Wednesday, July 02, 2025

Mehrwert für Manager

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Ob autonomes Fahren, smarte Produktion oder Medizin: Künstliche Intelligenz verändert unsere Welt. Doch wo Maschinen Entscheidungen treffen, ist ein sicherer und ethischer Rahmen notwendig. Gleichzeitig droht Europa, den Anschluss bei der rasanten Marktentwicklung von KI-Modellen und IT-Infrastruktur zu verlieren. Bei der Veranstaltung „KI mit Verantwortung: Ethik, Technologie, Transparenz und Sicherheit“ der Plattform Future Network und des Ausbildungsspezialisten Con.Ect Eventmanagement am 25. Juni in Wien wurden die Herausforderungen für den Wirtschaftsstandort und unsere Gesellschaft aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet und diskutiert.

Bild: iStock

Die Gastgeber Markus Manz, CEO des Software Competence Center Hagenberg, David Steinmetz vom Future Network und Con.Ect-Geschäftsführerin Bettina Hainschink betonten den Netzwerkcharakter und notwendigen Dialog von Forschung, Wirtschaft und auch Anwender*innen. „KI benötigt auf jeden Fall ein gewisses Maß an Regulierung und Standardisierung, um sie vertrauenswürdig und sicher nutzen zu können. Gleichzeitig müssen wir in Europa an Geschwindigkeit aufnehmen“, weist Markus Manz auf eine gewisse „Diskrepanz“ hin. Verstecken müsse sich die heimische Wirtschaft nicht, so der SCCH-Geschäftsführer: „Zahlreiche innovative Unternehmen beweisen, dass KI verantwortungsvoll auch in Österreich zum Erfolg geführt werden kann.“

Das Linzer Unternehmen NXAI verfolgt das Ziel, Europas Unabhängigkeit in der Entwicklung leistungsfähiger KI-Modelle zu stärken. Gemeinsam mit dem NXAI-Team arbeitet Lukas Fischer, Head of Applied Research, an neuartigen, ressourcenschonenden KI-Architekturen als Alternative zu gängigen Transformer-Modellen wie ChatGPT. Grundlage ist xLSTM, eine Weiterentwicklung klassischer LSTM („Long Short Term Memory“)-Netze, die für höhere Effizienz und geringeren Energieverbrauch optimiert ist. Darauf baut TiRex auf – ein kompaktes, vortrainiertes Modell für Zeitreihenanalysen. Es ermöglicht präzise Vorhersagen auch für unbekannte Datensätze und lernt dabei durch Beispiele direkt im Eingabekontext („In-Context Learning“). „Europa braucht effiziente, unabhängige und praxistaugliche KI-Modelle“, betont Fischer. Die in Oberösterreich entwickelte Technologie bringt KI direkt in industrielle Anwendungen – vom autonomen Drohnenflug über das Energiemanagement bis zur smarten Maschinensteuerung. „Unsere xLSTM-Architektur macht anspruchsvolle KI überall dort möglich, wo sie wirklich gebraucht wird: in der Fertigung, auf Edge-Geräten oder in eingebetteten Systemen – mit minimalem Energiebedarf“, erklärt Fischer.

Gedanken zur sicheren Zusammensarbeit
Standardisierungsexperte Erwin Schoitsch vom AIT Austrian Institute of Technology diskutierte anschließend Normen für die sichere Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine. Standardisierungsgremien beschäftigen sich damit, die Grundlagen für eine sichere, vertrauenswürdige und ethische Entwicklung von Technologie zu schaffen. Autonomes Fahren, mobile Roboter in Industrie und Transport, in der Klinik oder im Haushalt – der Mensch kann heute in körperlichem Kontakt mit Maschinen zusammenarbeiten. Für Schoitsch ist in diesem „Team“ Respekt und Verständnis auf beiden Seiten erforderlich: „Nicht nur die Technik braucht klare Regeln, auch der Mensch benötigt die Übersicht in der Nutzung – wie KI funktioniert, was von ihr erwartet werden kann“. Mit der Dominanz von KI-Systemen aus den USA und aus China müsse sich Europa auch mit kulturellen Unterschieden beschäftigen, etwa bei gesellschaftlichen und rechtlichen Fragen zu Datenschutz und Privatsphäre.

Dass Forschung im Bereich KI einen Wettbewerbsvorteil für europäische Unternehmen bedeutet, das sieht auch Thomas Doms, Geschäftsführer bei TRUSTIFAI. Technologie benötige aber auch Kontrolle: Das Joint Venture von TÜV Austria und SCCH stellt mit einer einzigartigen Methode KI-Anwendungen auf den Prüfstand. Getestet werden unterschiedliche technische Kriterien und Risikoanforderungen je nach Branche und Einsatzbereich, aber auch Plausibilität und Nachvollziehbarkeit von KI-gestützten Prozessen. Unternehmen erhalten damit nicht nur den Nachweis der Funktionstüchtigkeit und Güte einer Anwendung, sondern auch Guidelines für die weitere Verbesserung, etwa auf Leistungsebene. „Wir sehen viele neue Technologien und Modelle am Markt. Was aber fehlt, ist das Erfahrungswissen“, so Thomas Doms. Der typische „Startup-Ansatz“ würde beim Ausrollen einer Lösung in einem größeren Betrieb nicht ausreichen, es brauche kontinuierliches Monitoring und belastbare Prozesse – in jeder Phase des Lebenszyklus einer Lösung, von der Konzeption über die Entwicklung bis zum längeren Einsatz.

Annotation aus Österreich
Maschinelles Lernen benötigt als Training viele Daten in hoher Qualität. Der Verein Responsible Annotation, gegründet 2022 als Weiterentwicklung eines seit 2019 laufenden Pilotprojekts mit Kapsch TrafficCom, vermittelt Menschen mit unterschiedlichen Benachteiligungen in Arbeitstrainings und Jobs in der Datenannotation in Österreich. „KI braucht Annotation. Das ist Datenaufbereitung für KI-Training. Konsistent aufbereitete Daten sind die Basis für gute KI“, erzählt Vereinsgründer Martin Hartl. Er ist überzeugt, dass sich „Inklusion und Wettbewerbsfähigkeit nicht widersprechen“ – und arbeitet eng zusammen mit Andreas Schachl, Geschäftsführer von Responsible Annotation Services, der nun die Dienstleistung KI- Annotation mit entsprechend gut trainierten Leuten für die Wirtschaft anbietet. „Wir richten uns an alle, die von Qualität profitieren möchten, aber selbst kein Annotations-Team dauerhaft aufbauen wollen“, argumentiert Schachl. Weiters könne man bei Sicherheit und Datenschutz als europäisches Unternehmen punkten. Der Verein begleitet die Kompetenzgruppe Annotation, Menschen mit diversen Diagnosen und Benachteiligungen, die besondere Kompetenzen in Richtung Detailgenauigkeit haben, wie etwa Menschen im Autismus-Spektrum. Sie machen diesen Job besonders gut. Annotation ist somit nicht nur im globalen Süden möglich, sondern nun auch in Österreich, mit hohem Anspruch an Qualität und ethischer Verantwortung.

Der Verein begleitet die Aufstellung neuer inklusiver Teams in datenintensiven Arbeitsumgebungen. Bei Responsible Annotation Services können Unternehmen Annotationsdienstleistungen zukaufen und somit auch Inklusion unterstützen, aber auch den Vorteil von regionaler Annotierung mit höchster Datensicherheit und -qualität nutzen.

Schutz vor Desinformation
Für Ross King vom AIT bedeutet KI ein Wettrüsten zwischen Information und Desinformation in Medien und im digitalen Raum. Mit der Technologie können heute in wenigen Sekunden irreführende Inhalte erzeugt und weltweit verteilt werden, beispielsweise mit Deepfake-Videos oder generierten Texten. Die Vielfalt von Desinformation – von unbeabsichtigten Fehlinformationen bis hin zu gezielter Propaganda – stellt auch Spezialisten vor eine Herausforderung. Was können wir dagegen tun? Für den Forscher sind es mehrere Dinge: Medienkompetenz und Bewusstseinsbildung der Öffentlichkeit, ein unabhängiger Journalismus und schließlich auch technische Maßnahmen. „Wir arbeiten mit unserer Media Intelligence Platform daran, auch der Forschung die richtigen Werkzeuge dafür in die Hand zu geben“, sieht King die Notwendigkeit unterschiedlicher Instrumente zum Fakten-Check von Texten, Bildern und Videos. So kann zum Beispiel mit einem Tool geprüft werden, ob ein Foto tatsächlich am geografisch richtigen Ort aufgenommen wurde oder ein Fake ist.

Am Ende der Fachkonferenz lud Manuel Minichberger vom Austria Wirtschaftsservice zum Besuch des aws KI-Marktplatzes ein. Die Onlineplattform vernetzt gezielt Unternehmen mit KI-Anbietern in Österreich und erleichtert den Zugang zu maßgeschneiderten Lösungen – von der Darstellung von Anwendungsbeispielen über Matching-Services bis hin zu Pitching-Events, die Unternehmen auf der Suche nach den richtigen Partnern anstoßen können. „Wir wollen Vertrauen, Orientierung und konkrete Umsetzungsmöglichkeiten für KI fördern“, sagt Minichberger.

Die Veranstaltung wurde von Future Network, ConEct Eventmanagement, itSMF Austria mit Unterstützung von AIT Austrian Institute of Technology und Software Competence Center Hagenberg organisiert.

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