Freitag, Mai 03, 2024

Jahrelang gab es rund um die Dämmstoffindustrie vor allem negative Schlagzeilen: Rückläufige Volumina bei gleichzeitigem Preisverfall haben dazu geführt, dass die Branche in nur drei Jahren fast ein Fünftel ihrer Umsätze einbüßte. Auch ein Hauptschuldiger war schnell gefunden. Im abgelaufenen Jahr scheint die Branche aber dennoch den lang ersehnten Turnaround geschafft zu haben.

Die heimischen Dämmstoffhersteller wurden in den letzten Jahren arg gebeutelt. Bis 2015 reduzierten sich die Umsatzerlöse der Branche jährlich um einen hohen einstelligen Prozentbetrag. Von 2012 bis 2015 sanken die Umsätze laut Branchenradar von Kreutzer Fischer und Partner von stolzen 330,1 Millionen Euro auf magere 268 Millionen Euro, das entspricht einem Rückgang von 18,8 Prozent in nur drei Jahren. Als Hauptschuldigen für diese Misere haben Branchenvertreter die Sanierungsmüdigkeit in Österreich ausgemacht. »Die Sanierungsquote für die thermische Sanierung ist 2015 auf rund 0,5 Prozent abgestürzt. Vor fünf Jahren lag dieser Wert noch bei 1,5 Prozent«, erklärt Franz Roland Jany, Geschäftsführer der GDI 2050, bestürzt. Vom ursprünglichen politischen Ziel von drei Prozent ist man aktuell weiter entfernt denn je. »Während die Sanierungsraten europaweit signifikant ansteigen, ist die Sanierung in Österreich an einem Tiefpunkt angelangt. Und das ein Jahr nach dem Pariser Klimaabkommen«, so Jany. Die Gründe dafür sind vielfältig und hausgemacht. Der Sanierungsscheck wurde im Jahr 2016 von ursprünglich 100 Millionen Euro auf 43 Millionen Euro mehr als halbiert. Das hatte zur Folge, dass der Fördertopf schon im Oktober ausgeschöpft war. Dazu kommen einige politische Maßnahmen, die nicht annehmen lassen, dass sich an der Sanierungsquote mittelfristig etwas ändern wird. Die Wohnbauförderung wurde – trotz Regierungsübereinkommen – nicht nur nicht zweckgebunden, im Rahmen des Finanzausgleichs wurden auch noch die Energieeffizienzstandards der Wohnbauförderung auf das Niveau der Bautechnikverordnung herabgesetzt.

»Das entspricht einer Verschlechterung von 20 bis 25 Prozent«, ist Jany überzeugt. Und auch ein steuerliches Anreizsystem für private und gewerbliche Investoren ist aktuell nicht in Sicht, obwohl sich Experten davon positive Impulse erwarten würde. Da passt es ganz gut ins Bild, dass Wienerberger-Chef Heimo Scheuch eben mit einem durchaus radikalen Vorschlag hat aufhorchen lassen. »Niederreißen und neu bauen wäre oft besser«, meinte Scheuch vor allem in Richtung Gebäude und Wohnungen aus den 70er-Jahren. Dieser Vorschlag ist zwar nicht allzu überraschend, ein verstärkter Neubau würde schließlich Unternehmen wie Wienerberger zugutekommen, er ist aber durchaus sinnbildlich für die aktuelle Stimmung.

Trendwende 2016

Trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen dürfte der Sinkflug bei den Herstellerlösen 2016 gestoppt worden sein. Ersten Schätzungen zufolge ist laut Marktforscher Andreas Kreutzer sogar mit einem leichten Plus von 1,5 Prozent zu rechnen. Zu verdanken sei dies aber ausschließlich dem kräftig wachsenden Neubau. Bestätigt wird diese sanfte Trendwende auch von den Unternehmen.  »Erstmals seit Jahren ist wieder ein wenig Bewegung im Markt und die anhaltende Stagnation leicht durchbrochen«, erklärt Steinbacher-Geschäftsführer Roland Hebbel, der für 2016 ein leichtes Plus verzeichnet. Auch  Austrotherm-Geschäftsführer Ge­rald Prinzhorn berichtet von einem Umsatzplus von zwei Prozent, bei Knauf Insulation liegt der Zuwachs zwischen 1,5 und zwei Prozent. Ein echtes Wachstum über der Inflationsrate ist für ihn aber nicht in Sicht. Er lasse sich aber gerne überraschen, wenn sich anderweitige Prognosen bewahrheiten. Wie etwa die von Andreas Kreutzer. Der rechnet für dieses und nächstes Jahr sogar mit einem Umsatzplus von vier bzw. 4,6 Prozent.

Herausforderung Preis

Weitgehende Einigkeit herrscht darüber, dass eine vernünftige Preisgestaltung zu den größten Herausforderungen der Branche zählt. Der teils ruinöse Preiskampf der letzte Jahre hat seine Spuren hinterlassen. Dazu kommen stark gestiegene Rohstoffpreise. Alleine in den letzten vier Monaten ist der Preis für Styrol, das Ausgangsmaterial für EPS und XPS, um 55 Prozent gestiegen. »Es geht jetzt darum, die mittlerweile unumstößlichen Rohstoffpreiserhöhungen, speziell im EPS-Bereich, auch am Markt umzusetzen. Denn der eklatante Preisverfall in diesem Sektor war in den letzten drei Jahren unnatürlich«, erklärt Wolfgang Folie, Fachverkaufsleiter Capatect. Auch Gerald Prinzhorn geht davon aus, dass »es für alle Hersteller notwendig, eigentlich überlebensnotwendig ist, die Steigerungen am Markt weiterzugeben«.

Wege zum Ziel

Vor diesem Hintergrund ist nicht davon auszugehen, dass der Wettbewerb einfacher wird. Die Strategien, diesen erfolgreich zu bestehen, sind unterschiedlich. Austrotherm setzt »auf innovative Produkte mit einem vernünftigen Service und bester Logistik«. Auch Sto setzt auf innovative Produkte wie das neue Fassadendämmsystem StoSystain R, das auf leistungsstarke Klettverbindungen statt Kleber setzt. »So lässt es sich nach der Nutzungsdauer sortenrein trennen und in hohem Maß wiederverwerten«, erklärt Geschäftsführer Walter Wiedenbauer. Capatect will sich auch zukünftig mit der Hanfdämmung am Markt differenzieren, die »mittlerweile nicht nur an der Fassade, sondern auch als Gefachdämmung im Innenbereich, im Holzbau oder als Dachbodendämmung eingesetzt werden kann«. Bei Knauf Insulation setzt man auf ein »umfassendes Produktportfolio sowie entsprechende Serviceleistungen«. Ein Highlight ist etwa die neue Mineral Plus-Dämmplatte, die die Vorteile von Glaswolle mit den Vorteilen der Steinwolle vereint.

Franz Hartmann, Vertriebsdirektor Saint-Gobain Isover, sieht den Schlüssel zum Erfolg im Rückzug von »Allerweltsprodukten«. »Diese kommen über Billig­import nach Österreich und da können und wollen wir preislich nicht mithalten.« Erfolgspotenziale sieht er vielmehr in der Spezialisierung. »Sie schärft das Unternehmensprofil, unterscheidet das Unternehmen vom Mitbewerb und gibt dem Käufer einen guten Grund, genau dort einzukaufen«, so Hartmann.


Hintergrund: Sanierung

Auch wenn seit 1990 im Gebäudesektor in Sachen Treibhausgaseinsparungen schon einiges erreicht wurde, so wies die kürzlich präsentierte Bilanz des Umweltbundesamtes für 2015 wieder einen Anstieg von 3,8 % aus. »Und der Nachholbedarf bei der Gebäudedämmung ist nach wie vor enorm«, erklärt Clemens Demacsek, Geschäftsführer der GPH Güteschutzgemeinschaft Polystyrol-Hartschaum. 60 Prozent aller Wohnungen, die vor 1990 errichtet wurden, das sind mehr als zwei Millionen Wohnungen, oder rund 140 Millionen Quadratmeter Fassadenfläche, entsprechen laut Demacsek nicht den aktuellen Richtlinien der Energieeffizienz.


Fokus Wärmedämmverbundsysteme

Ähnlich wie die Dämmstoffe litt in den letzten Jahren auch der Markt für WDVS unter der schwachen Sanierungskonjunktur und den vergleichsweise niedrigen Energiepreisen. Das drückte auch auf die Preise. Die Erlöse schrumpften innerhalb von nur zwei Jahren um nahezu 18 Prozent von 186,8 Millionen Euro auf 153,6 Millionen Euro. Wie bei den Dämmstoffen durfte aber auch hier 2016 die Talfahrt gestoppt worden sein. »Für 2016 lassen derzeitige Prognosen eine Stabilisierung und ähnliche Zahlen wie 2015 erwarten«, sagt Clemens Hecht, Sprecher Qualitätsgruppe Wärmedämmsysteme. Ähnlich sieht man die Situation bei den Unternehmen. »Im Vergleich zu den Vorjahren hat sich die Lage entspannt«, erklärt etwa Christian Höberl, Leitung Produktmanagement Röfix Österreich, der für die nächsten Jahre mit einem leichten Aufschwung rechnet. Auch für Hecht sind Zuwächse in den nächsten Jahren wieder realistisch. Viel werde allerdings von der Energie- und Klimastrategie der Bundesregierung abhängen. »Diese hat die Klimaziele von Paris aus dem Jahr 2016 klar abzubilden und muss zeigen, wie die jährliche Sanierungsrate von drei Prozent erreicht werden kann«, so Hecht.  

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