Monday, June 16, 2025

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KI ist hungrig nach Strom, erzeugt Abwärme und stellt die Netze vor neue Herausforderungen.

Bild: iStock

Sie erlebt seit 2022 ein massives Wachstum in Nutzerzahlen und Anwendungsmöglichkeiten: Künstliche Intelligenz ist bereits das meistdiskutierte Werkzeug aller Zeiten im Technologiesektor. Die Generative-KI-Plattform ChatGPT allein hatte zwei Monate nach ihrem breiten Start bereits 100 Millionen Nutzer*innen. Gut zwei Jahre später, im Februar 2025, hatte chatgpt.com rund 3,9 Milliarden »Visits« verzeichnet. Softwarehersteller setzen auf die Integration von KI in ihren Produkten, die Industrie baut auf Ressourceneffizienz durch smarte Analysen und Millionen Arbeitende auf das Erledigen repetitiver Aufgaben durch künstliche Assistenten. Wie aber schaut es mit dem Energiehunger der Infrastrukturen aus, auf denen die KI-Modelle lernen, gepflegt und an die Millionen Nutzer*innen ausgespielt werden? Und wie wird sich der Ressourcenbedarf in den kommenden Jahren des unaufhaltsamen Wachstums von KI verändern?

Digitale Infrastruktur benötigt schon heute große Mengen an elektrischer Energie. Eine Studie der Internationalen Energieagentur (IEA) schätzt den Verbrauch von Rechenzentren im Jahr 2022 auf rund 460 Terawattstunden (TWh) – und damit auf etwa 2 % des weltweiten Strombedarfs. Verbraucht eine herkömmliche Suche im Internet via Google rund 0,3 Wh Strom, benötigt eine ChatGPT-Anfrage durchschnittlich bereits 2,9 Wh. Bis 2026, so die Prognose, könnte sich der Energiebedarf, angetrieben durch den Boom im KI- und Kryptowährungssektor, weltweit auf über 1.000 TWh steigern. »Die genauen Zahlen liegen noch im Dunkeln, auch aufgrund des Interesses von Technologiekonzernen, die Verbrauchsangaben ihrer KI-Projekte nicht offenzulegen. Doch der ansteigende Trend ist eindeutig festzustellen«, heißt es in einer Aussendung von Erneuerbare Energie Österreich, einem Branchenverband der Energiewirtschaft.

Grafik: Einfache Suchanfragen sind ressourcenschonender als Prompting auf KI-Plattformen. Zumindest nach dem Stand der Technik heute. (Quelle: Alex de Fries, EEÖ)

Einem Bericht des Marktanalysten S&P Global zufolge erwerben große Tech-Konzerne bereits mehr als die Hälfte aller erneuerbaren Energiekontrakte in den USA. KI-Anwendungen bieten freilich auch im Energiesektor die Möglichkeit von Effizienzsteigerungen, zum Beispiel in der Prognose und Optimierung der Netzauslastung. Der einhellige Tenor in der Branche: Der steigende Energiebedarf der IT-Branche ist vorerst bewältigbar, vorausgesetzt, die Rahmenbedingungen für den Ausbau von Erzeugung und Netzen sind entsprechend gestaltet.

In der Regel sind fehlende Netzanschlusskapazitäten der Flaschenhals für neue Datacenter-Standorte im größeren Stil. Diese könnten aber auch als Großverbraucher in das Energiesystem eingebunden werden, etwa mit der Nutzung von Abwärme zur Einspeisung in lokale Wärmenetze oder der Nutzung von Flexibilitätsoptionen zur Netz- und Strompreisstabilisierung.

Rechenzentren zählen auch bei unserem Nachbarn Deutschland zu den am schnellsten wachsenden energieintensiven Branchen. Mit über 2.000 Rechenzentren und einer IT-Anschlussleistung von mehr als 2.700 MW ist Deutschland der führende Rechenzentrumsstandort in Europa. Einem Bericht der Deutschen Energie-Agentur (dena) zufolge könnte der branchenspezifische Strombedarf bis 2030 auf 31 TWh und bis 2045 auf 80 TWh steigen – eine Vervierfachung gegenüber 2024. 80 TWh, das würde 6 % des voraussichtlichen Bruttostromverbrauchs zu dem Zeitpunkt bedeuten. Fakt ist: Der weitere Ausbau von Rechenzentren lässt sich nur mit dem Aus- und Umbau der Energiesysteme verknüpfen.

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Grafik: Einer Prognose von McKinsey zufolge wird sich der weltweite Bedarf an Leistung im Serverbereich bis 2030 vervielfachen.

Einbettung in Netze
Der Strombedarf für den Serverbetrieb ist das eine, die Ableitung von Wärme das andere. Ein Paradeprojekt für die Rolle eines großen Stromverbrauchers, aber auch gleichzeitigen Abwärme-Erzeugers, hat beispielsweise der Co-Location-Anbieter Digital Realty, in dessen Rechenzentrum die Server verschiedenster Kunden untergebracht sind, gestartet. Seit etwas mehr als einem Jahr sind die Wiener Klinik Floridsdorf und das benachbarte Rechenzentrum von Digital Realty über Rohre und Pumpen miteinander verbunden. Projektbeteiligte ist die Stadt Wien mit dem Energieversorger Wien Energie. »Wir haben lange nach einem Partner gesucht, mit dem sich die Idee, die Wärme unseres Rechenzentrums nachhaltig zu nutzen, auch wirtschaftlich umsetzen lässt«, erklärt Martin Madlo, Managing Director von Digital Realty Österreich. Drei Wärmepumpen mit einer Leistung von je einem Megawatt versorgen das Krankenhaus mit »recycelter« Wärmeenergie aus dem Rechenzentrum. Durch den neuen Fernwärmekreislauf spart Digital Realty zudem rund 10 % Kühlenergie ein.

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Bild: Branchentreff der Rechenzentrumsbetreiber bei Digital Realty in Wien, Martin Madlo begrüßt die Gäste.

Rechenzentren energieeffizient und nachhaltig zu betreiben, war auch das Thema eines Branchentreffs der »Austrian Data Center Association (ADCA)« im März in Wien. Über ressourcenschonende Kühlsysteme sprachen Vertreter von Spezialisten und Dienstleistern rund um Flüssigkeitskühlung, Simulationen für Energieeffizienz, für Klimatisierung und Abwärme-Management in Rechenzentren. Denn KI benötigt künftig Rack-Leistungen im Rechenzentrum von 100 kW und mehr – es sind Dimensionen bei der wachsenden Leistungsdichte von IT, in der herkömmliche Kühlsysteme nicht mehr mitkommen. Der Gastgeber, ADCA-Präsident Martin Madlo, sieht ein »zukunftsweisendes Standortkonzept, das in enger Zusammenarbeit von Politik, Energieversorgern und Industrie entsteht«, als »entscheidend« für nachhaltige Rechenzentren.

 

Projekt: Rechenpower direkt im Windrad

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Immer größere Datenmengen und damit rasant steigende Rechenkapazitäten sorgen für einen immer höheren CO2-Ausstoß. Der deutsche Energieerzeuger WestfalenWind will auf diese Herausforderung eine nachhaltige Antwort in Form von mehrgeschossigen Rechenzentren in Windenergieanlagen bieten. Die Idee ist simpel: Strom, der auch wegen Überproduktion ungenutzt bleiben würde, wird dort verwendet, wo er ohnehin klimaneutral produziert wird. Ein Technologiepartner des Konzepts ist Rittal. Der Anbieter für Schaltschranksysteme, Automatisierung und IT-Infrastruktur wird bei Projekten wie dem im September 2024 eröffneten »windCORES II« in Lichtenau in Westfalen mit dem technischen Innenausbau beauftragt. Man möchte den großen Bedarf für Cloud- und Co-Location ansprechen: Bis ein herkömmliches Rechenzentrum gebaut ist, können mitunter Jahre vergehen – die Windkrafttürme dagegen stehen bereits, inklusive leistungsfähiger Netz- und Datenanschlüsse. Während in herkömmlichen Rechenzentren für eine Kilowattstunde Strom im Jahr  2023 380 Gramm CO2 ausgestoßen werden, sind es bei den windCORES lediglich 10,75 Gramm.

 

Im Gespräch zum Thema: Karl Sagmeister, Geschäftsführer Schneider Electric in Österreich

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Welchen Anteil am Strombedarf haben Rechenzentren aktuell in etwa – und wie sehen Ihre Prognosen dazu für die kommenden Jahre aus, insbesondere auch hinsichtlich des Bedarfs durch KI?

Karl Sagmeister: Aktuell verbrauchen Rechenzentren weltweit etwa 460 Terawattstunden Strom pro Jahr. Diese Zahl könnte bis 2026 auf über 1.000 TWh ansteigen, was etwa dem Stromverbrauch von Japan entspricht. In Europa wird erwartet, dass der Strombedarf von Rechenzentren bis 2030 um 10 bis 15 Prozent steigt. Für Europa erwarten wir bis 2030 eine Verdopplung der Stromnachfrage auf 4,9 Prozent. In Österreich gibt es keine spezifischen Zahlen, aber der Trend folgt dem europäischen Muster.

Eine Untersuchung der Investmentbank Goldman Sachs zeigt, dass der Energiebedarf von Rechenzentren bis 2030 im Vergleich zu 2023 global um 165 Prozent steigen könnte. Dies liegt vor allem an den energieintensiven KI-Anwendungen und der fortschreitenden Digitalisierung.

Haben wir genügend Energie, um diesen stark wachsenden Bedarf auf längere Sicht decken zu können?

Sagmeister: Während es global gesehen genügend Energie gibt, um den wachsenden Bedarf zu decken, gibt es jedoch regionale Engpässe, insbesondere in Gebieten, in denen sich viele Rechenzentren konzentrieren. Diese Engpässe entstehen durch die begrenzte Kapazität der Stromnetze und die Herausforderungen bei der Modernisierung und dem Ausbau der Infrastruktur.

Es zeichnet sich der Trend für eine bessere Planung und die Integration von Rechenzentren ab, wo Strom mit einem gewissen Maß an Netzunterstützung verfügbar ist. Es gibt aber auch Anzeichen, dass parallel ein neuer Trend für Micro-Kraftwerke direkt mit Rechenzentren gekoppelt zu entwickeln beginnt. Diese Maßnahmen können dazu beitragen, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und den wachsenden Energiebedarf zu decken.

Welche Projekte oder umgesetzte Lösungen gibt es bereits, um Strom- oder Wärmespitzen an Rechenzentrumsstandorten lokal oder regional zu glätten respektive zu nutzen?

Sagmeister: Schneider Electric bietet Lösungen für die Vor-Ort-Stromerzeugung und Energiespeicherung an, darunter natürliche Gasturbinen, HVO-betriebene Generatoren, Wind- und Solaranlagen sowie Batteriespeichersysteme. Diese Technologien können dazu beitragen, die Abhängigkeit von externen Stromquellen zu verringern und die Versorgungssicherheit zu erhöhen. Im Bereich Microgrids werden Lösungen entwickelt, die Rechenzentren in abgelegenen oder energiearmen Gebieten unterstützen können. Diese Microgrids können sowohl als Hauptstromquelle als auch als Backup-Lösung dienen und helfen, die Netzbelastung zu reduzieren.

Durch die Implementierung von Technologien zur Verbesserung der Energieeffizienz, wie zum Beispiel Kühlsysteme und intelligente Energiemanagementsysteme, können Rechenzentren ihren Energieverbrauch optimieren und Spitzenlasten reduzieren. Schneider Electric fördert zudem die Nutzung nachhaltiger Energiequellen und unterstützt Rechenzentren bei der Integration von erneuerbaren Energien in ihre Energieversorgung.

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