Donnerstag, April 18, 2024

Das Festnetz stagniert und hofft auf Mehrwert für die Breitbandkunden. Der Mobilfunk prescht derweil dazwischen und kassiert die meist magere Beute.

Bei der Bahn-Infrastruktur, ab und zu auch im Straßenbau, scheinen manchmal die Uhren stillzustehen. In der Telekommunikations- und IT-Infrastruktur glauben viele dagegen, dass sich die Zeiger sogar zurückdrehen. Während in den letzten Jahren im Zuge der erfolgten Telekomliberalisierung die Sektkorken bei den Alternativen und deren Kunden knallten, ist es mittlerweile totenstill geworden. Während bei den Mobilfunkern nach den Jahren des Aufbaus nun eine böse Kannibalisierungsphase begonnen hat, ist die Party bei den Festnetzbetreibern überhaupt abgesagt. Die Gründe sind vielfältig: Die Mobilfunker heften sich mit den erfolgreichen Breitbandmodems nun den Internet-Button ans Revers. Und dem Exmonopolisten Telekom Austria ist von der Kartellbehörde gestattet worden, den alternativen Mitbewerb aufzukaufen. Das wollen viele nicht verstehen, sackt damit die TA doch plötzlich wieder gut 90 Prozent der Festnetz-Profite ein.
»Österreich tritt in puncto Wettbewerb und Regulierung auf der Stelle«, kommentiert der Präsident des Verbandes Alternativer Telekom-Netzbetreiber Berthold Thoma das Ergebnis einer jüngsten EU-Analyse. Für ein Kuriosum sorgt dabei Österreich bei den Wiederverkaufspreisen von Mietleitungen für die Geschäftskundenanbindung. Unter 19 erhobenen Ländern rangiert Österreich an letzter Stelle mit einer Marge von minus 18 Prozent. Was heißt, dass der betreffende Einkaufspreis, den ein alternativer Anbieter an den Infrastrukturbesitzer TA zahlen muss, um 18 Prozent höher ist als der Preis, den die Telekom Austria selbst einem Endkunden verrechnet. Für VAT-Präsident Berthold Thoma ist dieser Fall symptomatisch für die Inkonsistenzen und mangelhaften regulatorischen Rahmenbedingungen auf den österreichischen Telekom-Märkten: »Darf in Österreich nur der TA-Konzern Gewinne machen? Welche Renditen werden einem alternativen Anbieter zugestanden?«

Festnetz noch nicht tot
Dem Festnetz tut eine solche Marktkonzentration nicht gut. Durch die schwierigen Marktverhältnisse und eine ungleiche Regulierung der Verbindungstarife der Provider untereinander kommen die Betreiber immer mehr in die Schusslinie der Mobilfunker. Wenn in der heimischen Breitbandlandschaft derzeit etwas wächst, dann sind das die mobilen Breitbandanschlüsse. Die Verbreitung der Datenmodems ist 2008 um 73 Prozent auf knapp 1,1 Millionen gewachsen. So viele Österreicher haben heute einen mobilen Breitbandanschluss. Für die kommenden Jahre erwartet Arthur D. Little-Analyst Karim Taga aber trotz der Explosion des Mobilmarktes nur eine begrenzte Substitution des Festnetzes durch Mobilfunk. Gerade die verstärkte Nachfrage nach leistungsfähigen Applikationen wie beispielsweise TV-Streaming führe zu einem erhöhten Datenaufkommen. »Die Versorgung der österreichischen Bevölkerung mit Highspeed-Breitband kann technologiebedingt nur kostengünstig über Festnetz erfolgen«, erklärt Taga und fügt hinzu, dass das Festnetz in Österreich noch lange nicht tot ist.

Statistiken zufolge herrscht im Kupfernetz derzeit trotzdem Lebensgefahr, denn viel kann tatsächlich nicht mehr substituiert werden. Das Verhältnis des Minutenaufkommens in der Festnetztelefonie zum Mobilfunk wurde in den vergangenen Jahren völlig auf den Kopf gestellt. »Wir sprechen von einer singulären Situation in Europa«, warnt auch Telekom-Austria-Festnetzchef Hannes Ametsreiter. Nur noch ein Viertel der Telefonieminuten werden über Festnetztelefone abgewickelt.

Kahlschlag geht weiter
Mit Umstrukturierungen, darunter auch im Personalstand, soll der Festnetzprovider Tele2 – die Nummer zwei am Festnetzmarkt – im Frühjahr einen neuen Geschäftsführer bekommen. Branchengerüchten zufolge könnte dies Colt-Telecom-Chef Alfred Pufitsch werden, was dieser im Gespräch mit dem Report nicht ausdrücklich dementiert. Pufitsch warnt jedenfalls weiter, dass die Glasfasernetze in den Städten bislang von einer Regulierung ausgenommen waren. Auch Citynetzbetreiber wie die Wiener Silver Server haben in der Vergangenheit bereits wiederholt bei der TA Fiber anmieten wollen – was ergebnislos wieder aufgegeben werden musste. Der Office Campus Gasometer in Wien-Simmering wurde von Silver Server trotzdem ausgebaut. Mit Jahresbeginn wurde die intensiv genutzte Büroimmobilie an das eigene Silver-Server-Glasfasernetz angebunden.


Anderswo, im Burgenland, gab es zu Jahreswechsel ebenfalls Bewegung. Die EVN-Tochter kabelsignal ist neben der Telekom Austria nun auch in Österreichs bevölkerungskleinstem Bundesland dominierender Faktor bei Triple-Play (TV-, Telefonie- und Internetangebote aus einer Hand). Die Niederösterreicher stehen vor der Übernahme des burgenländischen Providers B.net. Anders als in Burgenland will man sich im Land Niederösterreich direkte Beteiligungen an der zukunftsträchtigen Infrastruktur IKT nicht nehmen lassen. Der im Landeseigentum stehende Energieversorger EVN fährt seit Jahren einen konsequenten Kurs mit Providerzukäufen.

Wo sich die Provider am kleinen Markt Österreich gegenseitig auf die Zehen steigen, werben die Netzlieferanten naturgemäß für neue Services, Technologien und Mehrwert. Auch Alcatel-Lucent-Boss Harald Himmer geht davon aus, dass aufgrund des Mobilitätsanspruches der Menschen Dienste wie Sprache oder Daten weiterhin ein verstärktes Wachstum im Mobilfunkbereich verbuchen werden. »Auf der anderen Seite bin ich überzeugt, dass der Kunde zu Hause nicht auf das Leistungsspektrum eines an Breitband angebundenen Heimes verzichten wollen wird. Man denke nur an die Möglichkeiten, die innovative Services wie HDTV oder IPTV bieten«, so Himmer und schließt dabei auch die Kabelnetzbetreiber nicht aus, die in innovative Dienste investieren müssen, um kompetitiv zu bleiben.

Österreichs größter Kabler scheint nur mit einem Ohr auf Harald Himmer zu hören. Zwar ist UPC seit Ewigkeiten im TV-Geschäft und bietet über sein Kabelnetz auch Filme auf Knopfdruck, die Internetsparte definiert sich aber lediglich über ihre Leitungskapazitäten. Diese sind in dem geschlossenen Netz UPCs freilich berauschend: Bis Ende des Jahres wollen die Wiener allen ihren Kunden in den Ballungsräumen mit 100 Mbit/s Geschwindigkeiten auf Glasfaserniveau bieten. »Fixes Breitband von UPC ist damit klar leistungsfähiger als mobiles Breitband«, gibt sich Providerchef Thomas Hintze kämpferisch. Doch auch bei dem Kabler kommt es im Zuge des beinharten Wettbewerbs heuer zu einem Personalabbau. Insgesamt 100 Mitarbeiter müssen gehen. »Was sollen wir machen, wenn die Telekom den Marktpreis de facto halbiert?«, gibt sich Hintze entschuldigend. »Ein Karriere-Highlight ist es sicherlich nicht, aber eine Notwendigkeit. Wir sind seit 30 Jahren in Österreich. Das passiert uns zum ersten Mal.«

Das widersprüchliche Kombipaket der TA zieht seine Spuren auch im Mitbewerb. Die TA-Kunden lieben es, für kleinere Provider werden die neuen Produktbundles der Telekom, die praktisch in einem regulatorisch rechtsfreien Raum stattfinden, zum Sargnagel.

Was dem Festnetz bleibt, ist zumindest der Trost, künftig Teil eines großen Ganzen zu werden. Die nächsten Technologiegenerationen sehen Anwendungsbereiche wie Telefonie und Internet auf einer einzigen Leitung, die aber von unterschiedlichen Infrastrukturen bereit gestellt werden kann. Die paradiesische Vision: Fest- und Mobilnetze reichen sich die Hände – und stellen einfach gemeinsam Breitband zur Verfügung. Oder, wie Thomas Hintze sagt: »Der Begriff Festnetz ist eigentlich unglücklich. Wir investieren nicht in Festnetztelefonie, sondern in Infrastruktur.«

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