Wednesday, May 07, 2025

Mehrwert für Manager

Bau | Immobilien

Der Bau & Immobilien Report hat eine hochkarätige Runde zur Diskussion über »Partnerschaftsmodelle« geladen. Der Tenor: Das Zeitalter des Claim-Managements neigt sich dem Ende zu. Für eine kooperative Projektabwicklung sind die Menschen entscheidend, ohne den passenden vertraglichen Rahmen wird es aber schwierig.

Foto: Milena Krobath

Die Teilnehmer (alphabetisch):

-  Markus Colle, CEO Styr Group
-  Stephan Heid, Heid & Partner Rechtsanwälte
-  Wolfgang Kradischnig, CEO Delta
-  Peter Krammer, CEO Swietelsky
-  Peter Schaller, CTO UBM


Swietelsky hat schon einige Projekte kooperativ bzw. mit Partnerschaftsmodell umgesetzt. Erst im März hat man einen Allianzvertrag für das Hauptbaulos des Kraftwerks Innstufe Imst-Haiming der TIWAG unterzeichnet. Worin liegt der größte Mehrwert? Woran erkennt man eine »kooperative Baustelle«?

Peter Krammer: In meiner Urprofession war ich Claim-Manager. Da ging es darum, jede Leistungsstörung und jede Änderung zu einem Nachtrag zu machen. Diese Philosophie hat sich aber gerade bei Partnerschaftsmodellen Gott sei Dank geändert. Wir sehen bei diesen Projekten, dass tatsächlich gemeinsam an einer bestmöglichen Umsetzung gearbeitet wird. Von zentraler Bedeutung ist die gemeinsame Risikosphäre und der Win-win-Ansatz. Eine kooperative Baustelle erkenne ich am reibungslosen Bauablauf und daran, dass es keine oder so gut wie keine Mehrkostenforderungen gibt. Nach außen hin erkennt man ein Partnerschaftsmodell auch am gemeinsamen Containerdorf. Da gibt es kein Nebeneinander, sondern ein Miteinander.

Allianzverträge kommen meist bei risikoreichen Infrastrukturprojekten zum Einsatz. Die UBM ist ein klassischer Projektentwickler. Was verstehen Sie unter einer partnerschaftlichen Projektabwicklung?

Peter Schaller: Unabhängig vom Vertragsmodell bin ich überzeugt, dass eine partnerschaftliche Projektabwicklung immer von den handelnden Personen abhängig ist. Die Projektbeteiligten müssen nicht die besten Freunde sein, aber wenn sie gut miteinander können, wenn es ein gemeinsames Verständnis gibt und man sich auf Augenhöhe begegnet, dann funktioniert ein Projekt in der Regel auch. Bauen ist People Business. Ich sehe die Bauwirtschaft auch auf dem Weg in Richtung Systembau. Da ist Partnerschaft unabdingbar, schon alleine aus dem Grund, dass man sich frühzeitig für ein System und einen Partner entscheiden muss. Je früher man alle Beteiligten an Bord holt, umso besser für das Projekt.

Herr Kradischnig, kaum jemand in Österreich beschäftigt sich seit so vielen Jahren mit der Projektkultur in der Bauwirtschaft wie Sie. Wie wichtig ist die Unternehmens- und Projektkultur für eine partnerschaftliche Projektabwicklung?

Wolfgang Kradischnig: Aus meiner Sicht ist das Mindset entscheidend. Wenn jemand aus einem Unternehmensumfeld kommt, in dem Claim-Management zelebriert wird, dann wird er sich in einem allianzorientierten Projektumfeld schwer tun. Wir sind in Österreich aktuell immer noch in einer frühen Phase, in der Lerneffekte generiert wird. Andere Länder sind da schon weiter. Was wir wissen, ist, dass für eine kooperative Projektabwicklung die Auftraggeberseite entscheidend ist. Der Auftraggeber muss es nicht nur wollen, sondern auch mit den richtigen Rahmenbedingungen ermöglichen. Das bedeutet, mit einer ausgewogenen vertraglichen Grundlage und einer frühen Einbeziehung der ausführenden Seite das beste Projekt zum besten Preis zu entwickeln. Dafür entscheidend ist ein gemeinsamer Risikotopf in Kombination mit einem Bonus-Malus-System. Wenn ein Risiko schlagend wird, muss man sich gemeinsam dafür verantwortlich fühlen.

Wichtig ist das Mindset. Das ist geprägt von dem Stall, aus dem die Menschen kommen, also von der eigenen Unternehmenskultur«, sagt Wolfgang Kradischnig, Delta.

Herr Heid, teilen Sie als Rechtsanwalt die Meinung, dass das Mindset entscheidend ist? Oder ist es doch die vertragliche Grundlage?

Stephan Heid: Es ist ganz eindeutig der Mensch, der über den Erfolg entscheidet. Unsere Aufgabe als Rechtsanwälte ist es, diese kulturellen Faktoren mit vertraglichen Mechanismen zu stärken. Wir können Verträge so gestalten, dass Win-win-Situationen honoriert werden und es deshalb clever ist, zu kooperieren. Wir können beim Vergütungssystem ansetzen und einen gemeinsamen Risikotopf bilden, um diesen Konfliktdruck aus dem Projekt zu nehmen. Wir können anders als bei konventionellen Verträgen auch Konfliktszenarien vertraglich regeln, indem es unterschiedliche Eskalationsstufen gibt. Ziel muss sein, Probleme auf der Ebene zu lösen, auf der die bestmögliche technische Lösung gefunden werden kann. Was wir nicht können, ist den Faktor Mensch ersetzen. Wenn die Menschen für partnerschaftliches Handeln nicht bereit sind, dann funktioniert auch der beste Allianzvertrag nicht. Wir können aber dem Bauherrn beim Auswahlverfahren der Partner zur Seite stehen, um mit Hilfe einer Simulation das richtige Team zu finden, das gut miteinander interagiert und gemeinsame Lösungskompetenz hat.


Vertrag und Kultur

Wenn es um partnerschaftliche Projekt­abwicklung geht, geht es oft um Auftragnehmer und Auftraggeber, um Juristen und Berater. Wenig zu Wort kommen Subunternehmen und Lieferanten. Herr Colle, als Geschäftsführer eines Haustechnikunternehmens, wie erleben Sie die Zusammenarbeit?

Markus Colle: Wenn ich vergleiche, wie heute zusammengearbeitet wird und wie vor 15 Jahren, dann ist eine positive Entwicklung deutlich erkennbar. Eine partnerschaftliche Projektabwicklung funktioniert vor allem dann, wenn man einen starken Auftraggeber hat, der weiß, was er will und weiß, was das kostet. Natürlich ist es einfacher, Preise zu vergleichen als Unternehmenskulturen. Wenn jeder nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist, dann kann es keine echte Kooperation geben.

Ich hatte viel mit amerikanischen oder irischen Unternehmen zu tun. Da ist es durchaus üblich, Partner frühzeitig an Bord zu holen und mit Guaranteed Maximum Price-Modell zu arbeiten. Der Unterschied ist enorm, die Atmosphäre und Kultur eine ganz andere. Ich habe erlebt, dass Projektleiter ihren Urlaub unterbrechen, um zu sehen, wie ein Notstromaggregat in Betrieb geht. Das kannte ich so vorher nicht.

Schaller: Die Unternehmenskultur ist wahnsinnig wichtig, auch auf Auftraggeberseite. Sie zeigt sich daran, wie man mit Projekten umgeht, mit General- und Nachunternehmen. Man muss aber unterscheiden zwischen privaten und öffentlichen Auftraggebern. Die öffentliche Hand ist gezwungen, nach dem Bundesvergabegesetz auszuschreiben. Private tun sich leichter und können sich ihre Partner aussuchen. Die öffentliche Hand muss die Kriterien vorher festlegen.

Heid: Ich sehe die Bindung an das Bundesvergabegesetz nicht als Nachteil. Der öffentliche Auftraggeber ist verpflichtet, den Vergabeprozess extrem gut zu strukturieren und für Gleichbehandlung, Objektivität und Nachvollziehbarkeit zu sorgen, weil das Ganze einer gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Strukturierung und Nachvollziehbarkeit liegt in der DNA der öffentlichen Hand. Da könnten sich einige Private etwas abschauen.

Krammer: Ich möchte etwas relativieren. Die Menschen sind wichtig, aber das ist nicht alles. Ein Projekt meines damaligen Arbeitgebers ist in Deutschland um das Jahr 2006 herum komplett schiefgegangen, weil auf der Baustelle ein regelrechter Kampf geherrscht hat. Man hat die Zusammenarbeit daraufhin gestoppt und mit Early Contractor Involvement neu aufgesetzt. Plötzlich sind dieselben Leute ganz anders miteinander umgegangen, weil es eine andere Herangehensweise gab. Durch den Vertrag gab es neue Anreize. Der Vertrag ist schon sehr wichtig.

»Die Wurzel allen Übels ist das sequenzielle Denken von Idee, Planung, Ausschreibung, Ausführung in Verbindung mit der baubegleitenden Planung. Da ist das Desaster vorprogrammiert«, sagt Peter Krammer, Swietelsky.

Kradischnig: Es gibt alle Spielarten, die funktionieren oder nicht funktionieren können. Aber wir wissen aus Studien, dass die Unternehmenskultur direkte Auswirkungen auf den Projekterfolg hat. Man kann also Rahmenbedingungen schaffen, die den Projektablauf erleichtern oder erschweren. Schwierigkeiten gibt es bei jedem Projekt. Ein stabiles, resilientes Team kann diese Probleme besser lösen.

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»Wenn das Vertragswerk auf Konfrontation ausgelegt ist, spielen die Menschen eine untergeordnete Rolle«, sagt Markus Colle, Styr Group.

Krammer: Am Ende des Tages geht es dem Bauherrn um ein gutes Projekt und dem Auftragnehmer darum, Geld zu verdienen. Das ist so.

Kradischnig: Nicht nur, da muss ich ein Veto einlegen. Das ist zu kurz gedacht.

Krammer: Eine Baustelle ist kein Selbstzweck, es geht darum, Kundenwünsche zu erfüllen und Geld zu verdienen. Wir müssen uns überlegen, wie wir diese Ziele bestmöglich erreichen.

Kradischnig: Natürlich muss man Geld verdienen. Aber es geht auch um nachhaltigen Erfolg. Wenn man immer nur versucht, das Beste für sich herauszuholen und damit Vertrauen verliert, kann sich das auch auf zukünftige Aufträge negativ auswirken.


Early Contractor Involvement ECI

Welche Rolle spielt ECI?

Krammer: Für mich ist die frühzeitige Einbindung des ausführenden Unternehmens ein echter Paradigmenwechsel. Wenn ich mich monatelang auf ein Projekt vorbereiten kann, dann kann ich auch die Risiken minimieren. Die Teams kennen sich und man weiß, wie man gemeinsam zu Lösungen kommt. Es herrscht Offenheit und Transparenz. Das ist enorm wichtig.

Kradischnig: Early Contractor Involvement hat aus meiner Sicht teilweise ein Akzeptanz-Problem. Es gibt leider Auftraggeber, die Auftragnehmer frühzeitig einbinden, vom Know-how profitieren, das aber nicht angemessen bewerten. Da gefallen mir Partnering-Modelle wesentlich besser. Da ist auch für den Fall, dass man nach der Partnering-Phase nicht zusammenkommt, klar, dass es eine Aufwandsentschädigung gibt.

Schaller: ECI hat den Vorteil, dass man keine Planung doppelt macht. Durch das ECI bekomme ich vom Auftragnehmer das Commitment, ein Projekt wie geplant umsetzen zu können. Früher war vor allem bei öffentlichen Aufträgen nur der Preis entscheidend. War der Preis zu hoch, war man erledigt. Natürlich hat man da unterpreisig angeboten und über Claims versucht, Geld zu verdienen. Früher hat es geheißen, einen Auftrag bekommst du nur, wenn du dich verkalkulierst. Der Vorteil bei ECI ist, dass man einen Preis bekommt, der für beide Seiten passt.

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»Durch Early Contractor Involvement bekomme ich vom Auftragnehmer das Commitment, ein Projekt wie geplant umsetzen zu können«, sagt Peter Schaller, UBM Development«, sagt Peter Schaller, UBM Development.

Colle: Für mich als Vertreter der Haustechnik ist es essentiell, sich früh einbringen zu können und nicht vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Durch die frühzeitige Einbindung kann man von Anfang an auf den maximalen Nutzen planen. Man verhindert Systembrüche und notwendige Umplanungen. Es ist bedeutend günstiger, wenn man früh an Details wie die Haustechnik denkt. Der Aufwand in dieser Phase ist deutlich geringer als zu einem späteren Projektzeitpunkt.

Heid: Völlig richtig. Und das gilt für beide Seiten. Der Produktivitätsgewinn ist auch messbar. Das hat das Allianzprojekt Kühtai der TIWAG gezeigt.

Krammer: Produktivitätssteigerung ist essentiell für die Branche. Dafür müssen wir unsere Leerläufe und Leerstunden reduzieren. Und das gelingt mit ECI, am besten in Verbindung mit Lean, weil man genau weiß, was wann geschehen muss.


Pilotprojekte

Das erste Allianzprojekt in Österreich war das Gemeinschaftskraftwerk Inn (GKI). Bis heute gibt es in Österreich 15 Allianzprojekte. Hätte es die anderen 14 ohne das GKI gegeben?

Heid: Sicher nicht so schnell. Man braucht immer einen Frontrunner, der mutig und stark ist. Außerdem bestand eine Drucksituation, in der man das Projekt auftragnehmerseitig neu aufstellen musste. Jetzt gilt es, die Modelle auszutesten und laufend zu verbessern, insbesondere das Vergütungsmodell und den gemeinsamen Risikotopf. Jedes erfolgreiche Projekt sorgt für Erkenntnisgewinn und schafft damit Rückenwind für das nächste.

Dennoch stehen wir noch ganz am Anfang. Vor allem bei den öffentlichen Auftraggebern.

Krammer: Ja sicher, aber es wird besser. Die Asfinag arbeitet daran, die TIWAG sowieso. Auch bei der ÖBB geht es in die richtige Richtung. Bei den Wiener Linien dauert es noch ein wenig.

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»Das stärkste Argument für Partnerschaftsmodelle ist: Wer es einmal gemacht hat, macht es immer wieder«, ist Stephan Heid, Heid & Partner Rechtsanwälte überzeugt.


Risiken und Hürden

Wir haben sehr viel über die Vorteile von Partnerschaftsmodellen gesprochen. Trotzdem ist nicht jedes entsprechende Projekt ein Erfolg. Woran scheitert eine partnerschaftliche Projektabwicklung aus Ihrer Sicht am häufigsten?

Krammer: Wenn im gemeinsamen Risikotopf Risikofaktoren eintreten, die einen wirtschaftlichen Erfolg unmöglich machen. Aber selbst dann ist es in der Regel so abgesichert, dass dem Auftragnehmer die Herstellungskosten erstattet werden.

Kradischnig: Es reicht, wenn einer im Projekt nicht richtig mitspielt. Das hat Auswirkungen auf das ganze Team. Das kann man auch bei Lean Management sehr gut beobachten. Die Produktivität steigt nur dann, wenn alle Prozesse im Fluss sind. Deswegen müssen wir alle schauen, dass das Werkl am Laufen bleibt.

Heid: Ein Risiko liegt im Etikettenschwindel. Es könnte nämlich möglich sein, dass Bauherren nach außen hin auf der Partnerschaftswelle reiten, dabei aber eine Hidden Agenda verfolgen. Etwa wie Herr Kradischnig sagte, wenn man im Vergabeverfahren das Know-how der Ausführenden anzapft, aber nicht entsprechend vergütet. Das ist unfair und nicht partnerschaftlich. Partnerschaft setzt für mich voraus, dass die Partnering-Phase vergütet wird, unabhängig davon, ob sie abgerufen wird. Zudem besteht die Gefahr, dass auch bei Partnerschaftsmodellen manche Personen auf Auftraggeberseite versuchen, singuläre Auftraggeberinteressen durchzusetzen, sie ein bisschen ins Projekt hineinzuschummeln. Was meine ich damit? Es könnte etwa der gemeinsame Risikotopf mit klaren Auftraggeberrisiken angereichert werden. Wenn das passiert, wird der Grundgedanke von Partnerschaftsmodellen konterkariert.

Krammer: Diese Praxis gibt es tatsächlich. Wir sind immer wieder mit Vertragsbedingungen konfrontiert, die genau in diese Richtung gehen. Da müssen dann auch Änderungen vorgenommen werden, bevor wir in eine zweite Runde gehen.

 

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Das Ende des Claim Managements

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