Samstag, April 27, 2024

Gastkommentar von Christoph Kopp, Principal, und Thorsten Lips, Partner bei Horváth & Partners.

Anton Fugger galt im 16. Jahrhundert als einer der einflussreichsten Unternehmer Europas. Sein Credo „Die beste Sprache ist immer jene des Kunden“ brachte ihm beispiellosen Geldreichtum. Der schwäbische Kaufmann war Vorbild für Generationen für Handelsfirmen. Just zu jener Zeit als die Fugger ihr Handelsimperium zu voller Blüte brachten, legte Gutenberg mit seinem revolutionären Buchdruck den Grundstein für die modernen Massenmedien. Auch sie machten sich das Credo des Augsburger Geschäftsmanns zu eigen und schauten dem Volk aufs Maul.

Digitale Kundeninteraktion
500 Jahre später ist von der jahrhundertelangen, prägenden Monopolstellung der Verlagshäuser nicht mehr viel übrig. Der digitale Wandel hat nicht nur Kommunikation und Konsum, sondern auch Unternehmen transformiert. So wie Zeitungen oder Fernsehsender ihre Sprache an ihr Zielpublikum anpassen, muss sich auch die digitale Kundeninteraktion zwanglos fügen.

Der Kunde muss nicht mehr abgeholt werden, er soll das Unternehmen aufgrund digitalisierter Inhalte leicht finden. Selbstlernende Algorithmen, immer bessere Trackingmethoden, professionelle Suchmaschinenoptimierung und vieles mehr aus dem digitalen Werkzeugkoffer helfen dabei, den Weg in den Shop auszuleuchten. Um diese Customer Journey unterhaltsam zu gestalten, setzen immer mehr Marketing-Verantwortliche auf kreatives Storytelling, um die emotionale Bindung zwischen Konsument und Produkt aufzubauen bzw. zu stärken.

Alle Channels nutzen
Wichtig ist, dass Kunden über ihre individuellen Wege auf die Angebote des Unternehmens stoßen. Während das früher der gedruckte Katalog war, reicht heute die Palette vom Onlineshop über Foren und Auktionsplattformen bis hin zu Apps für mobile Endgeräte und webbasiertem Echtzeit-Support. Das erfordert konsequentes „Omni-Channel-Management“, also Service und Abstimmung aller geforderten Vertriebskanäle - zum Mehrwert des Kunden und Vorteil des Unternehmens.

Deren Einführung ist aber immer wieder mit Problemen verbunden, wie Beispiele aus der Praxis zeigen, vor allem wenn der Kunde an unterschiedlichen Touchpoints aus unterschiedlichen Kanälen unterschiedliche Informationen zu Produkten, Verfügbarkeiten, ja sogar Preisen bekommt. Ein Baustoff-Unternehmen hat unlängst einen Webshop aufgebaut und den Flächenvertrieb ermutigt, seine Kunden auf den Webshop aufmerksam zu machen und eine ambitionierte Ziel-Quote für Online-Bestellungen festgelegt. Doch der Vertrieb sah den Webshop als Konkurrenz und platzierte – als Kunde getarnt – selbst Aufträge, um die vorgegebene Quote zu erfüllen. 

Das zeigt, dass Omni-Channel-Management nur funktioniert, wenn die Bedürfnisse des Vertriebs und des Kunden berücksichtigt werden, damit alle an einem Strang ziehen. Einen Webshop oder eine App zu launchen, ohne dabei die Customer Journey strukturiert durchzuspielen und die Abhängigkeiten zu berücksichtigen, ist definitiv zu wenig und macht den Vertrieb weder digital noch besser. Bei Digitalisierungsprojekten braucht es eben Mut zur Transformation, die Bereitschaft zu Innovation und den Willen zur Umsetzung.

Auch in Zeiten des digitalen Wandels wären Fugger und Gutenberg revolutionäre Pioniere und Start-up-Unternehmer geworden. Der Fürst der Kaufleute Deutschlands mit seinem unternehmerischen Scharfsinn und der kreative Buchdrucker aus Mainz mit seinen disruptiven Ideen haben ein ganzes Zeitalter umgepflügt. Wo bleiben die Gutenbergs und Fuggers heute?

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