Montag, April 29, 2024
Warum sich die Anpassung des Gesellschaftsvertrages lohnt
»Ohne ausdrückliche Regelung im Gesellschaftsvertrag gibt es keine virtuelle Versammlung«, gibt Thomas Schwab, ScherbaumSeebacher Rechtsanwälte, zu bedenken. (Credit: BSH advisors)

Die letzten Jahre haben die Digitalisierung überall vorangetrieben – auch im Gesellschaftsrecht. Die Möglichkeit, Gesellschafterversammlungen künftig digital oder hybrid abhalten zu können, stand schon lange auf der Wunschliste vieler Gesellschafter*innen. Ein Kommentar von Thomas Schwab, Rechtsanwalt bei ScherbaumSeebacher Rechtsanwälte GmbH. 

Was ist neu?

Gesellschaften, die eine entsprechende Regelung in ihren Gesellschaftsvertrag aufnehmen, können Versammlungen rein virtuell oder in anderen Mischformen, zum Beispiel hybrid mit gleichzeitiger virtueller und teilweise physischer Anwesenheit abhalten. Wichtig ist nach dem Gesetz, dass eine akustische und optische Zweiwegverbindung besteht, also eine Ton- und Bildübertragung. Ohne ausdrückliche Regelung im Gesellschaftsvertrag wird es aber auch in Zukunft keine virtuelle Versammlung geben. Auch dann nicht, wenn alle Gesellschafter*innen einverstanden sind.

Pflichten der Gesellschaft

Die Pflichten bei virtuellen Versammlungen können die Gesellschaft und ihre Organe, aber auch die einzelnen Gesellschafter*innen treffen. Die Verantwortung für den Einsatz der technischen Kommunikationsmittel liegt grundsätzlich bei der Gesellschaft. Die Gesellschaft bzw. ihre Organe haben daher die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Durchführung zu schaffen. Ein Fehler der verwendeten Software oder des Anbieters der Videokonferenz kann zur Anfechtbarkeit der Versammlung und ihrer Beschlüsse führen. Wenn aber ein Gesellschafter nicht an der Versammlung teilnehmen kann, weil etwa seine Kamera nicht funktioniert, wäre dafür nicht die Gesellschaft verantwortlich.

Risiken und Nachteile

Mit zunehmender Teilnehmer*innenzahl steigen die technischen Anforderungen an eine stabile Verbindung und die Fehleranfälligkeit kann zunehmen. Letztlich kommt es auch auf die einzelnen Teilnehmer*innen und ihre Technikaffinität an, ob eine virtuelle Versammlung von Vorteil ist. Auch der Einsatz von künstlicher Intelligenz und deren Missbrauch ist ein Thema. Um deren ungewollte Teilnahme an der Versammlung, z. B. durch die Imitation von Gesellschafter*innen, zu verhindern, kann im Zweifel die Identität der Teilnehmenden überprüft werden. Etwa durch die Kontrolle des Lichtbildausweises. Darüber hinaus kann die Gesellschaft auch Software einsetzen, um künstliche Intelligenz zu enttarnen.

Was tun, wenn während der Versammlung Probleme auftreten? Grundsätzlich sollten seriöse Anbieter für die Abwicklung gewählt werden. Außerdem sollte bereits in der Einladung zur Versammlung eine Fehler-Hotline angeführt sein, an die man sich im Notfall wenden kann. Viele Anbieter haben eine solche Hotline bereits von Haus aus. Bei Versammlungen mit wenigen Teilnehmer*innen kann die Versammlungsleitung bei technischen Problemen auch kurz unterbrechen, um eine neue Verbindung zu ermöglichen. Was genau zu tun ist, sollte und muss die Versammlungsleitung jedoch im Einzelfall entscheiden. 

Was sind die Vorteile?

Die Kosten sind in der Regel deutlich geringer, insbesondere bei einer großen Anzahl von Gesellschafter*innen. Die Teilnehmer*innen können flexibel von jedem Ort der Welt an den Versammlungen teilnehmen. Lange Anfahrtswege entfallen und die Terminfindung wird deutlich erleichtert. Gerade bei börsennotierten Aktiengesellschaften könnten durch die Digitalisierung auch viele junge Aktionär*innen angesprochen und zur Teilnahme motiviert werden.

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