Freitag, März 29, 2024

Experten gehen davon aus, dass die Nachfrage nach elektrischer Energie doppelt so schnell wächst wie die Weltbevölkerung und bis 2030 um rund 60 Prozent steigen wird. Der Wandel der Energiemärkte, die zunehmende dezentrale Energieerzeugung, neue Formen der Energieumwandlung und die verstärkte Digitalisierung bringen massive Herausforderungen, aber auch große Chancen mit sich.

Eine zuverlässige und finanziell tragbare Energieversorgung ist unverzichtbar für die gesellschaftliche Entwicklung und den Wohlstand. Seit der Liberalisierung und der Energiewende sind die Akteure des Energiemarktes gefordert, Rahmenbedingungen zu gestalten und Innovationen voranzutreiben, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Während die Großhandelsstrompreise stetig sinken, beginnen manche EU-Länder damit, Vergütungssysteme für den Auf- und Ausbau von Reservekapazitäten, erneuerbare Energien und Speicher einzuführen.

Die vorherrschende Tendenz einzelstaatlicher Lösungen und nationaler Fragmentierungen ist der falsche Weg. Wir brauchen eine klare europäische Energiepolitik, eine Harmonisierung der bisher heterogenen Energiemärkte, mehr Planbarkeit und weniger regulatorische Risiken.

Nationale Einzellösungen verteuern das Erreichen der Klima- und Energieziele

Das Ziel muss ein voll integrierter Energie-Binnenmarkt sein, der grenzüberschreitenden Handel erleichtert und langfristig orientierte Investitionsanreize bietet. Dafür ist eine Anpassung der EU-weiten Marktregeln notwendig, um Flexibilität zu belohnen und um die wirtschaftliche Integrierbarkeit von volatilen Energieformen wie Wind- und Sonnenenergie in die Netzinfrastruktur zu verbessern. Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist: Wo sind Technologien vernünftig einsetzbar und wo rentieren sie sich nur durch Subventionen?

Photovoltaik in Norddeutschland kann per se gar nicht so effizient sein wie Photovoltaik in Südspanien. Immer wieder kommt es heute wegen der Vorgabe »Vorrang für Erneuerbare« dazu, dass effiziente Gaskraftwerke – die Basis einer modernen, effizienten und sauberen Stromversorgung – nicht gebaut werden oder stillstehen, und stattdessen alte Kohlekraftwerke betrieben werden.

Technologie und Innovationen als Erfolgsfaktor

Neben notwendigen politischen Rahmenbedingungen werden wir in Europa gut ausgebaute Übertragungsnetze brauchen. Sie bilden das Rückgrat des Energiesystems und verbinden alle Komponenten des Marktes zu einem funktionierenden Ganzen. Europa wird auf Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung setzen müssen, um Energie weitgehend verlustfrei über weite Distanzen zu den Verbraucherzentren zu transportieren. Dort wird es wiederum um die intelligente Verteilung der Energie gehen.

Wir sind in Österreich in einer guten Position. Als kleines Land können wir intelligente Technologien früher installieren und testen – ein klarer Vorteil. Hier müssen wir internationales Vorbild sein. Die Seestadt Aspern hat bereits eine solche Vorbildwirkung, denn dort werden in einer einzigartigen Konstellation Siemens-Technologien zur Optimierung und Digitalisierung des Energiesystems in der realen Anwendung getestet. Die Forschungsaktivitäten, die in Aspern gebündelt werden, markieren einen wesentlichen Wegpunkt im Übergang vom klassischen Stromnetz hin zum intelligenten Netz der Zukunft.

Blick in die Zukunft

Das Energiesystem der Zukunft ist kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch. Wir werden jene Energieformen forcieren müssen, die aufgrund ihres CO2-Ausstoßes- und auch aus Kostensicht den optimalen Ansatz darstellen. Am Ende wird sich im Wettbewerb herauskristallisieren, welches System aus privatwirtschaftlicher Sicht das günstigste ist. Es wird ein laufender, interaktiver Prozess sein, also ein schrittweises Annähern von ursprünglichen Zielen an die machbare Umsetzung. Ich bin davon überzeugt, dass alle langfristig gesehen von der Energiewende profitieren werden. Sie ist eine Investition in die Zukunft, die nicht umsonst zu haben ist.

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