Freitag, Mai 03, 2024

Die Europäische Kommission will mit einer »Elektronischen Europäischen Dienstleistungskarte« ein Wachstum des Binnenmarkts herbeiführen. Das letzte Wort über Anforderungen, Ausgestaltung und Genehmigungen von zu erbringenden Dienstleistungen sollte aber beim Aufnahmeland bleiben.

Wer in einem anderen EU-Mitgliedstaat gewerbliche Dienstleistungen erbringen will, kann dies unter bestimmten Voraussetzungen schon jetzt. Dies ist eine Folge des freien Dienstleistungsverkehrs und der Niederlassungsfreiheit, welche zu den Grundfreiheiten der Europäischen Union zählen. Auf Grundlage der Dienstleistungsrichtlinie (2006/123/EG) wurde von den Mitgliedstaaten festgelegt, wie Unternehmer diese Freiheiten ausüben können.

Durch uneinheitliche Vorschriften in den Mitgliedstaaten würden aber derzeit – so die Kommission – vor allem KMUs der Bauwirtschaft von der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen abgehalten. Abhilfe soll die »Elektronische Europäische Dienstleistungskarte« schaffen, mit der eine Vereinheitlichung und Vereinfachung des Verwaltungsablaufs einhergehen sollen.

Die Dienstleistungskarte ist bei der vorübergehenden Tätigkeit im EU-Ausland als Bestätigung dafür vorgesehen, dass der Inhaber in seinem Herkunftsstaat niedergelassen und berechtigt ist, die von der Karte abgedeckten Dienstleistungstätigkeiten zu erbringen. Will ein Unternehmer eine Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat errichten und über diese dauerhaft Dienstleistungen erbringen, soll er künftig bei den Behörden seines Herkunftslandes eine Dienstleis­tungskarte beantragen, worauf die Behörden des Aufnahmelandes vor der Ausstellung die Erfüllung der nationalen Voraussetzungen prüfen.

Unter der Dienstleistungskarte ist daher nicht (wie man vielleicht meinen möchte) eine einzige Karte pro Unternehmer, sondern vielmehr ein Überbegriff für unterschiedliche Dokumente zu verstehen.
Echte Erleichterungen würde die Dienstleis­tungskarte wohl nur bei der vorübergehenden grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen bringen, weil die Behörden des Aufnahmemitgliedstaats keine heimischen (fremdsprachigen) Unterlagen mehr prüfen müssten. Der Zusatznutzen bei der Gründung einer Niederlassung im EU-Ausland wäre hingegen beschränkt, weil auch künftig eine Gewerbeberechtigung des Aufnahmestaats benötigt wird und schon jetzt Vorschriften über die Anerkennung ausländischer Ausbildungsnachweise bestehen.

Dumping-Gefahr

Faktisch könnten die Erleichterungen bei der vorübergehenden Leistungserbringung zu mehr Konkurrenz aus Niedriglohnländern führen, weshalb die Bau-Sozialpartner heftige Kritik am Kommissionsentwurf üben. Für die Dauer der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung haben die Arbeitnehmer des ausländischen Unternehmers nach dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG) zwar einen Anspruch auf den gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Mindestlohn nach österreichischen Vorschriften. Niedrigere Lohnnebenkosten im EU-Ausland führen jedoch dazu, dass die ausländischen Dienstleister ihre Leistungen dennoch günstiger anbieten können. Die Gewerkschaft schlägt daher vor, für die Zeit der Tätigkeit in Österreich die Lohnnebenkosten nach den österreichischen Vorschriften einzuheben und diese an die Sozialversicherungsträger des Herkunftslands weiterzuleiten. Einfacher wäre aber wohl die Senkung der Lohnnebenkosten für österreichische Arbeitgeber, womit man gleichzeitig einer langjährigen Forderung der heimischen Wirtschaft nachkommen würde.

Damit die heimischen Qualitätsanforderungen nicht untergraben werden, sollte in den Kommissionsentwürfen auch klargestellt werden, dass das letzte Wort über Anforderungen, Ausgestaltung und Genehmigungen von zu erbringenden Dienstleistungen beim Aufnahmemitgliedstaat bleibt.

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