Menu
A+ A A-

"Kreeeeativabteilung! Habt Acht!"

Herbert Strobl ist Managementberater und Entwicklungsbegleiter mit Schwerpunkt auf Führung, Veränderung und Unternehmenskultur. Herbert Strobl ist Managementberater und Entwicklungsbegleiter mit Schwerpunkt auf Führung, Veränderung und Unternehmenskultur.

Ganz schön kompliziert? Warum Hierarchie nicht die richtige Antwort auf mehr Komplexität sein kann. Ein Gastkommentar von Herbert Strobl

Etliche Leser werden sich vielleicht noch an ihre Zeiten am Exerzierplatz erinnern. Wir wurden vorbereitet, unser Land notfalls mit der Waffe zu verteidigen. Klare Hierarchie mit genau definierten Regeln und Abläufen: In einem Einsatzfall ist das auch sinnvoll, aber wie steht es mit dem »Geschäftsmodell Landesverteidigung« in Zeiten von Cyber-War & Co? Reale Bedrohungen, wie z.B. Hackerangriffe auf die nationale Stromversorgung, hätten kriegsähnliche Auswirkungen. Auch ohne Kriegserklärung. Hier ist es offensichtlich, dass Strammstehen allein heute immer weniger funktioniert. Das gilt aber nicht nur für das Militär. 

Die gesamte (Wirtschafts-)Welt mutiert gerade rasant von »kompliziert« zu »komplex«. Das ist eine wesentliche Unterscheidung, weil sie jeweils ganz unterschiedliche Kompetenzen, Zugänge und Lösungsansätze bedingt. Höherwertige Anforderungen und Fähigkeiten setzen per se mehr Komplexität voraus und bedingen diese gleichzeitig auch. So kann z.B. ein Computer einfach mehr als eine Schreibmaschine. »Kompliziert« bedeutet, dass ich im Prinzip die zugrundeliegenden Regeln überblicken und verstehen kann. Ich muss nur gut genug suchen, um eine eindeutige Antwort finden zu können (z.B. Motorenoptimierung). Als »komplex« bezeichnet man hingegen die Eigenschaft eines Systems, dessen Gesamtverhalten nicht mehr beschreibbar ist, selbst wenn man vollständige Informationen über seine Einzelbestandteile und ihre Wechselwirkungen besitzen würde (z.B. Wirtschaftspolitik, Führung). Formelhaft könnte man auch sagen: Komplexität = alle Systemelemente x Beziehungen zueinander x mögliche Zustände. Es kann nicht mehr eine richtige Antwort geben. Wenn man Komplexität eh nicht »managen« kann, was wären dann zielführende Antworten stattdessen?

Je unüberschaubarer die Umgebung wird, desto wichtiger ist die eigene Unternehmenskultur. Sie fungiert als hochwirksamer Filter für Wahrnehmung und Strategie und steuert konkretes Verhalten in der Organisation. Sie ist das Substrat, auf dem agiles Denken und Handeln überhaupt erst möglich wird. Flexibel, proaktiv, anpassungsfähig und mit Initiative in Zeiten des Wandels und Unsicherheit agieren zu können, ist also zuerst eine Kulturfrage. 

Zum Beispiel Entscheidungen: Sie reduzieren per se immer Komplexität von innen, weil sie eine Festlegung treffen. Die Kernfrage ist, wo und wie es zu diesen Entscheidungen kommt. Organisationen, die eine klare Vision/Mission und dazu passende Ziele formuliert haben, sind gut beraten, wenn sie die Selbstorganisationsfähigkeit bewusst in der Teamebene stärken. Dazu braucht es autonome Mitarbeiter innerhalb eines definierten Handlungsrahmens mit klar kommunizierten Leitplanken. Selbstorganisationsfähigkeit gilt es zu fördern und zu fordern. 

In einem Klima, das Fehler vor allem als Lernquelle ansieht, Leitplankenüberschreitungen aber auch klar anspricht. Eine Kultur des Vertrauens ist dabei der Kitt, der alles zusammenhält. Damit ist die primäre Problemlösungskapazität dort angesiedelt, wo es (schnell) notwendig ist. Es ergeben sich automatisch Puffereffekte gegen direkte Übersteuerung bzw. realitätsfremde Regulierung von oben.

*Oxymoron: eine Kombination von zwei einander eigentlich ausschließenden Begriffen wie z. B. »beredtes Schweigen«


Der Autor
Herbert Strobl ist Managementberater und Entwicklungsbegleiter mit Schwerpunkt auf Führung, Veränderung und Unternehmenskultur. Er verfügt über 20 Jahre Führungserfahrung in internationalen Konzernen und arbeitet seit vielen Jahren als systemischer Unternehmensberater. www.herbertstrobl.cc

back to top