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Eine verlorene Chance

Unternehmen sollten mehr in die Pflege ihrer Kundenbeziehungen investieren, meint Hans Bachinger, Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft »Menschen im Vertrieb«.

(+) plus: Ist es nicht vergebene Mühe, sich um verlorene Kunden zu kümmern?

Hans Bachinger: Diese Zielgruppe liegt brach und kann eine Goldgrube sein. Mit diesen Kunden bestanden bereits Geschäftsbeziehungen, irgendwann gab es aber einen Vorfall – der Verkäufer hat einen Fehler gemacht, es gab Lieferschwierigkeiten, möglicherweise Qualitätsprobleme. Diese Beziehungen werden von Verkäufern nur ungern geweckt, nach dem Motto: Bevor ich das heiße Eisen wieder angreife, lasse ich es lieber schlummern und konzentriere mich auf neue Kunden. Das ist eine verlorene Chance.

(+) plus: Wie gehen Sie konkret vor?

Bachinger: Wir haben erkannt, dass es entscheidend ist, wenn in dieser Phase eine externe, neutrale Person in den Prozess eingreift. Ähnlich wie in einer Partnerschaft, die in die Brüche geht, ist es oft auch hier ratsam, eine Art Mediator beizuziehen, der die Gesprächsbasis wieder auf die gleiche Wellenlänge bringt. Zunächst analysieren wir gemeinsam mit dem Unternehmen, welche Potenzialkunden infrage kommen, und sehen uns die Historie der Geschäftsbeziehung an. Dann kontaktieren wir die betreffenden Kunden ganz offen und gehen bei einem persönlichen Termin in guter Atmosphäre, zum Beispiel bei einem Mittag-essen, den Ursachen nach. 

50 bis 70 % der Kunden geben uns diese Zeit, denn wir können und wollen ja nichts verkaufen, sondern schenken ihnen ein offenes Ohr. Wir agieren dabei eigentlich wie ein Marktforschungsinstitut und arbeiten nach einem detaillierten Untersuchungsdesign individuelle Maßnahmen heraus. Diese Informationen geben wir an unseren Auftraggeber weiter und begleiten ihn bei der Umsetzung. Die Wiedergewinnungsrate ist extrem hoch. Viele Kunden sind bereit, einen Lieferanten wieder aufzunehmen, wenn ihre Kritik ernst genommen wird. 

(+) plus: Liegt es am Preis, wenn sich Kunden abwenden?

Bachinger: Unsere Erfahrungen zeigen, dass maximal 20 % auf »harten« Faktoren beruhen. 80 % liegen im emotionalen Bereich. Wenn ein zu hoher Preis als Argument genannt wird, ist das oft nur vorgeschoben. Der Kunde sagt nicht, die Betreuung passt nicht, sondern es ist zu teuer. Das gilt aber nur für den B2B-Bereich. Hier handelt es sich meis-tens um einen Beziehungskauf, vor allem bei erklärungsbedürftigen Produkten. 

(+) plus: Werden Bestandskunden vernachlässigt?

Bachinger: Die Unternehmen konzentrieren sich sehr stark auf Neukunden, was einen wesentlich höheren Aufwand bedeutet. Die Vertrauensbasis ist überhaupt nicht gegeben, der Neukunde kennt die Firma vielleicht noch gar nicht. Die Hürde ist also höher als bei Kunden, die schon einmal zufrieden waren. Damit es erst gar nicht zu verlorenen Kunden kommt, ist eine gute Pflege der Beziehungen unerlässlich. Wer es nicht versteht, den Kunden zu verwöhnen, zu überraschen und zu begeistern, darf sich nicht wundern, wenn er irgendwann weg ist. 

(+) plus: Kommunizieren Unternehmen zu wenig mit ihren Kunden?

Bachinger: Ich glaube, dass auf der persönlichen Ebene viele Mankos vorhanden sind. Das liegt natürlich an den handelnden Personen. Wenn ein Verkäufer eine Chance sieht, ein Geschäft zu machen, ist er schnell. Geht es nur darum, die Beziehung auf einem positiven Niveau zu halten, passiert aber viel zu wenig. Das ist auch der Grund, warum man sich auseinanderlebt, da muss nicht einmal etwas vorgefallen sein. Der Faktor Überraschung und Begeisterung wird vernachlässigt, damit wird der Abschied leicht gemacht. 

(+) plus: Sind Kunden heute anspruchsvoller als früher?

Bachinger: Sie haben mehr Möglichkeiten, eine größere Auswahl und stärkere Ablenkung. Durch das Internet verfügen Kunden über bessere Informationen, sie sehen vielfältige Alternativen. Das verleitet dazu, bei jedem Kauf etwas Neues auszuprobieren. 

(+) plus: Wie wichtig ist der Online-Kontakt?

Bachinger: Die Loyalität der Kunden wird geringer. Unternehmen dürfen das Thema Social Media nicht vernachlässigen, weil dadurch der Aufbau von Beziehungen möglich ist. Wenn meine Zielgruppe so groß ist, dass ich nicht persönlich mit ihr kommunizieren kann, geht das über Facebook sehr gut. Ich muss meine Community aber wirklich professionell betreuen. Die Beziehung muss erlebbar sein, auch wenn sie virtuell stattfindet. Generell kann man sagen: Eine Firma, die keine Homepage hat, ist quasi nicht vorhanden. Und ein Unternehmen, das in den sozialen Medien nicht vorhanden ist, wird in Zukunft immer mehr an Bedeutung verlieren.


Hans Bachinger, Menschen im Vertrieb: »Der Faktor Überraschung und Begeisterung wird vernachlässigt, der Abschied damit leicht gemacht.«

 

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