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Die Energieversorgung der Zukunft ist anders

Die Energieversorgung, wie wir sie seit Jahrzehnten kennen, wird nicht mehr funktionieren – zumindest, wenn wir im Energiesektor die Klimaziele schaffen wollen. Auch bei der Energieversorgung muss künftig immer mehr das gelten, was wir bei Lieferketten in der Coronapandemie gelernt haben sollten: local for local. Die Versorgung mit Energie wird dezentraler und regenerativ.

Der »Confirmation Bias«, eine kognitive Verzerrung, die uns aus langjähriger Erfahrung auf die Zukunft schließen lässt, ist besonders im Energiebereich ausgeprägt. Viele, vor allem aus der konventionellen Energiebranche, können sich nur große Kraftwerke vorstellen, die große Regionen in einem sternförmigen Netz mit Energie versorgen. Dabei ist es zunächst zweitrangig, ob diese Kraftwerke dreckige Kohle-, Gas oder Kernkraftwerke oder große Wasserkraftwerke sind. Ja klar, dieses System hat lange funktioniert und die finanziellen Erträge waren gut. Für die Bewältigung der Klimakrise hilft uns diese Haltung allerdings nicht weiter.

Der Irrweg in der EU-Taxonomie
Die Bewahrung der alten Welt hat in den letzten Wochen dazu geführt, dass besagte Gas- und Kernkraftwerke als »grün« gelabelt wurden. Das hat zur Folge, dass Investitionen in diese veraltete Form der Energieerzeugung erleichtert werden. Dabei ist diese Entscheidung völlig entgegen aller wissenschaftlichen Fakten. Fossiles Gas kann nie grüne Energie sein, das ist ein Widerspruch in sich.

Auch die von vielen als CO2-arm bezeichneten Kernkraftwerke sind in ihrer Gesamtbilanz nach Kohle- und Gaskraftwerken die schmutzigste Energieform. Rechnet man den Abbau von Uran, die Aufbereitung, Bau und Betrieb zusammen, kommt man auf Werte größer 50 g CO2 pro kWh. Berücksichtigt man die Entsorgung, sind Werte deutlich über 100 g pro kWh zu erwarten. Hier sind belastbare Daten noch nicht bekannt, weil eine Entsorgung nach wie vor ungeklärt ist. Dazu kommt, dass Kernenergie die mit Abstand teuerste Energieform ist. Atommeiler sind nicht versicherbar, damit fallen Aufwendungen im Fall eines Unfalls auf die Gesellschaft zurück, welche auch schon die Grundlagenforschung bezahlt hat und für den Großteil der Entsorgung geradestehen wird. Die Gefahren kommen noch dazu, denn der Betrieb eines Atommeilers ist und bleibt ein Ritt auf der Klinge.

Doch warum werden solche Entscheidungen getroffen, obwohl alle Fakten dagegensprechen und die Folgen für künftige Generationen fatal sein werden? Weil es noch immer Menschen gibt, die mit der alten Welt viel Profit machen und sich eine andere, davon abweichende Welt nicht vorstellen können.

Auch die Dinosaurier fangen an, sich zu wandeln
Ein traditionelles Unternehmen wie Shell, welches man nicht notwendigerweise mit erneuerbaren Energien in Zusammenhang bringt, hat seit einigen Jahren begonnen, sich zu transformieren. Zwar machen sie noch immer den Dreck der alten Zeit weiter, weil man damit noch immer zu viel Profit machen kann, und solange Dreck zulasten der Gesellschaft monetär attraktiv ist, werden sie das vermutlich nicht ändern. Aber sie bauen den Geschäftsbereich Shell Energy immer weiter aus. Dabei geht es um Bereitstellung von Energie durch regenerative Quellen und Speicherlösungen. Diese reichen von Pumpspeicherwerken über Erzeugung von Wasserstoff durch Elektrolyse zum Zweck der Verstromung über Brennstoffzellen bis hin zu Kondensatoren und Batteriesystemen. Das Gemeinsame an all diesen Systemen ist, dass sie regional strukturiert sind.

Local for local
Grundsätzlich muss man sich immer wieder klar machen, dass jede Art der Transformation und der Transport von Energie Verluste zur Folge hat. Daher ist es generell sinnvoll, Energie dort zu nutzen, wo sie entsteht. Die primären Quellen sind regenerative Systeme wie Sonne, Wind und Biomasse. Steht zu viel dieser Energie zur Verfügung, kommen die oben genannten Speichersysteme zum Einsatz. Auch diese werden lokal angeordnet. Sei es die Batterie oder künftig große Kondensatoren in Wohn- oder Geschäftsgebäuden oder Elektrolyseure mit Brennstoffzellen für Großbetriebe. Aber es gibt darüber hinaus eine weitere Speichertechnologie, die noch immer zu wenig beachtet wird:

Die Stehzeuge
Autos stehen die meiste Zeit des Tages herum und wenn diese voll batterieelektrisch betrieben werden, sind sie hervorragende Stromspeicher. Das bedeutet, dass eine hinreichende Menge von Elektroautos große Mengen Strom aus erneuerbaren Energien aufnimmt und bei Bedarf wieder ins Netz abgibt. Die gesamte Energie eines Akkus im Auto wird nur selten für Mobilität gebraucht.

Das Konzept mag zunächst abenteuerlich klingen, aber es ist bereits Realität. Der Elektroauto-Pionier Tesla testet für den deutschen Markt bereits die Kombination aus Bilanzkreis, PV, Powerwall und Auto. Auch VW hat mittlerweile ein ähnliches Konzept angekündigt. In Österreich ist dieser Dienst leider noch nicht verfügbar, aber wir warten sehnsüchtig drauf, denn der 75-kW-Batteriespeicher in der Garage wäre zu mehr in der Lage, als fast 100 Prozent der Zeit herumzustehen.

Konsequenzen für die EVUs
Die regenerativen »local for local«-Konzepte haben große Folgen für die EVUs. Im Zielzustand können grundsätzlich alle Menschen einen großen Teil ihrer Energie selbst erzeugen. Der Teil der Energie, der fehlt, wird aus anderen Quellen, die über mehr Energie verfügen, als sie selbst benötigen, zugekauft, welche so regional wie möglich angeordnet sind. Damit fallen die Geschäftsmodelle der EVUs samt monolithischer Kraftwerke weg.

Einige Leser*innen meinen jetzt vielleicht, dass das zu schön klingt, um wahr zu sein und der Weg noch lang sei. Wie lange die Energiewende tatsächlich dauert ist ausschließlich eine Frage des Wollens. Es gibt schon heute regionale Beispiele, die genauso funktionieren. Hier sind etwa die Gemeinden Schönau im Schwarzwald oder Jühnde im südlichen Niedersachsen zu nennen. Diese Gemeinden haben ihr Stromnetz nach der Liberalisierung des deutschen Strommarkts übernommen und versorgen sich selbst mit 100 Prozent erneuerbarer Energie. Das funktioniert bereits seit den 1990er-Jahren und mit heutigen Speichertechnologien sind auch höhere Skaleneffekte zur Versorgung von Industrie und großen Infrastrukturen möglich.

Die Frage nach den Kosten
Jetzt stellt sich unweigerlich die Frage nach der Bezahlbarkeit dieser Energiewende. Diese ist nicht so schwierig zu beantworten. Wie oben erwähnt, stecken wir nach wie vor Unsummen an Subventionen in klimaschädliche Technologien. Die meisten dieser fehlerhaften Subventionen können sofort entfallen und die Mittel in die Energiewende investiert werden. Dazu kommt, dass erneuerbare Energien die mit Abstand günstigste Energieform darstellen. Sie reduziert Abhängigkeiten von fragwürdigen Regimen und dubiosen Konzernen. Und schließlich ist alles günstiger als so weiterzumachen wie bisher. Das Ignorieren der Klimakrise kostet schon heute jedes Jahr Milliarden, Tendenz steigend. Je länger wir mit der Klima-Transformation warten – und das gilt nicht nur im Energiesektor – desto teurer und aufwändiger wird es.

Fazit
Die Energieversorgung von morgen muss 100 Prozent regenerativ und dabei regional strukturiert sein. Alte, monolithische Kraftwerke sind ein Relikt der Vergangenheit. Wenn wir im Energiesektor der Klimakrise etwas entgegensetzen wollen, muss diese Transformation gelingen.

Die schlechte Nachricht: Viele aus der alten Welt haben noch immer zu viel Einfluss und der Dreck der alten Welt ist noch zu profitabel für die Betreiber und gleichzeitig teuer für die Konsument*innen.

Die gute Nachricht: Technologisch ist die Energieversorgung von morgen längst möglich und gelungene Beispiele existieren bereits. Es ist damit nur noch eine Frage des Wollens.

Weiterführende Links:
https://www.ews-schoenau.de
https://www.geo.de/geolino/forschung-und-technik/5612-rtkl-juehnde-ein-dorf-steigt-um-auf-oeko-strom

Bild: iStock


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