Digitale Technologien machen auch vor dem Facility Management nicht Halt. Während die einen an tiefgreifende, disruptive Veränderungen glauben, sehen andere eher eine Evolution und keine Revolution. Fest steht: Der Fantasie, was FM in Zukunft sein kann, sind kaum Grenzen gesetzt.
Wie viele andere Bereiche der Wirtschaft steht auch das Facility Management vor tiefgreifenden Veränderungen. Laut einer Umfrage von EY Real Estate sehen 90 Prozent der Befragten in der Digitalisierung ein sehr relevantes Handlungsfeld für ihr Unternehmen. »Zu den größten Game Changers im Facility Management zählen die Sensorik und das Internet der Dinge«, ist Alexander Redlein, Professor für Real Estate und Facility Management an der TU Wien, überzeugt. Beim Internet der Dinge (IoT) geht es um die Vernetzung von »intelligenten« Gegenständen sowohl untereinander als auch nach außen hin mit dem Internet. Immer günstiger werdende Sensoren liefern eine Vielzahl an Daten und Informationen. Damit können einzelne Geräte, aber auch ganze Räume überwacht und analysiert werden. Für das FM ergeben sich damit völlig neue Spielarten. So kann etwa an die Stelle eines strikten Leistungsverzeichnisses mit fixen Reinigungsintervallen eine zustandsabhängige Betreuung treten. Eine Toilette wird dann nicht mehr dreimal täglich gereinigt, sondern erst nach einer bestimmten Anzahl von Nutzungen. Ist die Nutzungszahl erreicht, kann die Information direkt in den Dienstplan des Reinigungspersonals fließen oder es ergeht eine SMS an die Reinigungskraft. Der Fantasie sind hier kaum Grenzen gesetzt, denn selbiges kann etwa auch für den Seifenspender gelten. Während sich früher ein Mitarbeiter vor Ort überzeugen musste, ob etwa ein Seifenspender aufgefüllt werden muss oder nicht, kann diese Information heute das Gerät selbst liefern. Damit kann die Produktivität deutlich gesteigert werden, einzelne Mitarbeiter können bei gleichbleibenden Arbeitsaufwand deutlich mehr Fläche betreuen. BIG-Geschäftsführer Wolfgang Gleissner nannte das Internet der Dinge folgerichtig den »sozial verträglichen Produktivitätshebel des 21. Jahrhunderts«. Das Konzept greift aber nicht nur in der Reinigung. Auch beim Betrieb von technischen Anlagen sind enorme Produktivitätssteigerungen möglich.
>> Vorausschauen statt hinterherlaufen <<
Das Zauberwort heißt hier »predictive maintenance«, also die vorausschauende Wartung. Aufzugshersteller Otis hat schon vor knapp 20 Jahren mit der neuen Gen2-Technologie verschiedene Messpunkte in die Aufzüge integriert, die potenziell mehr als 6.000 Datensätze abrufen konnten. »Wir haben bereits damals begonnen, diese Daten zu nutzen, damit wir unsere Kunden proaktiv und sehr rasch über den Zustand ihrer Anlagen informieren können«, erklärt Roman Teichert, Geschäftsführer Otis Österreich. Aber erst die neuen technologischen Möglichkeiten wie Cloud Computing und IoT konnten das Service auf das nächste Level heben. »Damit sind wir jetzt in der Lage, die vorausblickende Wartung flächendeckend anzubieten«, sagt Teichert. Dazu kommt ein neues Kundenportal, das den Echtzeitzugriff auf alle Daten rund um den Aufzug ermöglicht. Mit vielen Apps und Services ist es künftig noch schneller möglich, Verbindung mit dem Aufzug selbst aufzunehmen oder wichtige Kommunikationsinhalte mit den Aufzugsnutzern zu teilen. Zeitnah soll auch die Integration von Programmierschnittstellen den Import von Daten in die betriebseigenen Software-Lösungen der Kunden ermöglichen.
Anfang des Jahres hat Otis auch ein weltweites IoT-Pilotprojekt in Österreich gestartet. »Dieser Pilot stimmt uns sehr zuversichtlich. Die Trefferquote bei der Vorhersage von Aufzugsausfällen konnte die Erwartungen weit übertreffen. Und das Programm und der dahinterliegende Algorithmus lernen laufend dazu«, erklärt Teichert.
Kone arbeitet mit einem ähnlichen System. Sämtliche Aufzugsdaten werden laufend in eine Cloud exportiert und von intelligenten Algorithmen analysiert. Werden Muster erkannt, die auf einen drohenden Ausfall hinweisen, gehen diese Informationen direkt an den Service-Mitarbeiter. Laut Redlein laufen die FM-Dienstleister damit Gefahr, dass ihnen die Gerätehersteller und Technologieanbieter das Geschäft streitig machen bzw. sie zu reinen Handlangern degradieren, die gerufen werden, wenn man sie braucht. Denn auch der bereits angesprochene Seifenspender kann seine Informationen direkt an den Hersteller schicken, der in Zukunft nicht mehr nur das Gerät verkauft, das von den Dienstleistern nachgefüllt wird, sondern die Seife und vor allem die garantierte Verfügbarkeit gleich mit.
>> Evolution statt Revolution <<
Dass neue Technologien immer auch Spekulationen um die Zukunft einzelner Branchen Tür und Tor öffnen, wissen auch die FM-Dienstleister. Allerdings sieht etwa Thomas Fastenrath, Geschäftsführer der WISAG Service Holding Austria, in Technologien wie Sensorik, app-gesteuerten Arbeiten und Internet der Dinge »die Chance, die eigenen Prozesse weiter zu optimieren sowie neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, die Kunden einen spürbaren Mehrwert bieten«. Zudem glaubt er auch nicht, dass die digitalen Technologien die Reinigungs- und FM-Branche kurz- und mittelfristig großartig verändern werden. »Denn es sind neue Standards notwendig, um dies zu automatisieren – sowohl in Bezug auf die eigene Organisation als auch in Richtung der Kunden.« Und Facility Management wird laut Fastenrath immer eine menschliche Komponente haben. »Denn digitale Technologien brauchen auch Instandhaltung, Wartung und Kontrolle. Und sie brauchen vor allem eines: neue Managementprozesse.«
Wisag selbst beschäftigt sich im Zuge der Digitalisierung neben Themen wie Sensorik und Robotik auch mit der Standardisierung und Automatisierung vor allem interner Prozesse. »Dabei wollen wir für unsere Kunden einen Mehrwert schaffen. Die Herausforderung wird künftig sein, diesen Mehrwert unseren Kunden zu vermitteln. Das braucht Zeit«, sagt Fastenrath, der im digitalen Wandel eine evolutionäre Veränderung und keine Revolution sieht.n