werden. Zudem sollen die Planungs- und Errichtungsprozesse optimiert und beschleunigt werden. Zusätzlich soll das Bewilligungsverfahren schneller ablaufen.
Überlegungen für Österreich
Auch in Österreich muss man, wie in Deutschland, zwischen dem Bundesgesetzgeber und dem Landesgesetzgeber unterscheiden. Der österreichische Bundesgesetzgeber regelt beispielsweise im ABGB das Gewährleistungsrecht, aber auch das Bauträgerrecht (BTVG) und das Konsumentenschutzrecht (KSchG), während der Landesgesetzgeber in den Landesbauordnungen das Baubewilligungsverfahren festlegt.
Es ist daher wohl nicht möglich, das gesamte Problem bspw. durch eine Änderung des Gewährleistungsrechts im ABGB oder durch ein einziges neues Bundesgesetz »mit einem einzigen Federstrich« zu lösen. Wenn die Baubehörde gemäß den geltenden Baugesetzen/Bauordnungen und den nach den Bautechnik-VO anzuwendenden OIB-Richtlinien eine bestimmte Bauweise zwingend vorschreibt, kann dies der Bundesgesetzgeber durch eine Änderung im ABGB nicht ändern. Praktisch ist auch zu hinterfragen, ob ein politischer Konsens für die Einschränkung der Gewährleistungsrechte von Konsumenten gegenüber Vermietern oder gegenüber Bauträgern gefunden werden könnte. Realistisch dürfen daher Zweifel angemeldet werden, dass durch ein einziges Gesetz ein einfacher und alle Probleme auf einen Schlag lösender Weg gefunden werden kann.
Ein weiterer Aspekt, der sowohl für Deutschland als auch für Österreich zu beachten ist, sind zahlreiche Fachregeln, ÖNORMEN und OIB-Richtlinien, die in der Praxis die allgemein anerkannten Regeln der Technik indizieren. Dabei ergibt sich folgendes Paradoxon: Eigentlich sollen diese Regeln durch Standardisierung eine leichtere Anwendbarkeit und Rechtssicherheit für Hersteller und Erwerber gewährleisten. Da schriftliche Fachregeln oder ÖNORMEN jedoch keine verbindliche »Gesetzesqualität« haben, können sie nur ein Indiz für die allgemein anerkannten Regeln der Technik sein und müssen nicht zwingend mit diesen übereinstimmen. Dieser Grundsatz führt für Planer und Bauunternehmen zu einer »Doppelmühle«: Werden Richtlinien nicht eingehalten, indiziert dies einen Verstoß gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik, und der Planer oder Bauunternehmer muss die Tauglichkeit seiner Leistung beweisen.
Werden die Richtlinien bei der Planung und Errichtung strikt eingehalten, entlastet dies den Planer oder Bauunternehmer zwar zunächst, dennoch kann der Vorwurf erhoben werden, dass die bloße Einhaltung der Richtlinien nicht ausreichend war, weil sich die allgemein anerkannten Regeln der Technik inzwischen weiterentwickelt haben, aber dies in den angewandten Richtlinien noch nicht verschriftlicht wurde. Fraglich ist, wie sich dieses Gefüge durch einen »Gebäudetyp E« verändern würde.
Fazit
Der Weg zu einem einfacheren, schnelleren und kostengünstigeren Bauen ist daher wohl nur durch einen mehrstufigen und aufwändigen Prozess zu erreichen:
- Schriftlich ausgearbeitete Richtlinien (Fachregeln, ÖNORMEN, ÖBV-Richtlinien usw.) sollten daraufhin untersucht werden, wo sie durch Widersprüche Anwendungsunsicherheit schaffen.
- Ebenso sollten solche Richtlinien von übermäßigen »Reserve«-Standards bereinigt werden. Dies bedeutet keine Auflockerung notwendiger Sicherheitsstandards, sondern die gezielte Entfernung von überschießenden Anforderungen nach dem Motto »viel hilft viel«.
- Es sollte hinterfragt werden, ob detaillierte Vorgaben und Aufzählungen in Richtlinien dem Planer und Unternehmer die Arbeit erleichtern oder die individuelle und praktische Lösung verhindern.
- Auf Ebene der Kommunen und Länder sollten städtebauliche Vorgaben und Baugesetze/Bautechnik-VO/OIB-Richtlinien überprüft werden, um durch Maßnahmen wie Vereinheitlichungen und Verschlankungen die Planungen zu vereinfachen und damit Bewilligungsverfahren zu beschleunigen.
- Auf Bundesebene gibt es ebenfalls Möglichkeiten für Vereinfachungen, beispielsweise im gewerblichen Betriebsanlagenrecht.
Die beiden Grafiken zeigen die wesentlichen Regeln bei der Planung und Errichtung. Links die aktuelle Situation, rechts der Gebäudetyp E. Die Einflussfaktoren bleiben gleich, verlieren aber an Gewicht. Über allem »schwebt« das Gebäudetyp-E-Gesetz.
Über die Kanzlei
Pochmarski Kober Rechtsanwälte GmbH KPK Rechtsanwälte ist eine Grazer Rechtsanwaltskanzlei mit Schwerpunkt im Zivil- und Baurecht. Zwei Rechtsanwälte und drei Rechtsanwaltsanwärter*innen vertreten Auftraggeber und Auftragnehmer sowie sonstige am Bau Beteiligte. Das Hauptaugenmerk liegt auf der rechtlichen Begleitung von Bauvorhaben während des gesamten Projektablaufes, sei es bei der Ausschreibung und Vergabe, Vertragsgestaltung, bei der Geltendmachung und Abwehr von Mehrkostenforderungen, Schadenersatz- und Gewährleistungsansprüchen, im Streitfall außergerichtlich oder vor Gericht.
www.kpk-law.at
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