Montag, Mai 06, 2024

Im Vorfeld des Branchentreffs Mobile World Congress hatten sich die IKT-Hersteller und ­Provider in München versammelt, um das Wesen von 5G zu erfassen. Fazit: Mobilfunk wird in einigen Jahren als erweiterte Infrastruktur für IT-Netze herhalten können.

Der späte Erfolg der dritten Mobilfunkgeneration UMTS hat die Investitionen in 4G verzögert. Während hierzulande der Ausbau nun auch außerhalb der urbanen Zielgebiete begonnen hat, sind die USA und auch Asien in 4G bereits flächendeckend führend. Warum also jetzt, mitten in den 4G-Baustellen Europas, bereits über den eigentlich erst übernächsten Schritt, 5G, diskutieren? Nun, es ist eine Phase, in der die Zusammenarbeit unter konkurrierenden Herstellern noch nicht weh tut, sondern im Gegenteil sogar lebenswichtig für den Aufbau des neuen Ökosystem ist. Patente, die verteidigt werden müssen, gibt es bei 5G noch nicht. Ein Entwickeln auf Augenhöhe, Seite an Seite, ist in den kommenden Jahren ohne Zwistigkeiten möglich. Längst hat man aus dem europäischen Erfolgsprodukt GSM gelernt, dass der Weg zum Erfolg ausschließlich über weltweit einheitliche Standards und einem Konsens in dem, was man tut, verläuft. Anfang Februar lud der Netzausrüster Huawei zu einer breit angesetzten Diskussionsrunde nach München ein.

Wen Tong ist Leiter des Forschungsbereichs Wireless und der Communications Technologies Laboratories bei Huawei. Er erwartet, dass der nächste Schritt im Mobilfunk unsere Gesellschaft und Wirtschaft wesentlich beeinflussen wird. »Wir hatten 2013 bereits mehr mobile Internetnutzer als PC-User. 5G wird eine tausendfach größere Netzkapazität bringen, als heute üblich ist. Die Mobilnetze sind damit nicht mehr die Flaschenhälse für die Enduser und ihre Anwendungen«, ist Wen Tong überzeugt. Mit der neuen Technologie werden Vernetzung von Maschinen und neue Anwendungen ermöglicht, die heute noch schwer vorstellbar sind. Für Tong geht es gar um das Überschreiten der physikalischen Grenzen, die Mobilfunk bisher mit sich brachte. 5G wird ein Inkubator für neue Geschäftsmodelle und Geschäftsprozesse sein. Huawei forscht seit 2009 an der nächsten Generation, will mindestens 600 Mio. in Forschung und Entwicklung bis zum Jahr 2018 hineinpumpen und kündigt den Marktstart von 5G für 2020 an. Mit einer allgemeinen Geschwindigkeit von 10 Gbit/s wird man zumindest hundertmal schneller als die schnellsten Netze heute sein – bei Latenzzeiten von 1 ms und darunter.

Mobiles Datenwachstum
Ein Exabyte ist der weltweit mobile Datenverkehr groß. Bis 2019 sollen es bereits zehn Exabyte sein, die jährlich umgesetzt werden. 5G soll den nötigen Untergrund für dieses Wachstum bieten – schneller, besser und günstiger sowohl in den Anschaffungs- als auch in den Betriebskosten für die Mobilfunker. In München stellen die versammelten Experten der Ausrüster Ericsson, Alcatel-Lucent, NSN, europäische Thinktanks und Netzbetreiber unisono fest: 5G wird Teil einer industriellen Bewegung in Richtung All-IP sein.

Bis dato haben die Provider noch kein Rezept gegen die Over-the-top-Anbieter Google, Amazon, Youtube und Facebook gefunden. Die Netzbetreiber mühen sich seit Jahren ab, ihre Infrastruktur zu vergolden oder wenigstens die Umsätze halten zu können. Die europäischen Regulierungsbehörden machen wiederum keine Anzeichen, diese Misere zu ändern. »Wenn du die Lösung nicht siehst, folge dem Geld«, ist eine Binsenweisheit, die am Kongress scherzhaft vorgetragen wird. Dass eine bessere Netzinfrastruktur vielleicht tatsächlich mehr Einkünfte bringen kann, vor allem aus volkswirtschaftlicher Sicht, beweist Südkorea. 1.5 Mrd. Dollar will der asiatische Staat in den Mobilfunk investieren. Smart Cities, intelligenter Verkehr und vieles mehr sollen damit möglich werden.

Doch: Kein Konsument wird für 5G-Netz extra bezahlen wollen. Die Provider müssen sich überlegen, wie ihre Netze günstiger und effizienter betrieben werden können. Es gilt, aus dem gewachsenen Inselreich von GSM, 3G-Multimedia, den Bandbreiten aus 4G, mit all der Hardware, Administration und Energieverbrauch, eine am Ende des Tages günstigere Summe der Einzelteile zu erhalten. Kompatibel zu LTE und WiFi muss der nächste Schritt sein, das steht außer Zweifel. Ähnlich wie bereits bei LTE ist auch hier die Vision, den Nutzer im Festnetz drahtlos die gleiche Servicequalität zu liefern. Betraf der Schritt zu GSM vor allem die Digitalisierung der Netze, soll 5G im Kern also radikal Kosten verbessern und Automatisierung bringen.

Auch soll die bislang deutliche Grenze zwischen Netzwerken und Endgeräten bei der Bereitstellung von Anwendungen fallen. Aus der Mobilfunkwolke heraus wird 5G die Services über die unterschiedlichen Geräte bereitstellen. Wo Daten gespeichert sind, wird für die Nutzer nicht ersichtlich sein. »Jedes Unternehmen wird eine Internetfirma sein, mit mobilem Breitband nicht nur als Standard, sondern im Sinne eines Grundrechts als Verbindungsweg der ersten Wahl für Menschen allerorts«, heißt es selbstbewusst. Auf technischer Ebene könnten dann jene Frequenzbänder, die unter 6 GHz liegen, in einen einheitlichen Standard gegossen werden. »5G takes all«, bringt es Wenshuan Dang, Senior Network Architect Huawei Technologies, auf den Punkt. »Es gibt keinen vernünftigen Grund, LTE und WiFi nicht zu verbinden. In Europa sind das gesammelte Mobilfunk-Know-how und alle wichtigen Anbieter versammelt. Für uns ist Europa unser zweiter Heimmarkt«, bekräftigt Dang.

Thibaut Kleiner, Leiter Network Technologies in der Generaldirektion Connect der Europäischen Kommission, wünscht sich die Führungsrolle der europäischen Telekommunikation zurück. Mehr als sieben Millionen Jobs hängen in der EU an diesem Sektor.  »Wir legen 700 Mio. in den nächsten sieben Jahren auf den Tisch, die von der Industrie vervielfacht werden können«, fordert er auf. Rund um die Public-Private-Partnership 5G PPP der Europäischen Kommission mit der Branche sind bereits mehr als 1.000 Unternehmen zu finden. In einer ersten Tranche werden heuer 125 Mio. Euro für 5G-Forschungsprojekte ausgeschüttet. »Wir erwarten nun von der Industrie konkrete Roadmaps, die von uns aufgegriffen werden«, so Kleiner.

Das Netz der Zukunft muss das Internet der Dinge ermöglichen – mit Aspekten zu Ausfallsicherheit, Priorisierungen und Verschlüsselungen. Keine Frage, das braucht globale Zusammenarbeit.
»Offen bleiben«, rät schließlich auch Hans-Peter Mayer, Director of Next Generation Wireless within Bell Labs, Alcatel-Lucent Bell NV, »nicht bei dem bleiben, was wir heute sehen – es höchstens als Indikator betrachten, was möglich ist.«

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