Dienstag, April 16, 2024
Wie Navy Seals das Unmögliche schaffen

Zwei Komponenten sind es, die Organisationen nach vorne bringen: starkes Denken und starkes Handeln. Wäre dies so trivial umzusetzen, wie es klingt, würden sich nicht viele Unternehmen jedes Jahr mit einem kleinen Plus zufriedengeben, sondern weitaus höhere Ziele anstreben. Erfolgsautor Matthias Kolbusa rät, sich dazu Anleitung bei den Navy Seals zu nehmen.

So gut ein Unternehmen auch optimiert und perfektioniert: Echte Erfolgssprünge gelingen nur, wenn Dinge tiefgreifend anders gemacht und anschließend konsequent verfolgt werden. Produkte häppchenweise besser machen? Die Zulieferer im Preis drücken oder die Verkaufsstrategie nuanciert anpassen? Dies und vieles Ähnliche erzeugt maximal ein Auf-der-Stelle-Treten auf höherem Niveau. Und so ist es höchstens eine Frage der Zeit, bis ein Mitbewerber unerwartet mit einer brandneuen Idee vorbeizieht.

Willensstärke im Denken und Handeln
Konsequent starkes Denken und starkes Agieren verlangen einer Organisation einiges ab und setzen hohe Willensstärke voraus – eine Intensität, die beim Erdenken neuer Lösungen ebenso stark ist wie bei deren Umsetzung. Denn die Verführung, aus Bequemlichkeit und Mangel an Mut das Immergleiche zu denken und alte Blaupausen auf komplett neue Fälle anzuwenden, ist groß. Fakt ist, das viele eminent fleißige Unternehmen an der Bequemlichkeit im Denken scheitern, ebenso wie andere, die zwar hervorragende Ideen produzieren, aber außer einem Stottern im Triebwerk keinen Schub auf die Düsen bekommen.

Der für diesen Schub notwendige Wille kommt weder aus dem Nichts, noch lässt er sich per Command and Control erzwingen. Um für einen Erfolgssprung über sich hinauszuwachsen, brauchen Menschen ein leuchtendes und begehrenswertes Ziel, das ihnen jede Mühe wert ist. Leider gelingt es den meisten Unternehmen durch schwaches Denken nicht, die nötige Emotionalität zu erzeugen.

Wie Navy Seals das Unmögliche tun
Die amerikanischen Navy Seals haben den Ruf und die Fähigkeit, unmöglich erscheinende Anstrengungen zu meistern und Entbehrungen auf sich zu nehmen. Sie glauben, dass Menschen erst bei 40 Prozent ihrer möglichen Leistung sind, wenn sie sich am Ende ihrer Kraft wähnen. Der Schlüssel zu dieser besonderen Stärke ist ein starkes Motiv, das die Seals „Why“ nennen.

Um dieses „Warum“ ins Unternehmen zu transportieren, werden die angestrebten Ergebnisse als emotional aufgeladene Zielbilder formuliert, für die Menschen mit vollen Herzen brennen. Ersehnenswerte Ziele sind niemals abstrakt und beantworten immer die Frage, was erlebbar gewonnen ist, wenn sie erreicht wurden.

So zieht beispielsweise ein Autobastler, der seinen klapprigen Oldtimer in ein Schmuckstück verwandelt, seine Energie nicht aus den technischen Daten des Wagens. Er imaginiert vom ersten Schraubendreh an das Gefühl, mit dem chromblitzenden Gefährt im strahlenden Sonnenschein und bei offenem Verdeck zum Oldtimer-Treffen zu cruisen. Dieses Bild zieht ihn jeden Abend nach der Arbeit in die Garage und bestimmt, was er tut: „Was muss ich heute konkret erledigen, das mich dem Bild näherbringt?“ und nicht „Was steht seit Wochen im Plan?“

Schwaches Denken. Wenn der Plan zum Ziel mutiert
Genau daran scheitern Unternehmen, wenn sie Ziele ausschließlich als Zahlen in Prozent, Euro oder Dollar formulieren. Ebenso schematisch gehen sie im Anschluss vor: Vom Startpunkt (A) aus planen sie jede Menge Aktivitäten und Meilensteine, um zu ihrem abstrakten Ziel (B) zu kommen. Weil der Plan und seine Aktivitäten regieren, wird der Prozess am Input und nicht am Output, dem Ziel orientiert. In diesem buchstäblichen Push-Modus werden die Mitarbeiter mit Druck zum Erreichen einer kalten Zahl getrieben.

Stockt der Prozess oder droht zu scheitern, macht das Management automatisch mehr vom Gleichen oder steuert hektisch immer neue Aktivitäten ein, um den Plan mit Gewalt zu halten. Das Einhalten des Kurses erzeugt jedoch nur Scheinsicherheit. Denn was nutzt die Treue zum Plan, wenn man durch neue Umstände viel effizienter sein könnte oder wenn der Kurs längst nicht mehr aufs Ziel weist? Dass ein Ziel in Zahlenwerten psychologisch nicht dazu geeignet ist, Mitarbeiter zu begeistern, versteht sich intuitiv. Für Prozente kann man nicht brennen.

Starkes Denken. Das Ziel bestimmt den Fortschritt
Erheblich umsetzungsstärker sind Unternehmen, deren Prozesse vom Output, vom Ziel her gesteuert werden. Ausgehend vom emotionalen Zielbild (B) legen sie fest, welche Bausteine für den Fortschritt erforderlich sind und wo zu starten (A) ist. Von da an führen nur zwei Fragen auf dem weiteren Weg, die täglich gestellt werden: „Was bringt uns dem Ziel am nächsten und wie messen wir verlässlich, ob und wie wir vorankommen?“ Kommt es unterwegs zu Rückschlägen, ist der Wille, sie für das Zielbild zu überwinden, derart stark, dass nichts das Team aufhalten kann. Es wird im Pull-Modus magisch vom Ziel angezogen.

Wenn den Autobastler nach einem langen Arbeitstag die Müdigkeit peinigt, während das Oldtimer-Treffen näher rückt, treibt ihn das starke emotionale Warum an, die Aufgabe auch an diesem Abend anzupacken. Letztlich ist das nichts anderes, als der Antrieb, im Managementalltag das ellenlange Protokoll zu lesen oder sich ans Konzept zu setzen, obwohl man sich gerade im Ideen-Leerlauf zu befinden scheint.

Maximaler Discomfort. Mentale Stärke im Einsatz
Die Motivation über emotional erstrebenswerte Ziele ist nur die eine Seite. Um sie zu erreichen, braucht es zusätzlich den Willen, es sich maximal unbequem zu machen und, damit verbunden, hohe mentale Stärke.

Maximaler Discomfort beschränkt sich nicht darauf, mehr zu arbeiten als gewöhnlich, sondern bedeutet darüber hinaus eine Kultur, in der man mit mentaler Stärke selbst Dinge tut, die emotional herausfordernd sind. Besonders zeigt sich das in der Kommunikation und der Fehlerkultur. Einem Kollegen klarzumachen, sagen, dass sein Konzept einen Webfehler enthält, verlangt ebenso viel mentale Stärke wie der Umgang mit vergleichbarem Feedback, das man selbst aushalten muss. Es liegt in der Natur jeglicher, auch der konstruktivsten Kritik, Schuld- und Schamgefühle auszulösen, die einem Erkenntnisgewinn und dem Fortschritt im Weg stehen können.

Menschen mit mentaler Stärke beherrschen ihre Emotionen, statt von ihnen beherrscht zu werden. Sie überwinden alle negativen Gefühle, die das Vorankommen bremsen. Niemand diskreditiert mehr den intelligenten Vorschlag eines Kollegen, um eine alte Rechnung zu begleichen. Keiner versteift sich auf sture Rechthaberei, wenn jemand eine eigene Ausarbeitung nachvollziehbar kritisiert. Aus: „Da fehlt dir das Verständnis. Glaub mir, wir haben das überprüft“, wird zukünftig: „Kannst du bitte präziseren, was du daran strittig findest? Gern überprüfen wir es gemeinsam und ändern es bei Bedarf.“         

Disziplin und Wille. Auf die Emotionen kommt es an
Die meisten Projekte und Strategieumsetzungen scheitern nicht an Fahrlässigkeit oder unabwendbaren Katastrophen, sondern an fehlender Qualität, Geschwindigkeit und Disziplin in der Umsetzung. Besonders zeigt sich das bei Dingen, die überaus anstrengend sind, die keinen Spaß machen, die keine Profilierung versprechen und die Überstunden erfordern.

Die Navy Seals brechen derartige Mammutaufgaben mental in machbare Teilstücke herunter. Während sie im eiskalten Atlantik liegen, um ihre Widerstandshärte zu stärken, teilt ihnen der Ausbilder mit, dass sie später 200-Kilo-Baustämme zehn Kilometer den Strand heruntertragen müssen. Statt entmutigt zu reagieren, stürmen sie an Land und denken in Etappen: bis zum Strandkiosk da vorne, bis zur Felsnase dahinter und immer so weiter.     

Aus den gleichen Gründen brechen auch Unternehmen ihre anspruchsvollen Ziele in motivierende emotionale Zielbilder herunter. Jedes dieser Teilziele ist so aufgestellt, dass es hohe Befriedigung vermittelt, es im gemeinsamen Kraftakt zu schaffen. Was einen für alle und alle für einen kämpfen lässt, sind nicht die Kommandos der Führung, sondern das gemeinsame Überwinden von Grenzen, die zuvor für unüberwindbar gehalten wurden.

Spaß macht das zugegebenermaßen nicht jeden Tag, erzeugt aber Fighting Spirit und Stolz, der mit den gemeisterten Strapazen wächst. Wenn reife Menschen sich Großes zutrauen und scheinbar Übermenschliches mental in Chancen und in erreichbare Etappen verwandeln, vermögen sie tatsächlich Berge zu versetzen.


Über den Autor
Matthias Kolbusa ist Strategie- und Veränderungsexperte, Unternehmer, Bestsellerautor und Vortragsredner. Sein Credo lautet: Nicht Meetings, Planung und Kontrolle bringen uns weiter, sondern Mut, Geschwindigkeit und Umsetzungsstärke. Statt Lippenbekenntnissen und unnötiger Komplexität braucht es mehr Klarheit und Aufrichtigkeit im Miteinander und mehr Konsequenz im Handeln. 2017 ist sein Buch Konsequenz! Management ohne Kompromisse - Führen mit Klarheit und Aufrichtigkeit erschienen.

www.kolbusa.de

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