Dienstag, Dezember 03, 2024
"Neues Fördermodell für den Geschoßwohnbau"

Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht der steirische Wohnbaulandesrat Johann Seitinger über das Zusammenspiel von Klimaschutz und leistbarem Wohnen, die Eigenheiten der steirischen Wohnbaupolitik und die Notwendigkeit eines neuen Fördermodells ab 2022, um die aktuellen Bauvolumina aufrecht zu erhalten.

Report: »Leistbares Wohnen« und »Klimaschutz« waren zwei der vorherrschenden Themen im abgelaufenen Wahlkampf. Wie lassen sich diese beiden Themen aus Ihrer Sicht unter einen Hut bringen?

Johann Seitinger: Beide Themen lassen sich hervorragend miteinander verbinden. Der Gebäudesektor leistet einen ganz wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz und hat dies auch in der Vergangenheit erfolgreich unter Beweis gestellt. Etwa ein Drittel der bisherigen Fortschritte im Klimaschutz stammen aus diesem Bereich. Und damit sind wir auch schon beim »leistbaren Wohnen«: Auf den ersten Blick mag man denken, dass Klimaschutzverpflichtungen das Bauen teurer und das Wohnen weniger leistbar machen. Betrachtet man die Sache jedoch genauer, erkennt man, dass die – bei uns in der Steiermark bereits praktizierte – Verknüpfung der Wohnbauförderung mit günstigen Mieten einerseits und strenge Klimaschutz­erfordernisse andererseits eine Win-win-Situation darstellen.

Report: Können Sie dafür ein konkretes Beispiel nennen?

Seitinger: Unser steirisches Förderprogramm für umfassende Sanierungen garantiert für die Förderlaufzeit Mieten weit unter dem marktüblichen Niveau und gleichzeitig strenge Anforderungen an Dämmung und Haustechnik. Will ein Investor also in den Genuss der Landesförderung und der daran geknüpften begünstigten Abschreibungsmöglichkeiten kommen, muss er beide Bedingungen erfüllen. Nicht zu vergessen ist auch, dass sich Klimaschutzinvestitionen positiv auf die Betriebskosten auswirken. Unser Ziel muss es sein, künftig klimaneutrale Gebäude zu bauen. Das heißt im Sinne einer Gesamtenergiebilanz.

Report: Wo sehen Sie die größten Hebel, um Wohnen leistbarer zu gestalten?

Seitinger: Das übergeordnete Ziel jeder Wohnbaupolitik muss es sein, Wohnen für all jene leistbar zu machen, die sich auf dem freien Markt adäquaten Wohnraum nicht leisten können. Um diesem Ziel gerecht zu werden, haben wir in der Steiermark unterschiedliche Stellschrauben, an denen wir drehen können. Beginnend bei Wohnbau- und Sanierungsförderungen über Wohnzuschüsse und festgesetzte Maximalmieten bis zu gesonderten Sozialwohnungen unter Einbeziehung von Baurechten.

Report: Bauen und Wohnen ist mit hohen Kosten verbunden. Was sind die größten Kostentreiber?

Seitinger: Der – gerade in Zeiten niedriger Zinsen – unbestritten größte Kostentreiber ist der Grund und Boden. Hier gibt es jedoch regionale Unterschiede. Gott sei Dank ist der diesbezügliche Druck, mit Ausnahme von Graz, in der Steiermark weniger groß als in anderen Bundesländern. Wir haben nach wie vor ausreichend Flächen zur Verfügung, mit denen aber sorgsam und nachhaltig umzugehen ist. Denn unser Boden ist nicht vermehrbar.

Ein weiterer Kostentreiber sind – bitte erlauben Sie mir diese persönliche Anmerkung – übertriebene Normen wie z.B. in den Bereichen Brandschutz, Barrierefreiheit, Sicherheit etc.; hier würden uns mehr Augenmaß und Hausverstand manchmal durchaus guttun.  Auch die – von vollen Auftragsbüchern der Baufirmen gekennzeichnete – Zeit der Hochkonjunktur mach sich in Miet- und Kaufpreisen bemerkbar; ein Glück für den Wirtschaftsstandort und die Beschäftigungszahlen, eine Herausforderung jedoch für die Bewohnerinnen und Bewohner. Im Geschoßneubau begegnet die Steiermark dieser Entwicklung u.a. mit Baukostenobergrenzen– sie liegen generell bei 1.900,– Euro/m² bzw. 2.200,– Euro für kleinräumige oder besonders öko-innovative Wohnbauten wie z.B. Holzbauten.
 
Report: Die Wohnbauinvestitionsbank wurde von den Bau-Sozialpartnern vorbereitet und von der vorvorigen Bundesregierung beschlossen. Die letzte Regierung hat die WBIB zur Überraschung vieler zu Grabe getragen. Aus Ihrer Sicht eine sinnvolle und nachvollziehbare Maßnahme? Hätte es für die WBIB trotz Niedrigzinsen eine Daseinsberechtigung gegeben?

Seitinger: Die Anschaffung von Wohnraum bedeutet für viele Menschen einen erheblichen finanziellen Aufwand. Daher ist es notwendig, intelligente Finanzierungsmodelle am bestehenden Kapitalmarkt zu finden. Im Kern der Sache geht es mir einzig und alleine darum, langfristig günstige Geldmittel für den Wohnbau sicherzustellen, damit es durch kurzfristige Zinsschwankungen zu keinen untragbaren Mieterhöhungen kommt. Oberste Maxime muss es sein, die Mieten und die Gesamtkosten niedrig zu halten.

Das gilt insbesondere für unsere jungen Menschen, die am Anfang des Berufslebens stehen und sich etwas aufbauen wollen. Aber auch für unsere Älteren muss es möglich sein, ein schönes und erschwingliches Zuhause zu haben, denn sie haben ein Leben lang hart gearbeitet und viel geleistet. Unser aller Ziel ist es, auch in Zeiten strikter Maastricht-Vorgaben und niedriger Kapitalmarktzinsen am Konzept der Wohnbauförderung festzuhalten.

Report: Niederösterreich hat ein eigenes, der WBIB ähnliches Modell mit Landeshaftungen umgesetzt. Ist das auch für die Steiermark eine Überlegung wert?

Seitinger: Niederösterreich bedient sich dabei der landeseigenen Hypo. Völlig wertfrei möchte ich feststellen, dass es dieses Bankenmodell in vielen anderen Bundesländern nicht mehr gibt. Eines steht für mich fest: Die Steiermark muss für 2022 ein neues Fördermodell für den Geschoßbau auf die Beine stellen, das die derzeit geförderten Bauvolumina zumindest aufrechterhält und nach Möglichkeit sogar erhöht, die im Vergleich mit dem freien Markt deutlich niedrigen Mieten weiterhin gewährleistet, Maastricht-neutral ist und keine massive Neuverschuldung nach sich zieht. Wie schwer dies zu bewerkstelligen ist, können Sie sich wohl lebhaft vorstellen. Unsere Vorarbeiten dahingehend sind bereits voll angelaufen.

Report: Wie in vielen anderen Bundesländern fließen auch in der Steiermark die Einnahmen aus dem Wohnbauförderungsbeitrag in das Landesbudget und sind nicht zweckgebunden. Wäre in Zeiten von ständig steigenden Preisen und Wohnungsknappheit eine Zweckbindung nicht sinnvoll und nötig?

Seitinger: Die Idee der Zweckbindung wird von den Wohnbaureferenten aller österreichischen Bundesländer – und somit auch von mir – eindeutig begrüßt. Leider ist dem Wohnbau in der Vergangenheit viel Geld für Zwecke der Budgetsanierung entzogen worden. Derzeit geben wir in der Steiermark allerdings mehr Geld für den geförderten Wohnbau aus, als wir zweckgebunden dafür bekommen würden.

Report: Wie würden Sie mit wenigen Worten die Wohnbaupolitik der Steiermark beschreiben? Worin unterscheidet sie sich von der anderen Bundesländern?

Seitinger: Das Thema Wohnen hat bei uns eine sehr hohe Priorität. Gemeinsam ist uns allen klar, dass wir die Gemeinnützigkeit hochhalten und darum bestrebt sind, unseren Bürgerinnen und Bürgern qualitätsvolles Wohnen zu leistbaren Konditionen zu ermöglichen. Ich bin überzeugt, dass sich jedes Land sehr bemüht, auf seine Bedürfnisse hin den Wohnbau bestmöglich zu gestalten.

Die Steiermark legt großen Wert auf das massive Forcieren des innovationsgetriebenen Holzbaus, auf die Sanierung von Ortskernen in Verbindung mit Nahversorgungssystemen, auf die Assanierung – das heißt: Abreißen nicht mehr verwertbarer Baustrukturen und das Aufsetzen neuer Bausubstanz an gleicher Stelle –, auf die speziell für die Jugend angepassten Startwohnungen in zentraler Lage und mit der notwendigen Infrastruktur sowie auf die Verbindung des Wohnbaus mit der Revitalisierung von historischen Bauten mit kultureller Bedeutung.

Einen besonderen Fokus legen wir jedoch auch auf die Verdichtung von Wohnbauten insbesondere im urbanen Raum, um wertvollen Grün- und Freiraum zu erhalten. In Zukunft wird das Begrünen von Dächern, das Anlegen von Dachgärten sowie verpflichtende Photovoltaikanlagen zur hauseigenen Energieversorgung einen Teil unserer Innovationen im Bereich des Wohnbaus ausmachen.

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