Freitag, April 26, 2024
»IFC ist nicht genug«
»In Zukunft wird alles, was real existiert, auch digital existieren und in der Cloud verfügbar sein. Nur so können die Versprechungen der Digitalisierung Realität werden«, ist Matthias Uhl überzeugt.

Seit Anfang des Jahres ist Die Werkbank IT Gmbh Teil von Drees & Sommer. Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report erklärt Geschäftsführer Matthias Uhl, wie er für Drees & Sommer Prozesse im Gebäude-Lifecycle digitalisieren will und warum BIM eine strikte Trennung von Alphanumerik und Geometrie erfordert. Dabei geht er auch hart mit der heimischen BIM-Szene ins Gericht.


Report: Die Werkbank IT Gmbh ist seit Jahresbeginn Teil von Drees & Sommer. Welchen Mehrwert stellt Die Werkbank für Drees & Sommer dar?

Matthias Uhl: Dreso steckt mit seinen knapp 5.000 Mitarbeitern selbst in der Digitalisierung. Da gibt es eine Unmenge an Prozessen zu digitalisieren, unter anderem auch die Planungsprozesse. Es gibt die Möglichkeit, auf bestehende Tools zurückzugreifen und diese gut zu verbinden oder man entwickelt eine eigene, maßgeschneiderte Lösung. Das mit externen Dienstleistern zu realisieren, ist einerseits teuer und auch heikel in Sachen Nutzungsrechte.

Die Werkbank IT Gmbh ist spezialisiert auf das Thema Planung. Dreso wusste, dass wir ein Team aus 40 motivierten und hochqualifizierten Mitarbeitern haben, und hat deshalb entschieden, uns mit der Digitalisierung im Rahmen ihrer Planungsprozesse zu betrauen. Der Verkauf war eine absolute Win-Win-Situation. Dreso bekommt Sicherheit, Rechte sowie die IP und auch für die Werkbank schafft der Deal Sicherheit und neue Möglichkeiten.

Report: Bedeutet das, dass die Werkbank IT jetzt nur noch exklusiv für Dreso arbeitet?

Uhl: Nein, das heißt es nicht. Deshalb betonen wir auch immer, dass die Werkbank IT eigenständig bleibt, ebenso unsere 100-Prozent-Tochter Next IT in Bulgarien. Wir werden versuchen, Lösungen, die wir für Dreso entwickeln, leicht abzuwandeln und frei am Markt zu platzieren. Das wäre für Dreso sogar der Idealfall. Sie sind Entwicklungspartner und am Ende kommt ein Produkt raus, das auch andere Firmen verwenden können.

Report: Gab es auch Gespräche mit anderen Unternehmen wegen einer Übernahme?

Uhl: Ja, wir waren auch mit anderen Unternehmen, für die wir bereits Plug-ins entwickelt haben, im Gespräch. Nachdem sich die Gespräche mit Dreso verdichtet haben, wurden diese aber auf Eis gelegt. In all diesen Gesprächen waren IP und Zugang zu Ressourcen die großen Themen. Man spürt, dass fehlende Rechts- und Planungssicherheit die Digitalisierung extrem dominieren. Und klar: Mit der Übernahme der Werkbank durch Dreso haben sich diese Themen ein Stück weit verschoben.

Report: Was war umgekehrt für Sie an Drees & Sommer attraktiv?

Uhl: Es gab für mich drei Gründe für die Kooperation mit Dreso. Der erste ist privater Natur. Ich bin jetzt 53. Andere in dem Alter haben eine lange Karriere hinter sich und sich materiell für den Ruhestand abgesichert. Ich hingegen musste in meinem Leben den einen oder anderen Rückschlag hinnehmen. Ich hatte einen enormen Erfahrungsschatz, aber wenig Konkretes in der Hand. Ohne diesem Exit hätte ich anfangen müssen, mir Gedanken über eine Nachfolge zu machen.

Zweitens bin ich extrem von unseren Produkten überzeugt. Die Anbindung an die Industrie und die Verteilung an die Planung hat enormes Potenzial. In Zukunft wird alles, was real existiert auch digital existieren und in der Cloud verfügbar sein. Nur durch diesen generellen Zugang zu Daten können die Versprechungen der Digitalisierung Realität werden. Was wir jetzt haben, sind in erster Linie Insellösungen. Das kann aber nicht die Zukunft sein. Mit BIM & More haben wir da eine gute und innovative Lösung entwickelt. Das wurde anscheinend auch bei Dreso so gesehen.

Drittens geht es um mein Team in Hallein und Bulgarien. Wir sehen uns als Einheit und mir war es wichtig, dass diese Leute auch eine Zukunft haben, wenn ich mich mittelfristig zurückziehen würde. 

Report: Was werden Sie konkret für Drees & Sommer machen?

Uhl: Konkret geht es darum, den gesamten Gebäude- oder BIM-Lifecycle zu digitalisieren. Dafür entwickeln unter anderem wir die begleitenden digitalen Tools. Das Ergebnis wird der Dreso-Backbone sein, das ist auch der Arbeitstitel des Projekts. Da kann sich jeder Projektbeteiligte zu jedem Projektzeitpunkt bedienen. Unsere Aufgabe ist es, die dazugehörige Cloud aufzubauen und die verschiedenen Tools an die Cloud anzubinden. Es wird für Revit oder Microstation sowie andere Tools ein Plug-in geben, das genau auf die Bedürfnisse von Dreso zugeschnitten ist. 

Report: Und dieses Plug-in könnte auch von anderen genutzt werden?

Uhl: Genau. Da wird es dann zwar Adaptionen geben und es heißt natürlich anders. Aber die Basis ist das Dreso-Plug-in. Unsere Arbeit für Dreso geht aber noch darüber hinaus. Bei vielen Themen stehen wir noch ganz am Anfang. Wir wissen noch nicht, wie wir das Thema Ausschreibungen integrieren können. Eines unserer Jahresziele ist es, mit einem Mausklick zwischen produktneutral und produktspezifisch switchen zu können. Das klingt vielleicht banal, ist aber etwas, was sich die BIM-Planung seit Jahren wünscht. 

Report: Was sind aus Ihrer Sicht aktuell die größten Herausforderungen in der Digitalisierung der Bauwirtschaft?

Uhl: Die größte Herausforderung ist der Datenaustausch. Das Problem in BIM ist, dass Information und Geometrie ineinander verkapselt sind. Diese Verkapselung ist aber immer nur für eine bestimmte Aufgabe und Situation richtig. Wenn die Informationen im BIM-Modell verkapselt sind, sind sie  für bestimmte andere Anwendungen wertlos. Dann kann man die Information zwar im 3D-Modell platzieren, aber das war es dann auch.

Wir müssen unterscheiden zwischen alphanumerischer Information und Geometrie. Wir dürfen immer nur im Moment verkapseln, in dem es notwendig ist, und wir müssen wissen: das, was da drinnen verkapselt ist, liegt in der Datenbank alphanumerisch frei in der jeweiligen Klassifikation vor. Das kann dann in die Ausschreibung oder Kostenkalkulation rein. In dem Zusammenhang muss ich auch Kritik an der BIM-Szene üben. 

Report: Und zwar?

Uhl: Da sind Manager und Geschäftsführer am Werk, die noch nie ein CAD-Programm geöffnet haben, aber der Branche erklären wollen, wie BIM läuft. Da wird gar nicht erkannt, wie wichtig die Trennung von alphanumerischer Information und Geometrie ist. Jeder hat irgendeine Insellösung und glaubt, das ist BIM. Das deckt aber in der Regel nur einen Mikrobereich des Gebäude-Lifecycles ab. Viele BIM-Manager und BIM-Berater kommen aus dem Marketing. Das ist wirklich schlimm. Das hat mich an Dreso von Anfang an fasziniert, weil hier von Anfang an das große Ganze gesehen wurde. Ohne diesem ganzheitlichen Ansatz ist die Gefahr groß, dass in die Planung jede Menge Datenschrott fließt.

In Zukunft geht es darum, dass Alphanumerik und Geometrie strikt getrennt werden und nur dann verkapselt werden, wenn es absolut notwendig ist. Und dann geht es darum, diese Daten fließen zu lassen. Das ist natürlich viel einfacher, wenn vorher diese Trennung stattgefunden hat. Da muss man auch einen Satz zu IFC sagen. IFC ist an dieser Stelle problematisch. Das ist wie ein Excel-Sheet mit 100 Zeilen und wenn man 101 Zeilen braucht, dann geht es halt nicht. IFC verwaltet den Grundfehler, nämlich die Verkapselung von Information.

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