Freitag, April 26, 2024

Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht Hubert Wetschnig, CEO Habau Group, über verkraftbare Umsatzrückgänge und den aktuellen Kulturwandel der Branche, der vom Kooperationsgedanken bis zur Compliance reicht. Außerdem erklärt er, worin sich die Habau Group vom Mitbewerb unterscheidet und warum er positiv in die Zukunft blickt.

Die Bauwirtschaft kommt aus einer absoluten Boomphase. Gleichzeitig machen die Auswirkungen der aktuellen geopolitischen und gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen auch vor der Baubranche nicht Halt. Wie würden Sie aktuell die Situation der Branche beschreiben?

Hubert Wetschnig: Ich kann nur für unsere Unternehmensgruppe sprechen, denke aber dass diese Einschätzung auch für andere Unternehmen der Bauindustrie gelten werden, auch wenn jedes Unternehmen natürlich eigene, inhaltliche Schwerpunkte hat. Generell kann man aber sagen, dass Unternehmen, die nur auf ein Thema fokussieren, etwa den Einfamilienhausbau, mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben werden. Da ist die Nachfrage im Neubau von Einfamilienhäusern extrem zurückgegangen. Dafür wird aber mehr in die Sanierung oder auch den Ausbau des Bestandes investiert. Es wird also zumindest eine teilweise Kompensation geben.

Große Konzerne mit mehreren Standbeinen tun sich naturgemäß leichter. Im Infrastrukturbereich habe ich überhaupt keine Sorgen. Die Auftragsbestände liegen deutlich über einem Jahresumsatz. Schwieriger ist es im kleinen Flächentiefbau, weil die Budgets der Gemeinden unter Berücksichtigung der aktuellen Preissteigerungen nicht ausreichen. Da braucht es dringend politische Unterstützung, sonst wird es über kurz oder lang in diesen Regionen wieder einen starken Anstieg der Arbeitslosigkeit geben.

Negativ auswirken werden sich die aktuellen Kollektivvertragsverhandlungen. Natürlich brauchen unsere Mitarbeiter aufgrund der hohen Inflation eine Ausgleichung. Aber wir müssen diese höheren Löhne auch einpreisen. Und unter den 7,5 Prozent der Metallerbranche wird es auch bei uns nicht gehen. Positive Nachrichten gibt es von der Materialseite, da sehen wir bei Stahl, Holz oder Kunststoffe wieder sinkende Preise. Auch bei vielen Hauptbaustoffen gibt es trotz hoher Energiepreise Preisreduktionen.

Wie ist 2022 konkret für die Habau-Gruppe gelaufen? Wie haben sich Umsatz und Ertrag entwickelt?

Wetschnig: Wir werden ein Wachstum erzielen, das liegt aber zum größten Teil an den höheren Preisen. Wir gehen in Richtung 1,9 Milliarden Euro. Über das Ergebnis möchte ich nicht im Detail sprechen, aber wir bewegen uns auf dem Niveau der letzten Jahre. Das Volumen ist ähnlich wie im Vorjahr, mehr wäre in unseren Regionen auch schwierig, weil das Personal fehlt. Das war schon in den Vergangenheit ein Thema und hat sich jetzt nochmal verschärft. Aber die Personalbelastung in den letzten Jahren war enorm. Wir haben trotz Covid mit kleinen Ausnahmen alle Projekte am Laufen gehalten. Aber natürlich gab es auch bei uns krankheitsbedingte Ausfälle und damit musste die Arbeitsleistung auf weniger Schultern verteilt werden. 

Ein prominenter Branchenvertreter hat kürzlich in einem Interview bei uns gemeint, dass wenn es in der Bauwirtschaft zu einem leichten Rückgang kommt, das nichts ist, worüber man sich große Sorgen machen muss, weil man in den letzten Jahren teilweise aus dem letzten Loch gepfiffen hat. Teilen Sie diese Einschätzung?

Wetschnig: Absolut. Rund zehn Prozent weniger tut uns nur gut. Wenn unsere Teams immer am oder sogar über den Anschlag eingesetzt werden, geht das auf Dauer nicht gut. Man muss auch mal durchschnaufen und hinterfragen, ob man auch alles richtig gemacht hat. 

Hat sich das Verhältnis von Auftraggeber, Auftragnehmer und Lieferanten seit dem Ausbruch der Coronakrise geändert? Gibt es mehr oder weniger Verständnis füreinander?

Wetschnig: Die Herausforderungen der letzten Jahre waren schon enorm. Vertrauen, Fairness und ein Agieren auf Augenhöhe haben einen ganz neuen Stellenwert bekommen. Als Bauindustrie stehen wir oft in der Mitte. Der Kunde definiert und zahlt das Projekt. Auf der anderen Seite gibt es Nachunternehmer. Wenn es zu Mehrkostenforderungen kommt, dauert es, bis das Geld fließt. Nicht jeder Nachunternehmer kann sich diese Wartezeiten leisten. Da sind wir als Habau Group dann bei langen Partnerschaften auch oft in Vorleistung getreten, ohne zu wissen, ob wir die Mehrkosten vom Kunden ersetzt bekommen.

Wir sind ein Familienunternehmen mit Handschlagqualitäten, das Interesse an echten Partnerschaften hat. Ich glaube auch, dass es auf Kundenseite zu einem Umdenkprozess gekommen ist, das sieht man auch an der gesteigerten Bedeutung von Partnerschafts- und Allianzprojekten. In Tirol gab es einige erfolgreiche Projekte, die ÖBB und Asfinag haben jetzt Pilotprojekte gestartet. Bei der Asfinag haben wir uns auch beworben und ich glaube die Chancen stehen nicht schlecht für uns.

 

»Im Infrastrukturbereich sehe ich auch im nächsten Jahr kaum Probleme. Da ist speziell in Deutschland so viel am Markt, wir können gar nicht alles anbieten«, sagt Hubert Wetschnig.

Welche konkreten Erfahrung kann die Habau Group mit dieser Art von Verträgen vorweisen?

Wetschnig: Viele Projekte mit echten Allianzverträgen gibt es ja generell noch nicht. Wir haben jetzt auch keine Broschüren zum Thema Partnerschaft. Dafür wird das Konzept bei uns aber tatsächlich gelebt. In Deutschland sind wir Teil eines Großprojekts im Leitungsbau, das als Allianzmodell umgesetzt wird. Ich glaube generell, dass wir in der Bauwirtschaft aktuell einen Kulturwandel erleben. Den brauchen wir auch, wenn wir für Arbeitskräfte attraktiv sein wollen. Junge Menschen, die von den Universitäten kommen, haben kein Interesse an einem Job, wo es in erster Linie ums Streiten geht. Die wollen gute Projekte umsetzen.  

Peter Krammer hat in einem Interview mit uns vor kurzem gesagt, dass es ein Baukartell in dieser Form in Österreich nicht mehr geben wird. Auch die Habau wurde als Teil des Kartells verurteilt. Würden Sie die Einschätzung von Peter Krammer unterschreiben?

Wetschnig: Ja, auf jeden Fall. Das ist auch Teil dieses Kulturwandels. Heute ist eine Generation am Werk, die sauber arbeiten will. Es ist alles viel transparenter und digital nachvollziehbar. Und das ist gut so. Sie kennen die Strafe, die ich endverhandelt habe. Das ist ein absurder Millionenbetrag (26,33 Mio. Euro; Anm. d. Red). Seit ich 2017 in dieser Position bin, haben wir sehr viel Aufwand betrieben, um so etwas in Zukunft zu verhindern, etwa mit Zertifizierungen und Compliance-Schulungen. Jedem Mitarbeiter muss klar sein: Das ist nicht unser Geschäftsmodell.

Einer Ihrer Claims ist »Alles aus einer Hand«. Das machen oder wollen andere auch. Was machen Sie anders als die anderen? Wie soll sich die Habau vom Mitbewerb unterscheiden?

Wetschnig: Jedes Unternehmen hat seine eigene Wertschöpfungskette. Wir haben etwa mit dem Pipelinebau ein Produkt, das uns von allen anderen unterscheidet. Wir bauen riesige Gaspipelines in ganz Europa. Nicht zuletzt durch den furchtbaren Krieg in der Ukraine ist ein Bewusstsein entstanden, dass sich Europa vom russischen Gas unabhängig machen muss. Deutschland hat da sehr schnell reagiert und Baugenehmigungen ausgestellt. Das dauert normalerweise Jahre, was jetzt in wenigen Monaten gelungen ist. In Brunsbüttel bei Hamburg bauen wir einen großen LNG-Terminal. Diese Kompetenz ist ein absolutes Alleinstellungsmerkmal.      

Wir haben als eines der wenigen Unternehmen auch mehrere große Betonfertigteilwerke im Haus. Auch das ist ein Unterscheidungsmerkmal, nicht zu allen, aber zu den meisten Mitbewerbern. Und schließlich unterscheiden wir uns durch unsere Struktur. Es gibt Bauunternehmen mit der gesamten Kompetenz im Haus. Aber nicht immer funktioniert die Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen so reibungslos wie bei uns. Da haben wir als Familienunternehmen einen großen Vorteil. Bei uns wollen die Abteilungen erfolgreich zusammenarbeiten, deshalb können wir das Know-how und die Kräfte ernsthaft bündeln. Ich weiß aus anderen Unternehmen, dass diese Zusammenarbeit nicht immer so reibungslos funktioniert. 

Die ersten drei in Österreich sind mit Strabag, Porr und Swietelsky seit einiger Zeit fix einzementiert. Sehen Sie mittel- und langfristig Chancen für einen Platz am Stockerl?

Wetschnig: Wir wollen auf jeden Fall weiter wachsen. Wir haben eben die deutsche Schick Gruppe gekauft und wollen auch ein Holzbau-Unternehmen akquirieren. Damit kommen wir der Swietelsky zwar näher, wir haben aber keinen Druck, die Nummer drei zu werden. Ja, wir wollen wachsen und aufschließen, aber das ist nicht oberste Priorität. Wir sind kein Aktienunternehmen, wir müssen keine Storys erzählen. Entscheidungen müssen Sinn machen. Wenn bei einem Zukauf eins plus eins nicht zwei, sondern zweieinhalb oder drei ist, werden wir aktiv. 

Sind auch andere Märkte abseits von Deutschland und Österreich für Sie interessant?

Wetschnig: Ja, wir würden auch in die Schweiz gehen, wenn sich eine Möglichkeit ergibt. Und wir haben auch Projektgeschäfte in Norwegen. 

Letzte Frage: Mit welchen Erwartungen gehen Sie in das neue Jahr?

Wetschnig: Wenn es kein Gas- und Strom-Blackout gibt und es zu keiner Ausweitung des Krieges kommt, dann erwarte ich eine leichte Reduktion im Hochbau, die wir über die gesamte Firmengruppe aber auffangen können sollten. 2024 sollte es wieder bergauf gehen. Im Infrastrukturbereich sehe ich kaum Probleme. Da ist speziell in Deutschland so viel am Markt, wir können gar nicht alles anbieten.

(Bilder: Joel Kernasenko)

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