Samstag, Oktober 05, 2024

Die Bauwirtschaft beschäftigt die Wettbewerbsbehörden in Österreich weiterhin. Gemeinsam mit E+H Rechtsanwälte zeigt der Bau & Immobilien Report, worauf Unternehmen achten sollten, um Kartellrechtsverstöße und damit einhergehend hohe Geldbußen, Schadenersatzforderungen und Freiheitsstrafen für die Mitarbeiter*innen zu verhindern.

Die Verfahren vor der Bundeswettbewerbsbehörde und dem Kartellgericht in Sachen Baukartell dauern weiterhin an. Bereits jetzt handelt es sich aber um das Kartell, in dem die höchsten Geldbußen in Österreich verhängt wurden. Zum jetzigen Stand wurden Geldbußen in der Höhe von 107,72 Millionen Euro verhängt und mindestens weitere 53,48 Millionen Euro beantragt.

Im Baukartell kam es über mehr als 15 Jahre österreichweit zu Abstimmungen über zukünftiges Verhalten bei Angebotsabgaben. Teilweise kam es auch zur Bildung kartellrechtswidriger Arbeits- und Bietergemeinschaften für bestimmte Ausschreibungen. Insgesamt herrschte eine hohe Transparenz zwischen vielen Marktteilnehmer*innen, da durch regelmäßige Kontakte das zukünftige Angebotsverhalten der Mitwerber bekannt war. Durch die nunmehr bereits fünf Jahre andauernden Verfahren im Baukartell herrscht in der Branche heute selbstverständlich eine ganz andere Haltung zum Thema Kartellrecht. Dass das Legen von Deck- oder Schutzangeboten bei Ausschreibungen ein absolutes No-Go ist, ist heute sicherlich jedem Marktteilnehmer klar.

Es gilt aber auch, bei weniger intensiven Kontakten mit Wettbewerbern die kartellrechtliche Compliance zu wahren: so kann etwa nicht ohne weiteres bei Wettbewerbern abgeklopft werden, ob der Wettbewerber ebenfalls beabsichtigt, an einer bestimmten Ausschreibung teilzunehmen. Das hat das Kartellgericht bereits in Entscheidungen zum Baukartell rechtskräftig ausgesprochen.

Compliance als Chance

Gerade wenn in einer Branche Ermittlungen der Wettbewerbsbehörde anhängig sind, führt das bei Mitarbeiter*innen von Marktteilnehmern der betroffenen Branche häufig zu starker Verunsicherung: Darf man überhaupt noch mit Mitarbeiter*innen des Wettbewerbers Kontakt haben? Was sind zulässige Kontakte? In einer derartigen Situation müssen die Mitarbeiter*innen von ihren Arbeitgeber*innen ausreichend »abgeholt« werden.

Schließlich ist es im Interesse des Unternehmens, dass das Unternehmen (über seine Mitarbeiter*innen) alle kartellrechtlichen Vorschriften einhält. Denn die Geldbuße muss das Unternehmen zahlen, ebenso Schadenersatzforderungen von möglicherweise durch das Kartell geschädigten Kunden. Judith Feldner, Partnerin bei E+H Rechtsanwälte, rät Unternehmen aus der Bauwirtschaft daher, kartellrechtliche Compliance als Chance zu sehen. Unabhängig von der Größe des Unternehmens empfiehlt sich die Implementierung eines Compliance-Systems. Bei kleineren Unternehmen kann bereits ein kurzer Leitfaden für die relevanten Mitarbeiter*innen beitragen, Kartellrechtsverstöße zu verhindern. Insgesamt kommt es nicht auf die Länge des Dokuments an, sondern entscheidend ist, dass die Mitarbeiter*innen die »Dos & Don’ts« kennen. Ein Leitfaden kann nicht jedes Szenario abbilden, deshalb muss es auch im Unternehmen eine Ansprechperson geben, an die sich Mitarbeiter*innen wenden können, wenn man sich bei einem Sachverhalt nicht sicher ist, wie man sich kartellrechtlich richtig verhält.

»Es ist wichtig, dass sämtliche relevanten Mitarbeiter*innen die kartellrechtlichen ›Dos & Don’ts‹ kennen«, erklärt Judith Feldner, Partnerin bei E+H Rechtsanwälte. (Bild: Marlene Rahmann)

Mitarbeiter*innen müssen wissen, dass nicht nur schriftliche, mündliche oder schlüssige Vereinbarungen zwischen Unternehmen einen Kartellrechtsverstoß darstellen können. Verboten ist etwa auch das einseitige Übermitteln von Preislisten oder Kundenlisten an den Wettbewerber. »Unternehmen, denen wettbewerbsrelevante Informationen von anderen Unternehmen übermittelt werden, sollten sich unter Verweis auf kartellrechtskonformes Verhalten klar von den übermittelten Informationen distanzieren«, erklärt Marcel Neuhauser, Rechtsanwaltsanwärter bei E+H Rechtsanwälte.

Vorsicht bei ARGE und BIEGE

Judith Feldner rät zu besonders sorgfältigen Verhalten im Zusammenhang mit Arbeits- bzw. Bietergemeinschaften. Werden gewisse kartellrechtliche Compliance­Grundregeln berücksichtigt, stellt die ARGE keinen kartellrechtlichen Stolperstein dar und sowohl die Unternehmen als auch die Auftraggeber können von den Synergieeffekten, die ARGE mit sich bringen, profitieren. ARGE bieten Unternehmen, die alleine kein Angebot abgeben könnten, die Möglichkeit, am Wettbewerb teilzunehmen. Vor der Bildung einer ARGE sollte jedenfalls geprüft werden, ob eine solche zulässig ist, erklärt die Expertin von E+H Rechtsanwälte. Auch wenn diese Prüfung positiv ausfällt, müssen die beteiligten Unternehmen stets darauf achten, welche Informationen sie austauschen. Jedenfalls darf unter dem Deckmantel »ARGE« kein Kartell stattfinden.


Über die Kanzlei

E+H Rechtsanwälte GmbH  ist eine international tätige Wirtschaftsrechtskanzlei mit Standorten in Wien, Graz, Klagenfurt und Brüssel und verfügt über eines der größten Kartellrechtsteams in Österreich. 
Info: www.eh.at

(Titelbild: iStock)

Meistgelesene BLOGS

Mario Buchinger
07. August 2024
Der Ruf nach Resilienz in den Lieferketten wird lauter. Nach den Erfahrungen einer weltweiten Pandemie und den immer deutlicheren Auswirkungen der Klimakrise scheint das sinnvoll. Doch was macht eine ...
Nicole Mayer
05. Juli 2024
Im Juni wurden am qualityaustria Excellence Day und der Verleihung Staatspreis Unternehmensqualität die Preisträger*innen 2024 verkündet. Die Sieger*innen im Überblick• Staatspreis Unternehmensqualitä...
Marlene Buchinger
09. August 2024
CSRD, ESRS, CBAM – Nachhaltigkeitsbegriffe schnell erklärt. Nachhaltigkeit wird immer mehr Teil der Führungsarbeit. Daher lohnt ein Blick auf die wichtigsten Begriffe. Wie in jeder Fachdisziplin gibt ...
Redaktion
10. Juli 2024
Ende April wurde das EU-Lieferkettengesetz verabschiedet. Dieses ambitionierte Gesetz verpflichtet Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten und einem Umsatz von über 450 Millionen Euro, Menschenrec...
Nicole Mayer
19. August 2024
Am qualityaustria Excellence Day im Juni wurde nicht nur das AMS Kärnten mit dem Staatspreis Unternehmensqualität 2024 ausgezeichnet, sondern auch drei weitere exzellente Unternehmen zum Staatspreis n...
Marlene Buchinger
07. August 2024
Was bedeutet Nachhaltigkeit und warum ist das Thema so wichtig? Der Begriff Nachhaltigkeit und die damit verbundenen Veränderungen werfen bei vielen Führungskräften noch Fragen auf. Aus diesem Grund e...
Alfons A. Flatscher
01. Juli 2024
Willkommen im 21. Jahrhundert, wo Homeoffice und Co die Arbeitswelt revolutionieren. Was einst als Extra galt, ist durch die Pandemie zur Norm geworden. Der Küchentisch wird zum Schreibtisch, die Jogg...
Marlene Buchinger
07. August 2024
Schulungsangebote und ESG-Tools schießen wie Pilze aus dem Boden. Doch anstelle das Rad neu zu erfinden, sollten bestehende Strukturen neu gedacht werden. Die Anforderungen an Unternehmen punkto Verbe...

Log in or Sign up