Montag, Dezember 02, 2024
»Sensoren anzubringen reicht nicht«
Foto: Facilitycomfort

Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht Manfred Blöch, Geschäftsführer Facilitycomfort, über BIM im Betrieb, digitale und analoge Trends sowie neue Geschäftsmodelle im Facility Management. Kritik übt Blöch an der veralteten Ausschreibungspraxis vieler Auftraggeber, an Architekten und vermeintlichen Theoretikern.

Report: In der Bauwirtschaft ist aktuell viel von Building Information Modeling als neue Methode des Planens, Bauens, aber auch Betreibens die Rede. Inwieweit ist das Thema »BIM im Betrieb« schon angekommen?

Manfred Blöch: Mit BIM beschäftigt man sich derzeit vor allem auf Universitäten und Fachhochschulen. In der Praxis ist BIM aber noch nicht angekommen, schon gar nicht im Betrieb. Die Idee und Philosophie hinter BIM ist aber auch für den Betrieb richtig. Deshalb wird es auch kommen. Denn letztendlich geht es um die monetäre Bewertung. Alles, was wir tun, wird monetär bewertet. Und derzeit gibt es noch viel zu wenig Auftraggeber, egal, ob öffentlich oder privat, die bereit sind, dafür auch zu zahlen. Ganz einfach deswegen, weil sie den Mehrwert noch nicht erkannt haben. Um das ganze Potenzial von BIM im Betrieb zu nutzen, muss man im Vorfeld investieren, in Planung, Sensorik oder in die Datenanalyse. Ich bin aber zutiefst überzeugt, dass sich BIM in den nächsten fünf bis zehn Jahren auch im Betrieb, wenn auch nicht flächendeckend, etablieren wird.

Report: Damit BIM auch im Betrieb bestmöglich eingesetzt werden kann, ist es unerlässlich, dass die späteren Betreiber und damit auch die Facility Manager frühzeitig in die Planung mit eingebunden werden. Gab es hier schon Anfragen?

Blöch: Ganz klares Nein. Auch die Beratungsleistung wurde noch nicht nachgefragt. Nicht einmal innerhalb der Wiener Stadtwerke, deren Teil wir sind, gab es bisher eine Anfrage. Auch hier ist der Grund aus meiner Sicht ein monetärer. Die Bereitschaft, in finanzielle Vorleistung zu gehen, ohne zu wissen, ob sich das am Ende des Tages rechnet, ist derzeit noch nicht vorhanden. Der Kostendruck ist aber so groß, dass sich noch niemand ernsthaft damit auseinander setzen will.   

Report: Der einfachste Weg wäre demnach, wenn sich ein großes Unternehmen aus der Bauindustrie, das die gesamte Wertschöpfungskette abdeckt, eine neue Zentrale baut, die später auch selbst genutzt wird ...

Blöch: Ja, das sehe ich ähnlich. Es braucht einen großen Errichter, gerne auch aus dem öffentlichen Bereich, der ein echtes Vorzeigeprojekt komplett in BIM durchdesignt und anschließend komplett offenlegt, was es gekostet hat und wo der Mehrwert liegt. Wir brauchen eine echte betriebswirtschaftliche Betrachtung, denn das ist es, was bei Bauherrn und Investoren zählt. Dann bin ich überzeugt, dass viele auf den BIM-Zug aufspringen, von den Architekten über die Haustechnikplaner bis zu den Betreibern.

Report: Inwieweit wäre die Facilitycomfort heute schon BIM-fit?

Blöch: Wir sind sicher nicht zu 100 Prozent BIM-fit. Wir können aber durch unsere Beratungsleistungen im Gesamt-FM einen wertvollen Beitrag liefern. Wir arbeiten aber daran, BIM-fit zu werden. Wenn auch, ehrlich gesagt, nicht mit allerletztem Nachdruck, denn wir sind ein operatives Unternehmen.   

Report: Welche Rolle spielen andere Schlagworte wie Predictive Maintenance, Virtual und Augmented reality?

Blöch: Da sind wir im Gegensatz zu BIM schon einen deutlichen Schritt weiter. Predictive Maintenance ist kein reines Schlagwort mehr, sondern längst in der Realität angekommen. Das hat man aber auch vor 20 Jahren schon gemacht, damals hat es nur anders geheißen. Vor allem bei Aufträgen innerhalb der Wiener Stadtwerke können wir den Mehrwert gut kommunizieren. Bei Ausschreibungen am Markt dominiert nach wie die quantitative Leistungsbeschreibung. Ergebnisorientierte Ausschreibungen spielen da noch nicht die große Rolle. Dabei ist das Potenzial aber enorm. Nehmen Sie das Beispiel elektrische Schaltschränke. Die werden mit Infrarot durchleuchtet und solange es da keine Temperaturauffälligkeiten gibt, muss ich auch nicht tätig werden. Intern ist das kein Problem, extern braucht es noch Überzeugungsarbeit beim Auftraggeber, der ja seine Ausschreibungspraxis ändern müsste. Predictive Maintenance bedeutet aber auch Sensorik. Da sind wir wieder bei den notwendigen Vorinvestitionen, die viele Auftraggeber nicht leisten wollen.

Report: Die Preise für die Sensoren sinken aber laufend ...

Blöch: Das ist schon richtig, den Sensor anzubringen ist aber zu wenig. Sie brauchen die richtige Infrastruktur, die Daten müssen gesammelt und vor allem bewertet werden. Die technische Infrastruktur der betreuten Anlagen muss Predictive Maintenance ermöglichen. Diese Rahmenbedingungen zu schaffen, sind Auftraggeber aber nicht flächendeckend bereit. Wenn es einfach und kostengünstig zu machen ist, wird nachgerüstet, sonst nicht. Die größte Hürde ist aber die bereits erwähnte Ausschreibungspraxis. Viele Auftraggeber sind schlicht nicht bereit, ihre Ausschreibungen zu ändern. Es wird so ausgeschrieben, wie man das immer gemacht hat. Und da ist Predictive Maintenance nicht vorgesehen. Auch da haben wir wieder den Vorteil bei internen Ausschreibungen, das man im Rahmen von Vergabegesprächen die Vorteile darstellen kann. Bei externen Ausschreibungen ist das ungleich schwieriger. Da ist die Bereitschaft, Änderungen vorzunehmen, sehr schwach ausgeprägt.

Report: Stichwort Virtual und Augmented Reality?

Blöch: Auch da sind wir aktiv dran. Wir haben sogar ein Forschungsprojekt mit der HoloLens gemacht. Da gibt es zahlreiche Anwendungsgebiete, etwa bei Fragen der Dokumentation. Sichtkontrollen konnten bislang kaum belegt werden, das ändert sich jetzt. Ein weiterer Vorteil ist, dass ich nicht in allen Bereichen hoch qualifiziertes Personal brauche. Denn durch die AR-Brille kann ein Anlagenproblem direkt in unsere Zentrale übertragen werden. Dort sitzen dann die echten Experten, die die Kollegen vor Ort aus der Ferne unterstützen. Aber auch da gibt es technologische Grenzen, denn im dritten Untergeschoß kann es mit der Online-Anbindung schnell Probleme geben. Auch rechtlich gibt es noch Hürden, dazu kommen etwa im Bankenbereich Sicherheitsbedenken. 

Wir wollen mit unserem Forschungsprojekt Erfahrungen sammeln. Technisch funktioniert es weitgehend, jetzt geht es um die Umsetzung und die Entwicklung von Geschäftsmodellen.

Report: Viele Experten sehen das FM aktuell im Wandel. Professor Alexander Redlein von der TU Wien kritisiert, dass heimische FM-Anbieter aber immer noch zu stark auf die Vermarktung einzelner Services setzen statt auf echtes Management von Immobilien. Das könnte laut Redlein so weit gehen, dass den Kunden ganze Arbeitswelten zur Verfügung gestellt werden. Können Sie diese Kritik nachvollziehen und wie positioniert sich Facilitycomfort?

Blöch: Grundsätzlich ist sein Ansatz nicht falsch. Andererseits – wenn Sie mir den Vergleich erlauben – erinnert es ein wenig an Generäle, die im beheizten Zelt sitzen und die Front diktieren. Professor Redlein hat theoretisch sicher recht, sitzt aber im Elfenbeinturm und hat zu wenig Einblick in die Marktmechanismen. Die Dienstleister würden gerne die Geschäftsmodelle ändern und Arbeitswelten von Büroumgebung und Besprechungsräume über dazugehörende Lounges und Kaffeehäuser bis zu Afterwork-Events zur Verfügung stellen. Die Auftraggeber müssen das aber auch wollen und bereit sein, dafür zu zahlen. Ich sehe es auch so, dass die Dienstleister viel mehr zu bieten haben. Aber Forschung ist das eine, die Umsetzung am Markt das andere. Dazu kommt, dass immer mehr Unternehmen das FM wieder zurück ins Haus holen. Das war vor zehn Jahren undenkbar. Da wurde alles ausgelagert. Was übrig bleibt, ist hart umkämpft. Der Markt verändert sich, damit hat Redlein recht. Aber zu Ungunsten der Dienstleister. 

Report: Was sind aus Ihrer Sicht die aktuell wichtigsten Trends im FM?

Blöch: Es ist unbestritten, dass sich die Kunden viel Geld sparen können, wenn die Dienstleister frühzeitig bei Projektbeginn ins Boot geholt werden. Das wäre der neue, richtige Ansatz. Nur so kann es in Zukunft gehen. Ein konkretes Beispiel: Bei einem großen Büroprojekt hat der Architekt für den Eingangsbereich große weiße Fliesen gewählt. Wir haben vor den Folgekosten gewarnt, die durch Abnützung, Regen und Schmutz entstehen – ohne Erfolg. Statt wie in der Ausschreibung vorgesehen einmal wöchentlich, mussten wir dreimal täglich reinigen. Aber selbst das reicht nicht aus. Heute liegen Teppiche über den weißen Fliesen. Wir verdienen dabei sogar mehr, aber für den Auftraggeber wird es empfindlich und ungeplant teurer. Deshalb wäre es für alle Beteiligten besser, wenn die Auftraggeber mehr Geld in die Beratungsleistung investieren. Daraus ergeben sich auch neue Geschäftsmodelle.

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