Wednesday, June 04, 2025

Mehrwert für Manager

Bau | Immobilien

Die Reduktion der Treibhausgase ist eine globale Aufgabe. Sowohl die EU als auch Österreich haben dazu ehrgeizige Ziele: die Erreichung der kompletten Klimaneutralität bis 2050 (EU) bzw. 2040 (Österreich). Der Bau- und Immobilienwirtschaft kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Der Status quo und wie die nächsten Schritte aussehen.

Holcim arbeitet u. a. mit dem CO2-reduzierten ECOPlanet Zement (im Bild: Volksschule Reininghaus, Graz).

 

Der Gebäudesektor konnte in den vergangenen Jahren große Reduktionen bei den CO2-Emissionen erzielen. Das Umweltbundesamt geht für 2024 im Vergleich zum Vorjahr in Österreich von etwa 2,7 % aus. 2023 wurde eine Reduktion um 13,6 % gegenüber dem Basisjahr 1990 erzielt. Günther Lichtblau, Klimaexperte im Umweltbundesamt, verbindet die jüngste Reduktion v. a. mit dem Umstieg auf klimafreundliche Heizungssysteme, den der Bund bislang gefördert hat. 2025 wird es für die Förderschiene »Raus aus Öl und Gas« allerdings keine neuen Geldmittel geben, offen ist, wie es 2026 genau weitergeht. Für Professor Rainer Pfluger, der das Forschungszentrum Nachhaltiges Bauen an der Universität Innsbruck leitet, ist der Rückgang eine Folge energieeffizienter Neubauten, energieeffizienter Sanierung bestehender Gebäude und der Förderprogramme, die hier Anreize gesetzt haben.

Umgesetzte CO2-Reduktion
Gerhard Dell, Geschäftsführer des Oberösterreichischen Energiesparverbandes und Landesenergiebeauftragter, berichtet vom Projekt Green Brick. Dabei sei es gelungen, eine fast CO2-neutrale Ziegelfabrik mit einer Produktionskapazität von 300 Tonnen pro Tag zu realisieren. »Österreichs Zementindustrie weist heute weltweit die niedrigsten CO₂-Emissionen pro hergestellter Tonne Zement auf«, betont Christoph Ressler, Vorstandsmitglied von Beton Dialog Österreich (BDÖ) und Geschäftsführer des Güteverbands Transportbeton, und erwähnt ein ÖBV-Merkblatt, das eine einheitliche und praxisorientierte Bewertungsgrundlage für die Klimawirkung von Betonen schafft. Rund 500 marktübliche Betonrezepturen wurden laut Ressler analysiert und nach ihren Emissionen, die bei der Rohstoffgewinnung, dem Transport der Ausgangsstoffe und der Betonherstellung entstehen, den CO2-Klassen »GWR0 bis GWR9« zugeordnet.

24_27_nachhaltigkeit2.jpg

Grafik: Der Weg zur CO2-neutralen Baustelle anhand einer fiktiven Wohnbau-Baustelle in Wien. Für den Rest von 48 % der ursprünglichen Emissionen müssen Kompensationszahlungen geleistet werden. 

»Die Baubranche steht vor ihrer größten Transformation mit enormer Innovationskraft«, urteilt Haimo Primas, CEO Holcim Österreich, und berichtet von der ersten CO2-Speicheranlage im Betonwerk in Wien Albern, die CO2 im Beton-Waschwasser speichert. Bis 2031 ist eine CO2-Abscheideanlage für das Zementwerk in Mannersdorf geplant, die Net-Zero-Zement bieten wird. »Wir dekarbonisieren unsere Produktion mit der höchsten Rate an Ersatzbrennstoffen aus nicht mehr recycelbaren Abfällen«, berichtet Primas. Im Zementwerk in Retznei wird nur mehr an sieben Tagen im Jahr mit fossilen Brennstoffen gearbeitet. Die Kreislaufwirtschaft leistet laut Primas den größten Anteil an der Reduktion des CO2-Fußabdrucks. »Neben dem hohen Anteil an Ersatzbrennstoffen setzen wir auf Ersatzrohstoffe aus Rest- und Nebenstoffen anderer Industrien und die Aufbereitung von Baurestmassen.« Im Mai hat Holcim eine neue Klinkerkühler-Anlage im Zementwerk Mannersdorf vorgestellt, mit der die Abwärme aus der Klinkerkühlung direkt im Produktionsprozess eingesetzt wird und jährlich rund 18.000 Tonnen CO2 spart.

Ein Blick zu Swietelsky: Die Oberösterreicher arbeiten an der Erreichung ihrer CO2-Ziele etwa durch Förderung der Kreislaufwirtschaft, Verwendung von Recyclingbau­stoffen und treibhausgasarmen Materialien, Optimierung von Konstruktionen zur Einsparung von Emissionen, Lebenszyklusmanagement, einer Stärkung entsprechender Vergabekriterien und effizienter Baulogistik, vor allem im Bereich der Treibstoffe, die mit rund 70 % den wesentlichen Teil zu den Scope-1- und 2-Emissionen des Unternehmens beitragen. Baustellenverkehr ist generell eng mit CO2-verknüpft. Eine Reduktion kann durch den vermehrten Einsatz elektrisch betriebener Lastwagen erreicht werden.

Laut dem Projekt »Zero-Emission Construction Sites Logistics« des Instituts für Verfahrens- und Energietechnik der Universität für Bodenkultur und der Brancheninitiative Council für nachhaltige Logistik können etwa 70 % der Touren elektrisch durchgeführt werden. Beitragen wird auch die Reduktion des erlaubten CO2-Ausstoßes neuer leichter Nutzfahrzeuge in der EU um 15 % gegenüber 2021 und 50 % bis 2030. Künftig legt Swietelsky einen Arbeitsschwerpunkt auf die konzernweite Erfassung von Scope-3-Emissionen. Projektbezogene Carbon Footprints bzw. Lebenszyklusanalysen sowie unternehmensbezogene Nachhaltigkeitsinformationen werden zunehmend von Auftraggebern, v. a. der öffentlichen Hand, nachgefragt, informiert Swietelsky. Haimo Primas bestätigt das. »Die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten steigt, speziell von großen Bauauftraggebern.«

Treiber Zement und Beton?
Die globale Zementproduktion ist für etwa 8 % der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Für Primas braucht es daher ein gesamthaftes Miteinander entlang der gesamten Wertschöpfungskette des Bauens. Entscheidend sei, wie und was gebaut wird. »Tatsächlich entfallen 75 % der Emissionen auf den Betrieb von Gebäuden, 24 % auf die Herstellung von Bauprodukten und weniger als 1 % auf die Bauausführung«, erklärt Gerhard Dell. Bei thermischer Bauteilaktivierung übernehmen die Betonelemente die Funktion von Batterien für Heizen und Kühlen, in Verbindung mit PV oder Geothermie lassen sich Emissionen auf ein Minimum reduzieren. Der Acht-Prozent-Anteil macht die Weiterentwicklung von Zement trotzdem elementar – etwa durch Klinker-Schneiden, Ersatz von Kalkstein und fossilen Brennstoffen durch kohlenstoffarme Brennstoffalternativen sowie Abfangen des Kohlenstoffs. »Holcim baut sein ECOPlanet-Zementportfolio weiter aus. Soeben haben wir die Zulassung vom CO2-reduzierten ECOPlanet ROT als Universalzement für fast alle gängigen Bauklassen erhalten«, betont Primas zufrieden.

Eine aktuelle Umfrage im Auftrag der Branchenvereinigung Beton Dialog Österreich zeigt, dass die Ressourcenschonung ein »sehr« oder »eher« wichtiges Thema für die Baubranche ist (93 %), gefolgt von der Entwicklung neuer CO2-reduzierter Zemente mit 84 % und neuer Betonrezepturen mit 80 %. Das laufende Forschungsprojekt »Nachhaltigkeits-Benchmarks für österreichische Betone, N-Ö-B« der Österreichischen Bautechnik Vereinigung zielt darauf ab, performancebasierte Konzepte für klimaverträglichen und dauerhaften Beton zu entwickeln. Besonders im Fokus stehen die Betonsorten XC1, XC2, B1 und B2, die rund 80 % des österreichischen Betonvolumens repräsentieren.

24_27_nachhaltigkeit3.jpg

Dauerthema Reduktion
Sich auf heute verfügbare Technologien zu verlassen, ist laut World Economic Forum nicht ausreichend. An der TU Wien arbeitet Professor Ildiko Merta daran, CO2 in Recycling-Beton einzuspeichern. Vorteil dieses Verfahrens wären auch eine höhere Festigkeit und Haltbarkeit. Das Forschungsprojekt SusDeCon (in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Bautechnik Vereinigung) hat zum Ziel, die Anwendung nichtmetallischer Bewehrungen im Betonbau zu fördern.

Zum Thema Speicherung berichtet Swietelsky, dass die Lieferanten intensiv an Lösungen sowohl hinsichtlich der Abscheidung von CO2 aus der Luft im Rahmen der Produktionsprozesse als auch an Ideen zur Bindung von CO2 im Produkt arbeiten, z. B. über die Beimischung von Biokohle. An der TU Graz läuft u. a. das Projekt Agile Tragwerksplanung, das den Planungsprozess von Betonbauten mithilfe von 3D-Gesamtmodellen optimiert und präzisere Berechnungsmethoden erlaubt. Mit Urban Mining Screener soll ein digitales Werkzeug entwickelt werden, das Bauressourcen in Bestandsgebäuden identifiziert und hilft, Rückbau und Sanierung nachhaltiger zu planen.

Im Arbeitsbereich Energieeffizientes Bauen der Uni Innsbruck ist CO2 ebenfalls ein Dauerthema. RenPlusHomes befasst sich mit der Entwicklung replizierbarer Technologiepakete für Positive Energy Buildings. Ziel des Projekts TheSIS ist die Entwicklung einer anstrichförmigen, feuchteadaptiven Dampfbremse als Alternative zur Folienbasis.

An der Donau-Universität Krems wird vor allem am Bewusstsein für den Einsatz massiver Baustoffe geforscht. Seit zwei Jahren arbeitet die Uni im internationalen Projekt AchieVE-ZEB an der Verbesserung der Gesamtenergieeffizienz von Bauten in Bezug auf Null-Emissions-Gebäude, indem es das Fachwissen des Sektors in Bereichen wie schrittweise Renovierung, energieeffizientes Heizen, modulare Renovierungselemente, Sommerkomfort, Kreislaufwirtschaft und Lebenszyklusbewertung verbessert. »In manchen Bereichen braucht man Beton, aber nicht überall – damit spart man bereits CO2,« so Rainer Altmann, Studienmanager Real Estate, und spricht ein leider bestehendes Problem an: »Oft stellen sich Unternehmer die Frage, ob Strafzahlungen billiger sind als zu setzende Maßnahmen.«


Hintergrund: Scope
Ein Mittel, um die CO2-Emissionen eines Unternehmens zu kategorisieren, ist das Scope-Konzept. Durch die Unterteilung in Scope 1, 2 und 3 können Unternehmen ihre Emissionsquellen identifizieren, korrekt voneinander abgrenzen und gezielt Maßnahmen zur Reduzierung der CO2-Emissionen entwickeln.
Scope 1-Emissionen sind die direkt vom Unternehmen verursachten Emissionen.
Scope 2-Emissionen entstehen indirekt durch zugekaufte Energie.
Scope 3-Emissionen sind indirekte Emissionen, die in der Wertschöpfungskette eines Unternehmens anfallen.

 

Porr rollt ESG-Strategie aus

Die Porr hat auf Basis der regulatorischen Anforderungen der CSRD -Richtlinie eine ESG-Strategie entwickelt, die nachvollziehbar darstellen soll, mit welchen konkreten Maßnahmen bis 2030 die selbst gesteckten Nachhaltigkeitsziele erreicht werden sollen. Grundlage der Strategie ist eine umfassende doppelte Wesentlichkeitsanalyse, einschließlich Risiko-, Auswirkungs- und Chancenbewertung entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Daraus leiten sich 18 messbare Ziele und 55 konkrete Maßnahmen ab, die bis 2030 umgesetzt werden. Im Bereich »Environmental« bildet die Dekarbonisierung das zentrale Handlungsfeld: Die Porr setzt sich das Ziel, bis 2030 die Scope-1- und Scope-2-Emissionen um 43 % und die Scope-3-Emissionen um 25 % zu reduzieren. Diese Ziele stehen in Einklang mit dem Commitment der Porr zu den wissenschaftsbasierten Klimazielen der internationalen Science Based Targets initiative (SBTi). Im Bereich »Social« stehen Arbeitssicherheit und Gesundheit ebenso im Vordergrund wie Diversität und Gleichstellung. So strebt die Porr an, den Frauenanteil konzernweit sowie im Management auf 18 % zu erhöhen. Unterstützt wird dies durch gezielte Recruiting-Maßnahmen, interne Förderprogramme und ein strukturiertes Diversity-Management. Im Bereich »Governance« fokussiert die Porr auf Menschenrechte, ethisches Handeln und transparente Unternehmensführung.

 

SwietelskyBau25-5.jpg

Bild: Bei Swietelsky versucht man, die CO2-Ziele durch Förderung der Kreislaufwirtschaft, Verwendung von Recyclingbaustoffen und treibhausgasarmen Materialien, Optimierung von Konstruktionen zur Einsparung von Emissionen, Lebenszyklusmanagement, einer Stärkung entsprechender Vergabekriterien und effizienter Baulogistik zu erreichen.

ThemaThema

Das Ende des Claim Managements

Der Bau & Immobilien Report hat eine hochkarätige Runde zur Diskussion über »Partnerschaftsmodelle« geladen. Der Tenor: Das Zeitalter des Claim-Managements neigt sich dem Ende zu. Für eine kooperative Projektabwicklung sind die Menschen entscheidend, ohne den passenden vertraglichen Rahmen wird es...

Bau & Wirtschaft

Leben & StilView all

Produkte & ProjekteView all