Donnerstag, April 25, 2024
Die nächste Generation

Die Schalungsindustrie forscht und arbeitet mit Nachdruck an der Erhöhung der Geschwindigkeit, Qualität und Effizienz im Schalungsbau. Anwenderfreundlichkeit und Sicherheit sind ebenfalls wichtige Anforderungen.
(Bild: Die gewichtsreduzierte Stahlbetondecke für das Projekt Nördlingen wird vom ITE der TU Graz gemeinsam mit Baumit und Eigner Bau mittels 3D-Betondruck erstellt.)

In einigen Bereichen hat sich das Baugewerbe in den vergangenen Jahrzehnten kaum verändert«, erklärt Stefan Peters, Leiter des Instituts für Tragwerksentwurf an der TU Graz. Im Bereich der Schalung gebe es aber sichtbare Fortschritte, so z. B. die additive Fertigung. Im Projekt Coebro wird mit Aussparungskörpern in der Decke gearbeitet. Im ersten Prototyp konnte eine Gewichtsreduktion von 35 Prozent erreicht werden. Aufbauend auf diese Forschung realisiert im Anschluss das ITE ein ca. 100 m² großes Deckenfeld für einen Atelierraum im Schloss Seehof in Lunz am See.

»Unser Zugang ist das ressourcenschonende Bauen mit Beton«, definiert Peters. Bei einem massiven Gebäude finden sich 75 Prozent des Materials in den Decken, das Tragwerk erfordert drei Viertel der grauen Energie. Der operative Anteil der Energie im Gebäude hat sich z. B. durch Wärmedämmung und moderne Heizsysteme bereits verbessert. »Nun gilt es, mit einem guten Betontragwerk positiv auf die Emissionen einzuwirken«, fordert der Wissenschafter.

Schaler treiben Technik voran

Von Forschungseinrichtungen erwartet man Innovationen – zu einem großen Teil wird bei Schalung aber auf die herstellende Industrie selbst verwiesen, mit gutem Grund. »Wir erkennen zwei Stoßrichtungen bei den Anforderungen an eine moderne Schalung«, erklärt Robert Traxl, technischer Geschäftsführer bei Ringer. Ergonomie werde auf Baustellen immer wesentlicher, gefragt sind körper- und kraftschonende Lösungen. Produkte müssen leichter werden, dürfen aber nichts von ihrer Robustheit einbüßen. Auch die Geschwindigkeit, d. h. das großflächige, schnelle Schalen mit nur wenigen Ankerstellen wird zum Thema. »Im Bereich der Deckenschalungen erkennen wir einen Trend  zu modularen Schalungssystemen.«

Durch das geringe Gewicht des Deckenschalungssystems AluDEK von Ringer sind die Schalungselemente ideal vom Boden aus zu montieren.

Faktor Zeit

Zeit wird auf der Baustelle laut Robert Traxl zum kostenentscheidenden Faktor. »Die Investoren möchten ihr Bauvorhaben schnellstmöglich realisiert haben. Die Wohnungen müssen verkauft und vermietet werden. Der Zeitdruck ist gewaltig. Der Wohnbau kann vielfach kaum mehr austrocknen. Es gibt bereits eigene Mannschaften, die nur mehr Sanierungen machen, weil der Rohbau zu schnell hergestellt wird. Dazu kommt, dass immer weniger Personal auf der Baustelle zur Verfügung steht und laut Doka das Finden und Gewinnen qualifizierter Fachkräfte auch für die Baubranche schwieriger wird. »Die Simplifizierung der Produkte ist daher eine sehr notwendige Innovation«, fordert Sebastian Dorda, Vice President Strategy & Innovation. Meva versucht daher, Schalungen aus möglichst wenig Teilen zu bilden. Deshalb benötigt die AluFix Schalung 50 Prozent weniger Verbindungsteile und 25 Prozent weniger Ankerteile im Vergleich zu Schalungssystemen aus Kunststoff.

Leicht und sicher

Immer stärker im Kommen ist die Arbeit im kleinen, unabhängigen Bereich. Das erfordert Schalungen, die auch ohne Kran bewegt werden können. Aluminium bildet hier einen klaren Trend, bereits umgesetzt etwa in DokaXlight und Alu-Framax Xlife von Doka, Alu Master von Ringer und AluFix von Meva. Peri bietet die Aluminiumdeckenschalung Skydeck und als neues System die Großpaneel-Deckenschalung Skymax. Geschäftsführer Peter Radel erkennt eine Weiterentwicklung bei den Werkstoffen: »Seit 2017 ist von Peri die universelle Leichtschalung Duo auf dem Markt. Die Duo ist aus einem hoch belastbaren technischem Kunststoff gefertigt und für Wand, Decke, Säule und Fundamente einsetzbar.«

Hier sei das Gewicht entscheidend, vor allem für die Arbeitssicherheit – die Decke wird von Hand ausgeschalt. Das Schalungssystem Duo aus faserverstärktem Polymer erreicht durch die Faserverstärkung einen Betondruck von ca. 50 kN/m² für Wände und 79 kN/m² für Säulen, es ist für den händischen, kranfreien Einsatz konzipiert. Durch wenige Teile und seine intuitive Aufbaufolge werden kürzere Einsatz- und Taktzeiten möglich, die die Arbeitsproduktivität erhöhen.

Doka nennt als Innovation Nachhaltigkeit, etwa durch die Verwendung neuer Holzarten. »Die Ökonomie von Schalungen muss umfassend betrachtet werden«, fordert Sebastian Dorda. Das schließt die Reduktion von Lärmbelästigung und Sicherheitsaspekte mit ein, ebenso die Flexibilität im Einsatz. »Je nach Anfahrtsweg ist eine Schalung spezialisiert oder universell einsetzbar. In Europa geht es eher in Richtung spezialisierter Produkte, in Asien und Lateinamerika eher zu universellen.«

Auf das Thema Sicherheit verweist Thomas Graf, Geschäftsführer Meva Schalungs-Systeme. »Diese wurde bislang vielfach vergessen, Prävention ist aber sehr wichtig. Wir haben daher unsere Sicherheitsplattformen überarbeitet und faltbare Sicherheitslösungen erstellt, die wir bei der nächsten bauma vorstellen.« Sicherheit ist zentral – denn zunehmend werden Subunternehmer beauftragt. Es braucht daher stabile und sichere Lösungen. Aus der Branche ist von Fällen zu hören, dass Subunternehmer dem Bauherrn einen günstigeren Preis für ihre Leistungen verrechnen, wenn sich dieser für höherwertige Schalungen entscheidet.

Ein Leben lang

Im Gebäudebau erlebt die verlorene Schalung im Niedrigenergiesektor eine Renaissance. Schalungen werden in der Regel nach dem Aushärten des Betons entfernt. Verlorene Schalungen bleiben dagegen dauerhaft im Bauwerk, reduzieren Arbeitszeit und -kosten und wirken langlebig, indem sie die Bauteildämmung übernehmen. Am Institut für Tragwerksentwurf der TU Graz wird im Projekt Coebro derzeit am System der verlorenen Schalungen gearbeitet: Kassettendeckenkonstruktionen, hergestellt über vorgefertigte 3D-gedruckte Aussparungskörper, reduzieren den erforderlichen Beton gegenüber herkömmlichen Ortbetondecken um bis zu 35 Prozent.

Die additive Fertigung für die Herstellung von Schalungen ist eine innovative und vielversprechende Methode im konventionellen Stahlbetonbau. (Projekt Atelierdecke Schloss Seehof, ITE TU Graz mit Baumit, Schloss Seehof in Lunz am See)

Digitale Zukunft

3D-Planungen haben bei komplexen Geometrien den Vorteil, dass Bauabläufe transparenter sind und sich dadurch einfacher umsetzen lassen. Deshalb setzt Meva verstärkt auf diese modernen Planungslösungen. Ein weiterer Trend, der über Schalungshardware hinausgeht, ist automatische Schalungsplanung. »Wir verfügen über Programme, die es erlauben, in Form von 3D-Modellen Schalungen vorzuplanen«, beschreibt Thomas Graf. Der klassische Hersteller und Lieferant wird zum Problemlöser und Planer. Auch Ringer berichtet von mehr Digitalisierung, er beschäftigt sich derzeit mit der Betonreifegraddiagnostik und dem Tracking und Tracing von Produkten am Bau. »Diese Technologien unterstützen die Abläufe auf der Baustelle im Sinne des LEAN-Managements, was den Ressourceneinsatz und die Baulogistik optimiert«, betont Robert Traxl. Schalungslösungen werden als digitaler Zwilling zur Verfügung gestellt.

»3D-Planungen haben bei komplexen Geometrien den Vorteil, dass die Bauabläufe transparenter sind und sich dadurch einfacher umsetzen lassen«, empfiehlt Thomas Graf. Auch bei massiven Geometrien sind sie entscheidend.

Peri bietet seinen Kunden Betondruckmessungen, die vor Ort durchgeführt werden können. »Das Peri ISC Betondrucküberwachungs-Set misst den Druck, den der Beton auf die Schalung ausübt und überträgt die Daten anschließend an die ISC-Webapplikation. So kann der Betondruck in Echtzeit überwacht und die Betoniergeschwindigkeit optimal anpasst werden. Dies führt zu einem sicheren Betoniervorgang und einer optimierten Auslastung der Schalung«, informiert Peter Radel.

Das Peri InSite Construction Drucküberwachungs-Set misst kontinuierlich die Temperatur des Betons.

Sensoren nutzt auch Doka. »Wir statten immer mehr Produkte damit aus«, betont Dorda und nennt als Beispiel DokaXact. »Wir vereinfachen die Handhabung und den Einsatz unserer Produkte, können durch frühzeitiges Erkennen von Abweichungen zum Sollzustand leichter korrigieren.« Auf Digitalisierung könne nicht verzichtet werden. Ergänzende Baumethoden würden an Bedeutung gewinnen, aber noch in den die nächsten Jahrzehnten sei Ortbeton nicht verzichtbar. Damit braucht es verstärkt Vorfertigung und Baukastensysteme.

DokaXact ist ein interaktives, sensorbasiertes System zur präzisen Positionierung von Wandschalungselementen für vertikale Bauwerke, wie beispielsweise Betonkerne von Hochhäusern. (Citygate Schweden)

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