Sonntag, Mai 05, 2024
Bauen ist mehr als Technik

Als Bauziele sind heute Flächenoptimum, Energieeffizienz und Bestleistung bei den Kosten definiert. Der Faktor Mensch geht oft verloren.

Wir sind Techniker und wollen die Technik optimieren. Der Kundenfokus bleibt vielfach auf der Strecke«, geben einige Vertreter der Bauwirtschaft zu. Dass es um die Branche nicht ganz so schlimm bestellt ist, meint hingegen Renate Scheidenberger, Geschäftsführerin von Baukultur. Sie sieht immer mehr Bewusstsein für gesundes Bauen, v.a. im Privatwohnbau und bei hochwertigen Bauträgern. Gesundes Bauen hat den Esoterik-Charakter verloren.

Die Wiener Baumeisterin erinnert sich lachend: »Wer früher einen Feng-Shui-Putz vorgestellt hat, ist sprichwörtlich hochkant bei der Tür rausgeflogen.«
Auch Wienerberger erkennt einen starken Trend zu Gesundheit, Vitalität und Nachhaltigkeit, der vor der Gestaltung des Eigenheims nicht Halt macht. Ziegel ist nach wie vor der beliebteste Baustoff der Österreicher. Pro Jahr werden rund 3,8 Millionen m² Wandziegel verbaut. Verstärkt nachgefragt wird der Baustoff Holz. Holzbauunternehmen sehen laut Branchenbericht vom Fachverband der Holzindustrie Österreichs Potenzial vor allem in den Bereichen Sanierung, Renovierung, Zubau, Aufstockung und Erweiterung.

Bild oben: »Es kann nicht sein, dass immer dichter gebaut wird und dann Löcher in der Fassade für eine Dauerlüftung nötig werden, um Schimmel zu vermeiden«, sagt Renate Scheidenberger, Geschäftsführerin von Baukultur.

»Es gilt immer, die Stärken der einzelnen Baustoffe zu beachten und man muss sie ideal einsetzen«, betont Bauträger- und Projektberater Christian Vondrus. Dazu gehören z.B. Feuchtepufferung und thermische Speicherfähigkeit. Im Hybridbau ergänzt sich Holz zum Beispiel sehr gut mit Beton. Damit sind laut pro:Holz funktionale, konstruktive und ökonomische Vorteile zu erzielen. Das Gegenargument hoher Kosten gilt für gesunde Baustoffe nicht. Die Baustoffe selbst haben nur einen minimalen Einfluss auf den Projektpreis. Relevant für das Projekt sind andere Treiber wie Grundstückskosten, mehrmalige Verkäufe von Projekten von einem Bieter zum nächsten sowie die Arbeitskosten.

Gesund im Bau

Das Kompetenzzentrum Gesundes Bauen, Wohnen und Arbeiten definiert »Gesund im Bau« damit, dass der Mensch in seiner gebauten Umgebung gesundheitlich weder gefährdet noch beeinträchtigt wird. Ziel ist die Förderung der Gesundheit und die Steigerung des Wohlbefindens. Daher gilt es, auf biologische Einflussfaktoren wie Schimmelpilze und Allergene ebenso Rücksicht zu nehmen wie auf physikalische, also Temperatur, Schall und Luftfeuchtigkeit, chemische wie Gase und Staubbelastung sowie psychosoziale wie Farb- und Raumgestaltung. Gesundes Bauen kann nicht mit einer einzigen kosmetischen Maßnahme erfüllt werden: Ein Naturfußboden aus Holz allein macht es nicht aus. Gesundes Bauen setzt sich aus einer ganzen Reihe bautechnischer Maßnahmen und Know-how zusammen, beginnend von der entsprechenden Planung über die Ausführung und natürlich auch der Kenntnis über spezifische Qualitäten und Eigenschaften der verwendeten Materialien. »Wir alle verbringen immer mehr Zeit in Innenräumen, zuhause wie am Arbeitsplatz.Der Faktor Gesundheit muss stärker zur Geltung kommen, auch beim leistbaren Bauen«, fordert Christian Vondrus.

Bild oben: »Dämmen ist wichtig für die Behaglichkeit. Es stellt sich aber die Frage, wie weit der Energiebedarf reduziert werden kann, ohne die Raumluftqualität negativ zu beeinflussen«, erklärt Bauträger- und Projektberater Christian Vondrus.

Beim ökologischen Bauen war historisch betrachtet die Baubiologie immer dabei. Später wurde daraus das nachhaltige Bauen, wobei man sich auf Energieeffizienz, Ressourcenschonung und CO2-Reduktion konzentriert hat. Weggefallen ist die Biologie und damit in weiterer Folge der humane Anspruch an das Wohnen. Dem gesunden Lebensumfeld müsste auf gesetzlicher Ebene wieder mehr Stellenwert eingeräumt werden. klimaaktiv nennt Grenzwerte bei TVOC und Formaldehyd. Der Fokus liegt laut Vondrus aber auch hier bei Energieeffizienz, Klimaschutz und Ressourceneffizienz. Bauphysik und Baubiologie sollten nicht länger Kür sein, sie müssen Pflichtprogramm im Bauen werden.

Mehr Wert für Bauphysik

Eine stärkere Position muss Bauphysik bekommen. »Mit der richtigen Temperatur, Luftgüte, Akustik, Materialwahl und dem richtig eingestellten Schall können wir sehr viel unterstützen, Emissionen von Baustoffen minimieren und Raumkomfort sicherstellen«, betont Hannes Veitsberger von Norm Consult, einem Ingenieurbüro für Bauphysik und Stahlbau. Bauphysik auf der Baustelle setzt sich aber vielfach schwer durch. Filter wie Ausschreibungen oder ein Kostenplus reduzieren den Einbezug. »Große Baufirmen müssen wirtschaftlich denken«, erinnert Tamir Pixner, Geschäftsführer von Timbatec Holzbauingenieure.

Der Bauherr möchte ein schönes Projekt hinstellen, das er gut vermieten kann. Ob Holz im Innenraum dabei eine gesunde Ausgleichsfeuchte schafft, ist nur bedingt relevant. »In meiner Wahrnehmung etabliert sich Bauphysik, erfahrene Bauunternehmen greifen darauf zurück«, berichtet Veitsberger. Timbatec plant aktuell ein Gebäude in Holz-Strohballenbauweise. Der vier- bis fünfgeschoßige Wohnbau befindet sich in Wien und wird etwa acht Wohneinheiten umfassen. Renate Scheidenberger sieht Potenzial für Gesundes Bauen vor allem in der Sanierung. »Wir haben viel mit Holz und Ziegel zu tun. Im Neubau sind einige Bauträger auch schon sensibilisiert und legen stärkeren Fokus auf nachhaltiges und besseres Raumklima.« Bauphysik ist weit mehr als das Ausstellen von Energieausweisen.

 

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