Samstag, April 20, 2024

Das Last Planner System (LPS) ist eine der bekanntesten und verbreitetsten Methoden von Lean Baumanagement. Es wurde in den 1990er-Jahren entwickelt, um die geringe Leistungsfähigkeit aufgrund der schlechten Vorhersagbarkeit der Folgearbeit im Bauprozess zu erhöhen. Teil 6 der Serie: »Lean Bau­management – Werkzeuge und Methoden«

Tipp: Worum ging's im letzten Teil? Hier gelangen Sie zu allen Beiträgen unserer Lean - Serie.

Das LPS ist eine Methode in der Lean Construction, um gemeinsam kollaborative Ziele für die Bauausführung zu setzen und den Produktionsprozess proaktiv in Richtung dieser Ziele zu steuern. Die sogenannten »Last Planner« sind Personen, welche in den Produktionsprozess involviert sind und Zuordnungen für den Planungsprozess machen. Diese Zuordnungen resultieren dann in keiner weiteren Planung auf niedrigerer Hierarchiestufe, sondern direkt in der physischen Produktion des Gebäudes. Das LPS bringt die Arbeit, die erledigt werden soll, mit der Arbeit, die erledigt werden kann, der Arbeit, die erledigt werden wird, und der Arbeit, die dann schlussendlich wirklich erledigt wurde, in Verbindung.

Zuerst wird vom gesamten Projektteam ein Meilensteinplan entwickelt. Danach wird mittels einer Rückwärtsplanung ein Phasenplan erstellt, welcher die bautechnisch richtige und logische Arbeitsabfolge beinhaltet. Auf Basis des Phasenplans kann eine Vorschauplanung über die nächsten sechs Wochen erstellt werden. Nachdem das geschehen ist, kann die nächste Arbeitswoche sehr genau geplant werden. In diesem Schritt werden von den Last Planners Zusagen gemacht: zu Arbeitspaketen, von denen die Last Planner sich zutrauen, sie in der nächsten Arbeitswoche zu erledigen. Sobald die Woche vergangen ist, wird der reale Arbeitsfortschritt mit den Zusagen verglichen und ein Prozentwert zu den gesamten Zusagen errechnet. Über den Prozentwert kann die Lücke zum Ideal identifiziert werden, welche es ermöglicht, in eine systematische Problemlösung überzuleiten und aus Fehlern zu lernen. In diesem Schritt kann der PDCA-Zyklus (Teil 4: Verschwendung stoppen) oder die 5-Why-Ursachenanalyse (Teil 2: Probleme am Ursprung lösen) verwendet werden.

Ablauf und Schema des Last Planner Systems

Das Team rund um die Last Planner versucht über den Masterplan eine Gesamtprozessanalyse (GPA) aufzusetzen. Die Ziele der GPA sind, ein gemeinsames Verständnis aller Baubeteiligten für das Projekt und dessen Ablauf zu schaffen, indem die Gewerkefolge und die dazu nötigen Materialien, Bauverfahren, Geräte, Maschinen, Lieferanten, Besonderheiten und mögliche Schwierigkeiten definiert werden. Dies schafft Transparenz sowie die Offenheit, über komplexe Themen wie parallel laufende Vorgänge zu sprechen. Abbildung 1 zeigt eine Gesamtprozessanalyse.


Es wird die Methodik des visuellen Managements des Lean-Ansatzes verwendet, um die projektrelevanten Informationen allen Personen an einem Platz zur Verfügung zu stellen. Wie in folgender Abbildung ersichtlich, werden die einzelnen Arbeiten mit Post-its auf das Papier geklebt, um bei Bedarf schnell adaptierbar zu sein. Weiters werden meist rötliche Post-its dazu verwendet, Unklarheiten zu markieren, zeitlich kritische Prozesse hervorzuheben oder auf Probleme aufmerksam zu machen. Um die richtige Arbeitsabfolge zu definieren, wird anschließend eine Rückwärtsplanung (Pull-Planung) in Betracht gezogen, damit jeder Übergang von einem Arbeitspaket in das nächste auch einer logischen bautechnischen Abfolge entspricht und am Ende realisierbar ist. Abbildung 2 zeigt eine Meilenstein- und Phasenplanung mit Einteilung der Geschosse und einem Farbschema zur Erleichterung der Übersicht.

Meilenstein- und Phasenplanung

Wichtig ist hier vor allem die kollaborative Planung der Zeitpunkte der Übergaben und der Arbeitsplätze, damit ein reibungsloser Baufortschritt gesichert werden kann. Die Schnittstellen zwischen den Gewerken sowie die benötigten Vorleistungen und Randbedingungen müssen für jedes Arbeitspaket definiert sein, um Probleme proaktiv vermeiden zu können. Sobald die Rückwärtsplanung abgeschlossen ist und sich das Fachpersonal auf die richtige Arbeitsabfolge der Tätigkeiten geeinigt hat, kann aus der Phasenplanung ein Vorschauplan über die nächsten sechs Wochen erstellt werden.

Durch die vorausschauende Planung können mittels gezielter Information zu Hindernissen, Materialanforderungen sowie kritischen Arbeitsschritten Tätigkeitspakete geformt werden, welche von den einzelnen Last Planners realisiert werden können. Man bedient sich der Einschränkungsanalyse, um Probleme zu identifizieren sowie zusätzliche Informationen zwischen den einzelnen Gewerken auszutauschen. Das Ziel der Einschränkungsanalyse ist es, keine Arbeit in den Backlog zu geben, welche nicht realisiert werden kann. Somit ist der Backlog ein Pool an Arbeitspaketen, für welche die Vorarbeiten bereits abgeschlossen und die Einschränkungen für die fachgerechte Ausführung bereits entfernt wurden.

Ressourcen effizient nutzen

Dank der genaueren Planung werden die Kapazitäten an Menschen, Maschinen und Materialien bedarfsgerecht vor Ort geplant. Diese kollaborative Planung gemeinsam mit den Gewerken, welche später die Ausführung übernehmen, resultiert in einer Reduktion der Störungen und vermindert den Steuerungsbedarf. Jeder Last Planner aus dem interdisziplinären Team selektiert anschließend aus dem Backlog Arbeitspakete, welche für die nächsten Wochen für sein Team möglich sind und gibt vor allen anderen Personen eine Zuordnung  zu deren Erledigung ab.

Danach werden die Arbeitspakete in die wöchentlichen Arbeitspläne eingetragen. Mit der Detailplanung kann anschließend die Produktion der zuvor zugesagten Arbeitsmengen durchgeführt werden. Aufgrund der Zusagen, die vor dem gesamten Team gegeben werden, steigt die Zuverlässigkeit der Detailplanung und es kommt zur Reduktion von Störungen. Einmal wöchentlich wird eine zusätzliche Arbeitswoche – zirka vier bis sechs Wochen von der aktuellen Kalenderwoche entfernt – eingeplant. Dafür muss bei den einzelnen Gewerken bereits ein gutes Verständnis für den kommenden Bauablauf und die Zuständigkeiten sowie die Schnittstellen vorherrschen. Im Zuge dieses wöchentlichen Meetings wird die Performance der Gewerke über die Zusagen gemessen. Abbildung 3 zeigt eine Detailplanung für die nächsten sechs Wochen. Damit können die Baustellenteams mit zunehmender Erfahrung die Fähigkeit entwickeln, Störungen und Probleme zu identifizieren und sofort gegenzusteuern. So können häufig auftretende Erschwernisse beseitigt werden, bevor das Arbeitspaket gestartet wird.

Tafelplanung für die nächsten sechs Wochen

Als Basis für die Produktionssteuerung dient der Prozentsatz eingehaltener Aussagen (PEA), von Glenn Ballard auch Percent Plan Completed (PPC) genannt. Dieser beschreibt die Anzahl der erledigten Zusagen dividiert durch die Anzahl an geplanten Zusagen als Prozentwert. Da die Prozentwerte für jedes Gewerk täglich ermittelt werden, hat das Team rund um die Last Planner immer eine Möglichkeit zur Produktionssteuerung. In der Problemanalyse ist eine unterstützende Haltung einer anschuldigenden Haltung vorzuziehen, da im Sinne einer Lean-Kultur Werte wie Vertrauen, Ehrlichkeit, Offenheit, Respekt und Transparenz zu einer Ausbildung einer Lernkultur führen und sich das Team der Professionisten so im Laufe des Projektes ständig verbessert.

Durch diesen offenen Umgang mit Fehlern und Problemursachen kann in eine kontinuierliche Verbesserung übergeleitet werden, damit sich Fehler nicht wiederholen und so die Effizienz der Bauabwicklung über die gesamte Projektlaufzeit stetig steigt.

(Titelbild: iStock)


Buchtipp:

Lean Baumanagement Band 2: Grundlagen. Werkzeuge, Methoden und Konzepte im Bauwesen

Band Nummer zwei der Schriftenreihe von Lean Baumanagement ist ein umfassendes Sammelwerk zu den wichtigsten Begrifflichkeiten rund um die Anwendung des Lean-Management-Ansatzes in der Baubranche. Nach einer anfänglichen Beschreibung der Anwendung der Lean-Prinzipien in den unterschiedlichen Bereichen von Lean Baumanagement gibt das Buch einen breiten Überblick über etablierte Werkzeuge und Methoden.  Die einzelnen Tools werden im Detail vorgestellt. Dadurch dient das Werk als Grundlektüre für alle Lean-Interessierten im Baubereich. Weiters wird das Zusammenspiel der einzelnen Bausteine beschrieben, um den aktuellen Herausforderungen gewachsen zu sein und die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Dieses Buch versucht mit vorhandenen Unklarheiten mancher Begriffsdefinitionen aufzuräumen und eine gemeinsame Wissensbasis zu schaffen. Das gesamte System Lean Baumanagement wird überdies anhand von Praxisbeispielen veranschaulicht.

Aus dem Inhalt:

  • Lean Baumanagement und die einzelnen Bereiche
  • Lean Production: Lean für die stationäre Industrie
  • Lean Construction: Lean für die Bauausführung
  • Lean Design: Lean in der Bauplanung
  • Lean Administration: Lean in den unterstützenden Unternehmensprozessen
  • Lean Logistik: Lean für die gesamte Wertschöpfungskette und Logistik
  • Lean Kultur: Das oberste Ziel ist ein Kulturwandel
  • Etablierte Methoden im Lean Baumanagement
  • Etablierte Werkzeuge im Lean Baumanagement

Herausgeber: Gottfried Mauerhofer, Phillip Süss
Erscheinungsjahr: 2022, ISBN: 978-3-200-08755-2, Preis: 39,- Euro, Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.
www.leanbau.at


Alle Teile der Serie: »Lean Bau­management – Werkzeuge und Methoden«

Teil 1: Lean Baumanagement – mehr als Lean Construction
Teil 2: Probleme am Ursprung lösen
Teil 3: Effektivität steigern, Verschwendung minimieren
Teil 4: Verschwendung stoppen
Teil 5: Das Kano-Modell der Kund*innenzufriedenheit

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