Montag, April 29, 2024

Im Interview mit Report(+)PLUS spricht Andreas Pfeiler, Geschäftsführer Fachverband Steine-Keramik in der Wirtschaftskammer, über unfaire Rahmenbedingungen für die energieintensive Industrie, erklärt, warum im Diskurs zwischen Leicht- und Massivbau die Wahrheit manchmal auf der Strecke bleibt und stellt konkrete Forderungen an die Politik.

(+) plus: Nach einem kaum wahrnehmbaren Umsatzwachstum von 0,26 Prozent im Jahr 2015 gab es im ersten Halbjahr 2016 mit einem Plus von 2,28 Prozent erstmals seit langem wieder eine sichtbare Umsatzsteigerung. Was lässt sich über das Gesamtjahr 2016 sagen?

Andreas Pfeiler: 2016 war auf jeden Fall besser als 2015, wenn auch nicht in allen unseren Teilbranchen. Mir liegen noch keine endgültigen Zahlen vor, aber ich denke, wir werden das Halbjahresergebnis halten können. Im Hochbau wird speziell in den urbanen Bereichen deutlich mehr gebaut. Das spüren aktuell die für den Rohbau zuständigen Branchen. Die Endausbaustufen wie Putze, Mörtel oder Gipskarton konnten 2016 noch nicht so profitieren. Das wird erst kommen.  Im Rohstoffbereich ist es sehr unterschiedlich. Unternehmen, die als Lieferanten für die großen Infrastrukturprojekte von ÖBB und Asfinag entlang der Hauptverkehrsadern in Frage kommen, haben eine konstant gute Auslastung.

Problematisch ist, dass in den dezentralen Regionen praktisch nichts passiert. Aber genau dort liegen viele unserer Rohstofflagerstätten. Vor allem im Bereich der Landes- und Gemeindestraßen fehlt das Geld hinten und vorne. Da wird maximal in die Oberflächensanierung investiert. Das kann langfris­tig teuer werden.

(+) plus: Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report hat Ronald Blab, Leiter des Forschungsbereichs für Straßenwesen an der TU Wien, angeregt, dass sich einzelne Gemeinden zu Erhaltungsverbänden zusammenschließen sollten. Ein aus Ihrer Sicht sinnvoller Vorschlag?

Pfeiler: Das wäre sicher ein guter Ansatz, der in der Abfallwirtschaft bereits funktioniert. Auch da wird die Abfallwirtschaft von Gemeindeverbänden betrieben. Wenn der politische Wille da ist, macht das sicher auch  im Straßenbau Sinn. Das wäre ein innovativer, neuer Ansatz.

(+) plus: Große Hoffnungen haben Sie und Ihre Mitglieder in die Wohnbauoffensive des Bundes gesetzt. Viel ist davon am Markt allerdings noch nicht zu spüren.

Pfeiler: Das stimmt. Aber die formalen und administrativen Prozesse wie etwa die Gründung der Wohnbauinvestitionsbank brauchen einfach eine gewisse Vorlaufzeit. Wenn die Wohnbauinvestitionsbank dann aber einmal läuft und die Rückflüsse nicht verkauft werden, wird das ein richtig gutes System, das sich selber tragen kann. Wir sind von diesem System überzeugt, weil es dadurch auch gelingen kann, eine »Wohn­bauförderung neu« auf die Beine zu stellen. Dann könnte man eventuell auch die Lohnnebenkosten um dieses eine Prozent »Wohnbauförderungsbeitrag« senken, weil sich die Wohnbaubank durch Rückfluss des Kapitals selber finanziert.

(+) plus: Der Fachverband Steine-Keramik fordert seit Jahren die Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung. Dazu ist es bekanntlich nicht gekommen. Wie bewerten Sie die Ergebnisse des Finanzausgleichs?

Pfeiler: Die Verländerung der Wohnbauförderung hat den Nachteil, dass der Bund die letzte Chance auf einen Eingriff in die Wohnbauförderpolitik abgegeben hat. Der Vorteil, der meiner Meinung nach auch überwiegt, ist, dass die Länder jetzt voll in der Verantwortung stehen.

Wenn etwa ein Bundesland die Wohnbauförderung rein über die Rückflüsse finanziert, könnte es so die Lohnnebenkosten senken. Außerdem müssen die Landespolitiker für ihre Wohnbaupolitik jetzt vor der Bevölkerung gerade stehen und können sich nicht mehr auf den Bund ausreden. Und kein Landespolitiker wird es sich erlauben können, die Gelder zweckentfremdet zu verwenden.

(+) plus: Der Fachverband Steine-Keramik hat sich in der Vergangenheit immer wieder gegen die politisch motivierte Bevorzugung einzelner Bauweisen bei Neubau oder Sanierung ausgesprochen und eine Baustoffneutralität gefordert. Diese Baustoffneutralität wird von keiner öffentlichen Stelle in Frage gestellt. Ging und geht diese Forderung ins Leere?

Pfeiler: Nein, das denke ich nicht. Hintergrund ist, dass von der Holzbau-Seite ständig Forderungen nach einer ökologischen Bauweise aufgestellt werden. Wir hinterfragen, was denn tatsächlich ökologischer ist. Wir wollen einfach bei der Wahrheit bleiben. Und wenn wir uns da nicht wehren, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn wir irgendwann keine Marktanteile mehr haben. 

Ich halte es auch für extrem bedenklich, wenn in der Forstwirtschaft über eine bioökonomische Strategie nachgedacht wird und man die Forderung aufstellt, bei öffentlichen Bauaufträgen immer die Holzbauweise zu bevorzugen. In den Ländern wurde das teilweise ja sogar umgesetzt, etwa in Niederösterreich oder der Steiermark. In der Steiermark hat sich Wohnbaulandesrat Seitinger klar für den Holzbau bei öffentlichen Bauaufträgen ausgesprochen, weil dieser vermeintlich erdbebensicherer wären. Das stimmt einfach nicht. Und gegen diese Unwahrheiten muss man sich wehren. 

(+) plus: Vom Energieeffizienz- und Ökostromgesetz über den Emissionshandel bis zum Pariser Klimaabkommen: Mit der nationalen und internationalen Klima- und Energiepolitik haben Sie sich in der Vergangenheit wenig zufrieden gezeigt. Was läuft aus Sicht der energieintensiven Industrie aktuell schief?

Pfeiler: Es ist ein Faktum, dass unsere Mitgliedsunternehmen viel fossile Energie verbrauchen. Fossile Energie deswegen, weil wir etwa in der Zementproduktion enorm hohe Temperaturen benötigen, die über erneuerbare Energien einfach nicht erreichbar sind.  Und es ärgert mich, wenn Österreich im Zuge der Klimakonferenz in Marrakesch den Titel »Fossil des Tages« verliehen bekommt für die angeblich katastrophale Bilanz Österreichs bei der Entwicklung der Treibhausgase. In Wahrheit beherbergt Österreich eine ganze Reihe von Vorzeigebetrieben in Sachen Energieeffizienz oder Ausstoß von CO2-Emissionen.

(+) plus: Ist man tatsächlich am Plafond des technisch Machbaren angelangt?

Pfeiler: Ein bisserl was geht immer (lacht). Die Frage ist, was kosten die letzten drei Prozent. Wenn die doppelt so viel kos­ten wie die bisherigen 97 Prozent, ist das betriebswirtschaftlicher Unsinn. Vor allem wenn ich als Unternehmen weiß, dass ich mit den 97 Prozent unseren Nachbarn aus Osteuropa um 20 Prozent und mehr voraus bin. Wäre es nicht viel sinnvoller, dort zu investieren?

Es ärgert mich einfach maßlos, wenn unsere Betriebe für ein chemisches Naturgesetz verunglimpft werden. Wenn ich Kalkstein brenne, löst sich CO2. Das ist nun mal so und beim Holz nichts anderes. Das CO2 ist im Holz eingelagert, aber nur so lange, bis es verbrannt wird. Dann wird CO2 freigesetzt.

Eines muss man dazu auch klar festhalten: Niemand in Österreich produziert mehr Zement, als der Markt braucht. Wird der benötigte Zement nicht in Österreich produziert, dann wird er importiert. Und das ist aus umweltpolitischer Sicht sicher nicht sinnvoll. Man kann Ziegel und Beton auch nicht zur Gänze mit Holz substituieren, denn sonst gäbe es bald keinen Wald mehr.

(+) plus: Welche Forderungen haben Sie an die Politik?

Pfeiler: Wir fordern ein faires System für alle. Und dass man endlich anerkennt, dass unsere Unternehmen am absolut aktuellsten Stand der Technik sind und dafür nicht auch noch mit weiteren Einschränken bestraft werden sollten. Die Messlatte für die Vorreiter darf nicht höher liegen als für die Nachläufer. Was wir brauchen, ist ein Benchmark-System, das für alle in Europa zu gelten hat.

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