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Der freie Fluss auf der Straße

Alexander Hovorka, car2go: »Wir sprechen jede Person mit Führerschein an.« Alexander Hovorka, car2go: »Wir sprechen jede Person mit Führerschein an.« Foto: car2go

Ein Fahrzeug nicht mehr besitzen, aber es trotzdem regelmäßig nutzen: In Wien liefern ­Carsharing-Plattformen eine willkommene ­Alternative im Individualverkehr und ergänzen den Fuhrpark bei Unternehmen.

Das Auto als Statussymbol im urbanen Raum? Das gilt für viele als überholt. Wurde vor Jahrzehnten der Begriff der Freiheit mit dem Besitz eines Fahrzeugs gleichgesetzt, sind in der Stadt von heute jene frei, die sich nicht um Parkgebühren, Steuern und Werteverlust eines Fahrzeugs sorgen müssen. Der Markt des »Fahrzeug als Service« ist in den vergangenen Jahren vor allem in Wien gewachsen. Autos von sogenannten »Free Floating«-Anbietern wie den Carsharing-Unternehmen DriveNow und car2go sind nicht mehr aus dem Stadtbild wegzudenken. Fixe Stellplätze gibt es hier nicht, die kleinen und großen Miet-Boliden können per App reserviert und genutzt werden.

Der größte Carsharing-Anbieter in Wien, car2go, hat nach rund fünf Jahren Betrieb heute 120.000 registrierte Kunden. »Ich schätze für Wien ein Potenzial in einer Größenordnung von einer halben Million Menschen und mehr. De facto sprechen wir jede Person mit Führerschein an«, sagt car2go-Geschäftsführer Alexander Hovorka. Der in der Hauptstadt gut ausgebaute öffentliche Verkehr würde bereits viele Wege abdecken, Carsharing wird als Ergänzung gesehen – etwa für Transporte und die bequeme Fahrt von Tür zu Tür. Eine Ausweitung des Angebots auf weitere österreichische Städte ist derzeit bei car2go nicht vorgesehen. Bei dem Free-Floating-Geschäftsmodell hat sich für den Anbieter ein Geschäftsgebiet mit der Untergrenze von einer Million Bewohnern herauskristallisiert. Mittelfristig bleibt der Fokus also auf Wien, das aktuell mit 700 Fahrzeugen auf einem Gebiet von rund 100 km² abgedeckt wird. Bereits Graz wäre nicht mehr profitabel, die Auslastung wäre zu gering. Im Hintergrund überlegt man dennoch, heißt es, wie künftig Angebote auch für kleinere Städte aussehen könnten.

Doch eignet sich Carsharing auch für Unternehmen? Auf jeden Fall, betont Hovorka. Bei car2go haben sich bis dato mehr als 2000 Unternehmen registriert. Über Firmen-Accounts können Fahrzeugmieten auch monatlich gebündelt abgerechnet werden. Die Nutzerinnen und Nutzer entscheiden selbst, ob sie eine Fahrt privat oder über den Arbeitgeber bezahlen.

Die meisten Firmenkunden habe man unter den Klein- und Mittelbetrieben mit rund zehn bis zwanzig Nutzern. Für größere Unternehmen sei wiederum die im Geschäftsgebiet inkludierte Strecke Innenstadt–Flughafen interessant, um Taxikosten zu sparen. Auch Gutschriften, die für die Belegschaft als Incentive erworben werden können, hat der Anbieter im Programm.

Hovorka sieht Free-Floating-Carsharing als Mobilitätsergänzung, wenn einmal kein Fahrzeug aus einer Firmenflotte verfügbar ist. Wichtig sei auf jeden Fall, dass eine Firma das Mobilitätsbedürfnis ihrer Mitarbeiter kennt. Große Firmenkunden sind beispielsweise der ORF und Siemens, die das Angebot für Fahrten zu Geschäftsterminen oder zwischen Standorten nutzen. Nicht immer steht hier ein zentraler Firmen-Account im Vordergrund. Mitunter herrscht auch eine Betriebsvereinbarung, car2go-Fahrten einfach als Reisekosten abzurechnen.

Der Geschäftsführer rechnet mit der im April erfolgten Markteinführung neuer Fünf-Sitzer-Modelle mit einem »weiteren Boost fürs Business«. Mercedes-Benz-Modelle der A-, CLA- und GLA-Klassen werden nun nach und nach in der Stadt verteilt. Sie lösen einen Teil der Smart-Flotte ab und sprechen auch eine Klientel an, die Wert auf mehr Fahrkomfort legt. car2go, das in Besitz von Daimler AG und Europcar ist, gibt es an 26 Standorten weltweit. 14 Standorte gibt es in Europa, elf in Nordamerika sowie den Standort Chongqing in China. Die weltweite Flotte ist derzeit knapp 14.000 Fahrzeuge groß. In Amsterdam, Madrid und Stuttgart werden sogar rein elektrisch betriebene Modelle eingesetzt.



Carsharing ganz privat
Neben car2go und dem zweiten großen Free-Floating-Anbieter DriveNow haben auch Drivy und carsharing24/7 Fahrzeuge in ganz Österreich im Angebot. Die beiden Plattformen fokussieren auf die Vermietung von Privatautos. Während carsharing­247.com nicht gewinnorientiert betrieben wird, steht hinter drivy.at ein französisches Unternehmen. Es wurde vor knapp sechs Jahren gegründet. Europaweit verzeichnet der Anbieter inzwischen über eine Million Nutzer und ist in Frankreich, Deutschland, Belgien und Spanien aktiv.  40.000 Privatautos warten bei Drivy darauf, gefahren zu werden. In Österreich waren es zum Start im Vorjahr bereits rund 5.000 Nutzer und mehr als 700 Autos – Tendenz steigend.

Die Anmiete eines Privatfahrzeugs funktioniert einfach, wie Report (+) Plus auch in einem Test selbst ausprobiert hat. Die Suche nach einem geeigneten Fahrzeug wird über die Website unterstützt, der Vorgang der Anmietung, Übernahme und nach Ende der reservierten Fahrzeit wieder Fahrzeugübergabe über die eigene Drivy-App komfortabel unterstützt. Mieter und Vermieter bestätigen auf der App gemeinsam die korrekte Übergabe, die Fahrzeuge sind automatisch haftpflichtversichert. Bei Drivy wird der Mietpreis vom Vermieter selbst gewählt, anhand der Mietdauer und gefahrenen Kilometer aber automatisch angepasst. 70 % des Mietpreises bleiben beim Besitzer, der Rest wird für Versicherung und Vermittlung einbehalten. »Wir wollen unsere Nutzerzahlen weiter ausbauen und das Bewusstsein für unser Sharing-Konzept in der Gesellschaft stärken«, betont man bei Drivy.

Automatisierung als Lösung
Der Markt für Sharing-Konzepte für den Individualverkehr wird weiter wachsen – davon sind auch die Automobilexperten des Unternehmensberaters McKinsey überzeugt. Neue Mobilitätsdienste sollen bis 2030 auf weltweit über zwei Billionen Dollar Volumen ansteigen. Die Prognose entspricht einem durchschnittlichen jährlichen Plus um 28 %. 2016 haben sich McKinsey zufolge die Umsätze mit Carsharing und »E-Hailing« – unterschiedliche App-basierte Taxi- und Transportdienste wie beispielsweise Uber – bereits auf 53 Milliarden Dollar belaufen. Und die Berater denken bereits ein Stück weiter: Voraussetzung für das Riesenwachstum ist die schrittweise Einführung von »Robotaxis«, selbstfahrenden Taxis ohne menschlichen Fahrer.

Mit der Automatisierung auf der Straße könnten jedenfalls auch Carsharing-Modelle in kleineren Städten wirtschaftlich gestaltet werden. Die Idee: Das Fahrzeug düst nach Abmiete außerhalb eines Geschäftsgebiets einfach selbst ins Zentrum zurück.

Last modified onFreitag, 12 Mai 2017 09:11
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