Samstag, April 20, 2024

Partnerschaftsmodelle sind in der Bauwirtschaft weiter auf dem Vormarsch. Durch Early Contractor Involvement mit Partnering-Phase kann das Know-how der bauausführenden Unternehmen frühzeitig im Sinne des Projekts genutzt werden. Bauunternehmen wie Porr oder Strabag haben international bereits viele positive Erfahrungen gesammelt. In Österreich steckt das Thema noch in den Kinderschuhen. Die BIG hat ein Pilotprojekt gestartet.

Wer am 20. Oktober die Veranstaltung »Partnerschaft mit Baupraxis« besucht hat, hat eindrucksvoll vor Augen geführt bekommen, wie sehr die partnerschaftliche Projektabwicklung in der Bauwirtschaft an Bedeutung gewinnt. Die verschiedenen Modelle verlassen zunehmend die theoretische Ebene und halten Einzug in die Praxis. »Early Contractor Involvement« (ECI) ist eine der Zauberformeln, die das Planen und Bauen nachhaltig besser machen sollen, im Sinne des »Best for Project«.

Das zentrale Element von ECI ist wenig überraschend die frühzeitige Einbindung des ausführenden Unternehmens in ein Projekt. Ziel ist, dass Auftraggeber, Planer und Ausführende das Projekt im Vorentwurfs- oder Entwurfsstadium in einer gemeinsamen Partnering-Phase optimieren. »Beim ECI wird das Know-how des Ausführenden zu einem Zeitpunkt in das Projekt miteinbezogen, an dem die Kostenbeeinflussbarkeit noch sehr hoch ist«, erklärt Daniel Deutschmann von Heid und Partner. Damit wird sichergestellt, dass der Plan vom konkreten Auftragnehmer auch effizient und kostengünstig umgesetzt werden kann und Planungsschleifen vermieden werden. Am Ende der Partnering-Phase liegt ein von allen Beteiligten geprüfter und bestätigter Preis vor. »Der Vertrag über die Bauleistungen wird erst dann abgeschlossen, wenn die Kosten-, Termin- und Qualitätsziele des Auftraggebers erreicht werden«, erklärt Deutschmann. Als mögliche Vertragsform kommen laut Deutschmann Teil-GU, GU, GU+, TU oder auch der Allianzvertrag in Betracht.

Vorteile und Erfahrungswerte

Bei einem »klassischen« Projektablauf führt die strikte Trennung zwischen Planung und Ausführung dazu, dass die Angebotslegung für die Ausführungsleistungen auf Basis von detaillierten Ausführungsplänen erfolgt. Dabei werden ausführungsspezifische Besonderheiten bei der Planung oftmals nicht erkannt oder nicht entsprechend berücksichtigt. »Auf die Preisprognose des Planers folgen die tatsächliche Preise des Bauunternehmens. Die Kostenwahrheit gibt es bei einem klassischen Projektablauf somit erst zu einem sehr späten Zeitpunkt«, erklärt Deutschmann. Die Folge sind für den Auftraggeber zu hohe Angebote der Ausführenden.

(Bild: Strabag/teamconcept) 

Die Alternative ist die Rückkehr in die Vorentwurfsplanung, um das Projekt zu optimieren und einen für den Auftraggeber akzeptablen Preis zu erzielen. »Das bedeutet umplanen und adaptieren. Das wirft das ganze Projekt zurück, bedeutet Zeitverzug und Kostenerhöhung«, so Deutschmann. Mit ECI lassen sich diese Planungsschleifen verhindern. Dazu kommt, dass Spezial-Know-how über Materialien, Lieferanten und Ausführungsdetails viel eher bei den ausführenden Unternehmen angesiedelt sind. Davon können Auftraggeber profitieren. »Gerade bei komplexeren Projekten kenne ich kein Bauvorhaben, wo man nicht als bauausführendes Unternehmen Verbesserungen in die Planung einbringen kann«, erklärt der ehemalige Strabag-Vorstand und zukünftige Swietelsky-Vorstandsvorsitzende Peter Krammer. Auch der Kunden-Tenor sei eindeutig. »Wer einmal in einem Partnering-Modell gearbeitet hat, will nicht mehr zurück in die alte, konfliktbehaftete Welt«, so Krammer.

Auch bei der Porr hat man mit ECI schon gute Erfahrungen gemacht. »ECI in Kombination mit Methoden wie Lean und BIM sind für unsere Auftraggeber sehr wichtig und werden in künftigen Verfahren immer mehr Bedeutung erlangen, da sie transparente Prozesse unterstützen«, erklärt Christian Maeder, Abteilungsleiter Design & Build Management. Eine Projektorganisation, die die Vorteile von ECI zu nutzen weiß, führe in der Regel schon früh im Projektverlauf zu einer höheren Kosten- und Terminsicherheit. »Wir konnten mit ECI verschiedene Projekte sowohl im Kostenrahmen und vor dem vereinbarten Termin abschließen«, so Maeder.

BIG-Pilotprojekt

In Österreich gibt es schon einige Projekte mit ECI als GU+, TU oder auch Allianzvertrag, bei denen die Planung ab einem gewissen Zeitpunkt auf den Ausführenden übergangen ist und die Partnering-Phase am Ende des Vergabeverfahrens im Rahmen der Endverhandlungen stattfindet. Noch wenig Projekte gibt es allerdings mit ECI durch Partnering-Phase, bei der das Know-how des Ausführenden durch die Partnering-Phase in das Projekt geholt wird. Die Generalplanung kann dabei auch beim Auftraggeber bleiben. Jetzt hat mit der BIG ausgerechnet ein öffentlicher Auftraggeber – denen von ausführender Seite ja noble Zurückhaltung in Sachen ECI attestiert wird – ein entsprechendes Pilotprojekt gestartet: Die Generalsanierung eines ehemaliges Zollgebäudes in der Vorderen Zollamtsstraße im dritten Wiener Gemeindebezirk wird als ECI-Projekt mit Partnering-Phase als GU+Modell umgesetzt.

»Vom ECI-Modell erwarten wir uns einen konstruktiven und befruchtenden Diskurs zwischen Planung und Ausführung, insbesondere betreffend Architektur, Baukonstruktion und technischer Abwicklung«, sagt BIG-Geschäftsführer Wolfgang Gleissner über das erste Pilotprojekt. (Bild: Peter Rigaud)

Von der frühen Einbindung der Erfahrungen der Bauausführenden schon in der Entwurfsplanung erwartet sich die BIG einen konstruktiven und befruchtenden Diskurs zwischen Planung und Ausführung, insbesondere betreffend Architektur, Baukonstruktion und technischer Abwicklung. »Daraus resultierend soll eine Optimierung und erhöhte Sicherheit im Ablauf des Termin- und Kostenmanagements erreicht werden«, so Gleissner. Nachdem die Generalplanersuche für das Pilotprojekt abgeschlossen ist, steht nun die Vergabe an den Early Contractor kurz bevor. Der Baubeginn ist für 2023 geplant.

Das Objekt eignet sich ideal für ein ECI-Pilotprojekt. Mit einem Gesamtvolumen von rund 20 Millionen Euro ist es weder zu groß noch zu klein. Als Bestands­objekt gibt es natürlich Bestandsrisiken, dazu kommt eine komplexe innerstädtische Baustellenlogistik und auch der Denkmalschutz spielt eine Rolle. »Alle diese Herausforderungen können mit ECI sehr gut gelöst werden, weil wir in der Partnering-Phase die Möglichkeit haben, die Risiken gemeinsam zu erheben und eine optimierte Lösung zu entwickeln«, sagt Daniel Deutschmann, der das Projekt begleitet. Es kann gemeinsam abgestimmt werden, wo Bauteilöffnungen sinnvoll sind, um Bestandsrisiken und deren Auswirkungen auf die Statik besser abschätzen zu können. Dasselbe gilt auch für die Logistik, den Bauablauf und die Abstimmung mit dem Denkmalamt. »Damit ist schon in dieser sehr frühen Phase enorm viel Know-how im Spiel«, so Deutschmann. »Es ist eine Art Pingpong-Spiel zwischen dem gewünschten Ergebnis und den dafür nötigen Maßnahmen.« 

»Beim ECI wird das Know-how des Ausführenden zu einem Zeitpunkt in das Projekt miteinbezogen, an dem die Kostenbeeinflussbarkeit noch sehr hoch ist«, erklärt Daniel Deutschmann von Heid und Partner. (Bild: Heid und Partner)

Großes Potenzial

Auftragnehmer wie die Porr sind vom großen Potenzial von ECI überzeugt. »ECI erlaubt einen Wissens- und Erfahrungsaustausch zu einem für den Projekterfolg günstigen Zeitpunkt. Wir können unsere Umsetzungskompetenz so in das Projekt einfließen lassen, dass ein gemeinsames Projektverständnis aller Beteiligten viel früher als in einer konventionellen Projektorganisation erreicht werden kann. Darin sehen wir einen wichtigen Beitrag zur Konfliktvermeidung und für die zielgerichtete Zusammenarbeit«, sagt der Porr-Verantwortliche Christian Maeder.

Auch Rechtsanwalt Deutschmann sieht großes Potenzial in dieser Form des Partnerschaftsmodells, da dieses von Auftraggebern relativ einfach umgesetzt werden kann und man bei ECI in der Partnering-Phase auch mit klassischen Modellen wie GU arbeiten kann. »Ein ECI-Projekt dauert auch nicht länger, es werden nur die Phasen verschoben. Zum Wohle aller Beteiligten. Deshalb bin ich überzeugt, dass viele Auftraggeber auf den Zug aufspringen werden«, so Daniel Deutschmann.

(Titelbild: iStock)


Best Practice

Das künftige Bildungsareal des MCI wird ab Anfang 2023 in prominenter Lage in Innsbruck entstehen: In unmittelbarer Nähe zu mehreren Fakultäten der Universität Innsbruck, zum internationalen Kongresszentrum und zur Altstadt. Insgesamt soll es 3.500 Studierenden, 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und rund 1.000 Dozentinnen und Dozenten einen modernen und  zukunftsweisenden Standort bieten. Mit der Umsetzung dieses Auftrags wurde die Arbeitsgemeinschaft Porr/Ortner als Totalunternehmerin beauftragt. Als ECI-Projekt waren neben dem federführenden Generalplaner pde integrale Planung und dem Architekten Henning Larsen auch Ortner, Porr und Elin frühzeitig in das Projekt eingebunden: Sie gestalten die Planung aus Sicht der Ausführenden mit und bringen Ideen bereits frühzeitig ein, sodass viele Herausforderungen gelöst werden können, bevor sie in der Bauphase auftreten. ECI ermöglicht damit ein gemeinsames Projektverständnis zwischen Planung und Ausführung wesentlich früher und in der Folge eine deutlich höhere Termin- und Kostensicherheit.

Der MCI Campus in Innsbruck wurde von Porr/Ortner mit Hilfe von Early Contractor Involvement geplant. (Bild: Henning Larsen)

Auftraggeber: Land Tirol
Projektart: Hochbau
Leistungszeitraum: 2022 bis 2026 – aktuell Vorentwurf
Budget MCI ober- und unterirdisch: 135 Millionen Euro 

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